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Der Widerstand gegen eine Präsidialdiktatur in der Türkei: Orientierungsdebatten

Frauenplakat zum Türkeireferendum Februar 2017Obwohl sie selbst an der Macht war, konnte die AKP behaupten, die elitäre Bevormundung durch Bürokratie und Militär zu bekämpfen, die den Fortschritt der Türkei behindere. Dadurch erlangte die Partei Hegemonie über die breiten Massen und konnte potenzielle Dissident_innen kooptieren. Ihr Diskurs der »pluralistischen Demokratie« beinhaltete zahlreiche gesellschaftliche Forderungen in verzerrter Form und präsentierte die AKP als wahre Vertreterin der Nation und diese als eine Gemeinschaft ohne Klassen und Unterschiede. Die AKP zwang die breiten Massen, sich beim angeblichen Kampf zwischen der jakobinisch-kemalistischen Elite und der gottesfürchtigen Nation für eine Seite zu entscheiden. Dadurch wurde die Arbeiterklasse geschwächt. Klassenwidersprüche verschwanden hinter einem kulturalistischen Schleier. Zu Beginn der 2010er Jahre sah sich diese Erzählung, die seit 2001 funktioniert hatte, infrage gestellt. Der Machtblock begann zu zersplittern (was schließlich im Putschversuch im Juli 2016 gipfelte): Der Versuch der AKP, außenpolitisch eigenständig zu handeln (insbesondere in Syrien) ließ ihre internationalen Bündnisse bröckeln, die globale Finanzkrise verschärfte den Konflikt zwischen unterschiedlichen Fraktionen der Bourgeoisie und der Gezi-Aufstand brach aus. Die Strategie des populistischen Anti-Establishment-Diskurses hatte ihre Grenzen erreicht“ – aus dem Beitrag „Fragiler Bonapartismus“ von Foti Benlisoy und Baris Yildirim am 14. Februar 2017 in analyse&kritik 624 externer Link ein Versuch, sowohl die Entwicklung der letzten Jahre zu analysieren, als auch daraus Konsequenzen für den Widerstand abzuleiten. Siehe zur Debatte um den Widerstand einen weiteren Beitrag:

  • „Die Türkei braucht einen demokratischen Block gegen das AKP-Regime – Im Gespräch mit Kerem Schamberger“ am 22. Februar 2017 bei der Freiheitsliebe externer Link ist ein Gespräche des Autors Julius Jamal mit dem Aktivisten Schamberger, der unter anderem darin – auf die Frage „Siehst du denn trotzdem ein Perspektive nach einem Nein, den aktuellen Zustand verbessern und das de facto Präsidialsystem abschaffen?“ – unterstreicht: „Ich glaube es hängt von 3 Faktoren ab. Der erste Punkt ist der Zusammenschluss aller Oppositionsgruppen zu einem demokratischen Block, das ist mit Organisationen wie der HDP und dem HDK (Demokratischer Kongress der Völker) schon teilweise geschehen. Allerdings müsste es meiner Ansicht nach auch in einigen Fragen die links-nationalistischen Teile der CHP beinhalten. Dafür müsste die CHP allerdings ihre strukturelle Kurdenfeindlichkeit überwinden. Hoffentlich geschieht das eher schneller als langsam. Dieser demokratische Block bräuchte auch die Unterstützung von anderen Gruppen wie Gewerkschaften, Antiprivatisierungsbewegungen und anderen Bewegungen. Der zweite Punkt ist unsere Aufgabe hier im Westen: Wir müssen unsere Regierungen dazu bringen ihre Nibelungentreue zum Erdogan-Regime zu beenden. Das hängt von unserem Druck auf die große Koalition ab. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Der dritte Faktor ist eine mögliche Wirtschaftskrise. Ich will als Kommunist nicht Werbung für eine Krise machen, die zuallererst die arbeitende Bevölkerung und insbesondere die Kurden treffen würde. Allerdings könnte eine solche Krise zur Folge haben, dass die nach wie vor breite Unterstützung der AKP schwächer wird
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=112342
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