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Die türkische Regierung will den Staudamm in Kurdistan – trotz aller Kritik. Aber der Protest hört nicht auf…

Einer der vielen Proteste der Betroffenen gegen den Riesenstaudamm, den die türkische Regierung in Kurdistan unbedingt haben will„… Unter dem Motto „Noch ist es nicht zu spät, Hasankeyf und den Tigris zu retten!” hatten die Initiative zur Rettung von Hasankeyf und die Mesopotamische Ökologiebewegung zu globalen Aktionstagen am 7. und 8. Juni aufgerufen. Weltweit gingen in 35 Orten unzählige Menschen auf die Straße und protestierten gegen das auf 50 Jahre Betriebsdauer angelegte Ilisu-Wasserkraftwerk, einem der weltweit umstrittensten Talsperren-Projekte. Mindestens 80.000 Menschen würden ihre Lebensgrundlagen verlieren und zumeist in Armut landen. Unter den Zielen des Dammbaus finden sich neben der Stromproduktion auch die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung und die Kontrolle des Wassers gegenüber dem Irak. Wie die Hasankeyf-Initiative und die Mesopotamische Ökologiebewegung in einer gestern veröffentlichten Bilanz der Aktionstage mitteilen, wurde das Thema in Europa vor allem bei vielen der „Fridays for Future“-Demonstrationen eingebracht, so unter anderem in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana sowie in München, Frankfurt, Kassel und Hamburg. In zahlreichen europäischen Städten wurden darüber hinaus Veranstaltungen durchgeführt, Informationsstände aufgestellt, Flugblätter verteilt und Reden gehalten. In Paris fand eine Kundgebung vor dem Gebäude der UNESCO statt, bei der das Schweigen der Institution zur Zerstörung des Weltkulturerbes in Hasankeyf (kurdisch: Heskîf) angeprangert wurde. In Wien wurde vor der Niederlassung von ANDRITZ gegen die Beteiligung an dem Ilisu-Staudamm protestiert. Solidaritätsbekundungen kamen auch aus dem Irak. In zehn Städten, darunter Bagdad, Babylon und Basra im Süden des Landes fanden Aktionen statt…“ – aus dem Bericht „Bilanz der Hasankeyf-Aktionstage“ am 10. Juni 2019 bei der ANF externer Link, worin auch noch weitere Aktivitäten berichtet werden. Zu den Aktionstagen gegen das Staudammprojekt siehe zwei weitere aktuelle Berichte und einen Hintergrundbeitrag – sowie eine aktuelle Meldung:

  • „Hasankeyf-Aktionstag: Protestaktion gegen Andritz“ am 09. Juni 2019 bei der ANF externer Link zur Aktion beim österreichischen Erdogan-Partner: „… Während verschiedene andere europäische Konzerne und Banken ihre Unterstützung für den Staudamm in den vergangenen Jahren zurückgezogen haben, hält Andritz an der Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung fest. Dafür erntet der Konzern, der auch wegen Korruptionsvorwürfen umstritten ist, immer wieder Kritik. „Es kann nicht sein, dass Firmen in Österreich mit einem Diktator Geschäfte machen, der in Kurdistan für die Staudämme zehntausende Menschen vertreibt!“, erklärt eine Aktivistin nach der Aktion gegenüber ANF. „Und Andritz ist ja nicht nur in Kurdistan aktiv, sondern auch in Brasilien und Tibet. Auch dort werden mit der Aufstauung von Flüssen Ökosysteme zerstört, darunter leidet vor allem die autochthone Bevölkerung. Gleichzeitig stellt Andritz ja auch sinnvolle Dinge wie Wellenkraftwerke her. Der Konzern hat also Alternativen zur Zusammenarbeit mit Diktaturen.“ Die Aktivistin kündigte an, dass der Protest gegen die Unternehmenspolitik von Andritz weitergehen werde. „Auch in anderen österreichischen Städten wie Graz und Linz werden wir in Zukunft dafür auf die Straße gehen, dass sich Andritz aus umstrittenen Projekten zurückzieht“. Damit stellen sich die Aktivist*innen hinter die Forderungen der Menschen in Heskîf, die von dem Unternehmen auch eine finanzielle Entschädigung für ihre Zwangsumsiedlung und die Zerstörung ihrer ökologischen Lebensgrundlagen erwarten…“
  • „Hasankeyf-Solidarität im Wendland“ ebenfalls am 09. Juni 2019 bei der ANF externer Link berichtet: „… Im selbstverwalteten Gast- und Tagungshaus Meuchefitz im Wendland hat eine Aktion zur Rettung der von dem Staudamm-Projekt Ilisu bedrohten historischen Stätte Hasankeyf (kurdisch: Heskîf) stattgefunden. Nach einer Führung durch die Ausstellung „Rojava – Frühling der Frauen” zeigten Teilnehmer*innen der Veranstaltung ihre Solidarität mit der von Überflutung bedrohten Kulturstätte Hasankeyf. Die zwölftausendjährige Stätte in der Provinz Batman (Êlih) auf dem Gebiet des antiken Mesopotamiens, deren Wurzeln bis in die Bronzezeit reicht, ist ein einmaliger Ort der Menschheitsgeschichte: 20 östliche und westliche Kulturen haben hier ihre Spuren hinterlassen. Doch am morgigen Montag soll die Aufstauung des Tigris am Ilisu-Staudamm beginnen. Dies hätte zu bedeuten, dass Hasankeyf ab Oktober verschwindet und rund 200 Siedlungsgebiete unter Wasser gesetzt werden…“
  • „Letzte Proteste gegen Ilısu-Damm“ von Jürgen Gottschlich am 06. Juni 2019 in der taz online externer Link wies aus Anlass des Aufrufes zum Protesttag auf folgende Erfahrungen hin: „… Weil für den Ilısu-Staudamm keine ausreichende Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen wurde, haben nach massiven Protesten europäische Banken aus Deutschland, der Schweiz und Österreich bereits vor Jahren ihre Kreditzusagen für das Projekt zurückgezogen, und es wurden auch keine staatlichen Bürgschaften für europäische Baukonzerne bereitgestellt. Mit Unterstützung asiatischer Banken wurde der Damm dennoch gebaut. (…) Die türkische Regierung hat für die Bewohner von Hasankeyf und anderer Dörfer an höher gelegenen Plätzen neue Häuser bauen lassen, die jetzt bezogen werden sollen. Oft übersteigt die erwartete finanzielle Beteiligung der Bewohner allerdings deren Möglichkeiten. Außerdem sind die neuen Orte für Landwirtschaft meistens weniger geeignet, sodass viele Dorfbewohner in den Slums der umliegenden Städte landen werden. Für die türkische Regierung ist der Damm vor allem für die Stromproduktion wichtig. Die zumeist kurdischen Bewohner der Region sehen in dem Damm deshalb ein Projekt der Zentralregierung, durch das ihre Kultur und ihre Lebensgrundlage zerstört werden, ohne dass die Region selbst davon profitiert. Erfahrungen von anderen bereits gebauten Staudämmen am Euph­rat zeigen, dass die Versprechungen, mit dem gewonnenen Wasser aus dem Staudamm große Bewässerungsprojekte für die Landwirtschaft anzulegen, entweder nicht erfüllt wurden oder vor allem Großgrundbesitzern zugutekamen…“
  • „Flutung von Hasankeyf vertagt“ am 10. Juni 2019 bei tagesschau.de externer Link meldet: „… In der Türkei verschiebt sich die Inbetriebnahme des umstrittenen Ilisu-Staudamms abermals. Der Grund: Es hat zu viel geregnet. Die Proteste gegen das umstrittene Projekt dürften nun weitergehen. In den vergangenen Wochen hatten die internationalen Proteste gegen den Ilisu-Staudamm nochmal Fahrt aufgenommen, doch es schien, als sei aller Widerstand zwecklos. Nun macht das Wetter den Gegnern des Bauprojekts wieder Hoffnung. Ursprünglich hatten die Stauvorrichtungen heute geschlossen und die Rückhaltung des Tigris im Tal von Hasankeyf beginnen sollen. Doch nach Informationen des ARD-Studios Istanbul muss die Stauung offenbar abermals auf unabsehbare Zeit verschoben werden. Der Grund: Es hat zu viel geregnet in letzter Zeit, der Tigris führt zu viel Wasser. Würde man den Damm jetzt schließen, stiege der Pegelstand des Stausees zu schnell. Doch die Bauarbeiten in Hasankeyf sind noch nicht abgeschlossen: Höhlen müssen abgestützt oder versiegelt und Anwohner ins neue Hasankeyf umgesiedelt werden…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=150112
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