»
Türkei »
»

Kriegsdienstverweigerung und Milliardengeschäft: Wehrdienstfreikauf in der Türkei – oder Haft

Dossier

Savasa Hayir! - Kein Krieg!Die Türkei hat mit einem Gesetz über den »Freikauf vom Militärdienst« seit 1995 über eine Milliarde Euro verdient. Gegenwärtig entziehen sich schätzungsweise 600000 Fahnenflüchtige dem System. (…) In Folge der anhaltenden Auseinandersetzungen beschloß der türkische Ministerrat am 15. Juli 2013 die Summe auf 6000 Euro zu reduzieren. Der Betrag ist bis zur Vollendung des 38. Lebensjahres in maximal drei Raten beim zuständigen Konsulat einzuzahlen. (…) Ab der Altersgrenze von 38 Jahren gelten »Auslandstürken«, die der Wehrpflicht noch nicht nachgekommen sind, als fahnenflüchtig. Mit oft dramatischen Folgen für die Betroffenen: Wer dann in die Türkei reist, muß dort mit drakonischen Gefängnisstrafen von mehreren Monaten oder sogar Jahren rechnen. (…) Inzwischen hat der Gerichtshof die Türkei explizit dazu aufgefordert, ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu schaffen. Seitdem rumort es in Regierungs- und Armeekreisen, und die Einführung eines zivilen Ersatzdienstes wird wahrscheinlicher…“ Artikel von Gürsel Yildirim und Julian Irlenkäuser in der jungen Welt vom 26.08.2013 externer Link. Siehe auch:

  • Türkei: Klare Aufforderung aus dem Europarat zur Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung New
    17 Jahre nach dem ersten Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zugunsten eines türkischen Kriegsdienstverweigerers bezog jetzt das Ministerkomitee des Europarates klar Stellung (H46-36 Ülke group v. Turkey externer Link). Es forderte die türkische Regierung nachdrücklich auf, einen „Aktionsplan“ vorzulegen, der konkrete Vorschläge für Gesetzesänderungen enthält, um politische und praktische Maßnahmen im Hinblick auf die Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung umzusetzen. Zugleich kündigte das Ministerkomitee an, andernfalls in einem Jahr eine Resolution für eine Übergangsregelung zu verabschieden.
    „Wir begrüßen die jüngsten Entscheidungen des Ministerkomitees“, erklärte Merve Arkun für die Gruppe Conscientious Objection Watch. „Die Tatsache, dass die Aktionspläne der Türkei in den letzten Jahren fast gleichgeblieben sind und dass die Regierung den bezahlten Militärdienst immer wieder als ‚Alternative‘ zur Kriegsdienstverweigerung darstellt, zeigt jedoch, dass die Regierung weit davon entfernt ist, die Kriegsdienstverweigerung anzuerkennen. Es ist sehr wichtig, dass dies weiter thematisiert wird.“ (…)
    Vor der Entschließung des Ministerkomitees hatten Conscientious Objection Watch (Türkei), European Bureau for Conscientious Objection, Connection e.V., der Internationale Versöhnungsbund und War Resisters’ International eine Stellungnahme an das Ministerkomitee des Europarates externer Link übersandt. Darin machten sie insbesondere deutlich, dass die bestehende Regelung der Türkei, für die Ableistung des Militärdienstes eine Ersatzzahlung in Höhe von etwa 5.000 € zu leisten und nur noch einen Monat Militärdienst abzuleisten, keine Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung darstellt. „Personen, die sich für diese Möglichkeit entscheiden, müssen eine einmonatige Grundausbildung im Militär absolvieren, die das Tragen einer Uniform und Waffenausbildung beinhaltet.“…“ Pressemitteilung vom 26.06.2023 bei Connection e.V. externer Link
  • Türkei: Neuer Bericht zur Situation der Kriegsdienstverweigerer: „Ich weiß nicht, wie viele Vorladungen gegen mich ausgestellt wurden“ 
    Die Beobachtungsstelle Kriegsdienstverweigerung (Vicdani Ret İzleme) legt einen neuen Bericht über das immer noch fehlende Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Türkei vor. Darin werden nicht nur die Strafverfolgungen, sondern auch die Folgen des „zivilen Todes“ für Kriegsdienstverweigerer beschrieben. Der Bericht wurde mit Unterstützung der Bertha-von-Suttner-Stiftung und in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung, Connection e.V., dem Internationalen Versöhnungsbund und War Resisters’ International veröffentlicht…“ Pressemitteilung vom 2. Juni 2023 externer Link von Connection e.V., IFOR, EBCO, WRI und Vicdani Ret İzleme zum Bericht externer Link „Türkei: Verletzung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung hat vielfältige Konsequenzen“
  • Repression und Haft gegen Kriegsdienstverweigerer 
    Reha Eskidir soll wegen seiner Kriegsdienstverweigerung am 30. November eine fünfmonatige Haftstrafe antreten. Die Repression gegen Kriegsdienstverweigerer in der Türkei findet auf allen Ebenen statt.
    Die türkische Kriegsmaschinerie, die sich rühmt, über das zweitgrößte NATO-Heer zu verfügen, ist ständig auf neues Kanonenfutter angewiesen. Zur Zwangsrekrutierung junger Männer werden alle Mittel eingesetzt. Kriegsdienstverweigerer in der Türkei werden über Jahrzehnte verfolgt und mit Geld- und Haftstrafen und weiterer Repression überzogen. Reha Eskidir ist einer von ihnen. Eskidir hatte am 1. September 2012 bei einer Friedenskundgebung in Istanbul-Kadiköy verkündet, dass er nicht zum Militär gehen werde. Seit zehn Jahren wird er wie viele andere als Kriegsdienstverweiger verfolgt. Zuletzt wurde im Oktober 2021 ein Verfahren wegen Verweigerung gegen ihn eröffnet und er wurde zu fünf Monaten und 18 Tagen Haft verurteilt. Das Urteil wurde auch nach Widerspruch ohne Neubewertung bestätigt. Aufgrund einer Erkrankung wurde seine Freiheitsstrafe verschoben, nun soll er am 30. November seine Haft antreten. (…) Aufgrund der Verfolgung kann er seit zehn Jahren nicht angemeldet arbeiten und auch nicht reisen, erklärt Eskidir und führt aus: „Ich kann seit Jahren keinen Job mit Versicherung annehmen und habe auch nicht mehr danach gesucht. Wenn Sie eine versicherte Stelle bekommen, erhält Ihr Arbeitgeber nach ein oder zwei Monaten ein Schreiben, in dem steht, dass er einen Kriegsdienstverweigerer beschäftig. Natürlich entlässt der Arbeitgeber Sie dann. Weil ich das weiß, arbeite ich auf dem Bau…Meldung vom 13.10.2022 bei ANF externer Link
  • Türkei: Verein für Kriegsdienstverweigerung veröffentlicht bedeutsame Studie zur Lage der Kriegsdienstverweigerer 
    „Gestern veröffentlichte der in Istanbul ansässige Verein für Kriegsdienstverweigerung (Vicdani Ret Dernği) eine umfangreiche Studie zur Lage der Kriegsdienstverweigerer in der Türkei. „Der Bericht“, so der Verein in seiner Pressemitteilung, „beschreibt detailliert die Menschenrechtsverletzungen und die strafrechtlichen Verfolgungen, denen sich Kriegsdienstverweigerer in der Türkei ausgesetzt sehen.“ Die der NATO angehörende Türkei hat eine Wehrpflicht mit einem in der Regel sechsmonatigen Militärdienst und erkennt die Kriegsdienstverweigerung nicht an. Die von Mine Yıldırım und Hülya Üçpınar erstellte 76 Seiten umfassende Studie verweist zudem auf alle relevanten internationalen Beschlüsse, Empfehlungen und Gerichtsurteile. Die Studie beruht in wesentlichen Teilen auch auf der Auswertung einer Umfrage unter Kriegsdienstverweigerern in der Türkei, von denen einige mit ihrem Schicksal vorgestellt werden. „Die beiden Autorinnen“, so heute Rudi Friedrich von Connection e.V., „zeigen mit ihrer Studie in aller Deutlichkeit auf, wie Kriegsdienstverweigerer in der Türkei bis ins hohe Alter verfolgt werden. Ein Teufelskreis aus Rekrutierung, Verweigerung, Strafverfahren und erneuter Rekrutierung, der ein ganzes Leben lang fortbesteht, schließt sie aus der Gesellschaft aus. Sie sind jederzeit erneuter Rekrutierung und Strafverfolgung ausgesetzt. Sie sind ihrer bürgerlichen Rechte beraubt. Das ist ein unhaltbarer Zustand.“ Noch nie lag eine solch umfassende und detaillierte Studie zur Lage der Kriegsdienstverweigerung in der Türkei vor. „Es ist eine sehr wichtige Dokumentation,“ so Rudi Friedrich, „um auf internationaler Ebene verstärkt Druck auf die Türkei auszuüben, im Land entsprechend europäischer und internationaler Rechtsprechung das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung zu garantieren.“ Meldung von der Connection e.V. vom 6. Juli 2021 externer Link mit Link zur englischen, türkischen Originalversion und einer deutschen Zusammenfassung der Studie
  • Türkei: Verein für Kriegsdienstverweigerung (VR-DER) gegründet
    Presseerklärung zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung bei Connection externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=43007
nach oben