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Ende des Ausnahmezustands in der Türkei? Sondergesetze werden Normalzustand – Verbote, Entlassungen, Gesinnungsschnüffelei und Terror

“Gegen Faschismus, Putsch und Ausnahmezustand vereinen wir unsere Kräfte” - Pressekonferenz progressiver Gewerkschaften, Parteien und Verbände am 11. August 2016 in AnkaraNun scheinen die Repressionen auch die CHP zu treffen. Innenminister Soylu ordnete in der Woche nach der Wahl an, dass CHP-Vertreter nicht mehr an Begräbnissen von Soldaten, die im Kampf gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gefallen sind, teilnehmen dürfen. Es gebe genug PKK-Leichen, die CHP könne an „ihren“ Begräbnissen teilnehmen, zitiert die NZZ Süleyman Soylu.  Am Freitag vorletzter Woche wurde Eren Erdem, ein bekannter Regimekritiker, Journalist und früherer CHP-Abgeordneter verhaftet. Erdem trat dieses Mal nicht mehr zur Wahl an und hatte damit seine Immunität als Abgeordneter verloren. Ihm wird ebenfalls Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen. Das Regierungsblatt Sabah beschuldigte ihn, ein Anhänger von Fethullah Gülen zu sein, dem der Putschversuch vom Juli 2016 zur Last gelegt wird. Der Vorwurf, Anhänger der Gülen-Bewegung oder der PKK zu sein oder am besten noch beides zugleich, ist der gängige Vorwurf gegen alle Erdogan-Kritiker, seien es Wissenschaftler, Journalisten, Politiker oder kleine Ladenbesitzer, die sich von der AKP distanzieren. Erdem gehörte allerdings weder zur Gülen-Bewegung noch zur PKK, sondern zur Gruppe der „antikapitalistischen Muslime“, einer linken muslimischen Strömung. Erdem war Erdogan ein Dorn im Auge, weil er im Dezember 2013 als Journalist kritisch über den Korruptionsskandal berichtete, in den Erdogan und seine Söhne verwickelt waren…“ – aus dem Beitrag „Türkei: Weitere Schritte zum totalitären Staat“ von Elke Dangeleit am 09. Juli 2018 bei telepolis externer Link, worin es zu den bekannten und geduldeten – und nach dem sogenannten Wahlsieg verstärkten – Aktivitäten türkischer faschistischer Banden auch noch heißt: „Die Wahlergebnisse der „Deutschtürken“ zugunsten Erdogans ermutigen nun auch die AKP und MHP-Anhänger in Deutschland, Listen mit kritischen Journalisten, Wissenschaftler und Politiker über Twitter zu verbreiten. Eine zurzeit kursierende Liste nennt unter anderem den Politikwissenschaftler Ismail Küpeli, der unter anderem im ZDF des Öfteren als Experte befragt wurde, die Linken-Politikerin Cansu Özdemir aus Hamburg oder den grünen Bundestagsabgeordneten Özcan Mutlu. Ihnen wird darin vorgeworfen, PKK oder Gülen-Unterstützer zu sein…“  Zum Erdogan-Regime des Dauer-Ausnahmezustandes in der Türkei zwei weitere Beiträge:

  • „Massenentlassungen in der Türkei“ von Jürgen Gottschlich am 08. Juli 2018 in der taz externer Link: „Per Notstandsdekret hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Sonntag in der Türkei neue Massenentlassungen von Beamten und Militärs angeordnet. Insgesamt 18.632 Staatsbedienstete wurden qua Veröffentlichung im Amtsblatt vor die Tür gesetzt. Das Gros kommt aus dem Sicherheitsapparat. 9.000 Polizisten und 6.000 Militärs verlieren ihren Arbeitsplatz, weil sie angeblich am Putschversuch vor zwei Jahren beteiligt gewesen sein sollen. Die übrigen stammen aus dem Justizministerium, aus der Religionsbehörde oder dem Außenministerium. Nach inoffiziellen Verlautbarungen soll das jetzige Notstandsdekret das letzte sein, bevor der Ausnahmezustand am 18. Juli ausläuft. Erdoğan hatte im Wahlkampf angekündigt, dass der Ausnahmezustand nicht mehr verlängert wird. Sollte das so sein, sind seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 und dem anschließenden Ausnahmezustand insgesamt 160.000 Angehörige des öffentlichen Dienstes gefeuert worden, 70.000 wurden angeklagt…
  • „Drei Zeitungen und ein Fernsehsender geschlossen“ am 09. Juli 2018 beim Deutschlandfunk externer Link meldet unter anderem: „Kurz vor der angekündigten Aufhebung des Ausnahmezustands sind in der Türkei nicht nur mehr als 18.500 weitere Staatsbedienstete per Dekret entlassen worden. Auch die Schließung dreier Zeitungen und eines Fernsehsenders wurde angeordnet. Unter den nun verbotenen Zeitungen sind das in kurdischer Sprache erscheinende Blatt „Welat“ aus dem Süden des Landes und das prokurdische Blatt „Özgürlükcü Demokrasi“. Dessen Redaktion in Istanbul war bereits im März von der Polizei durchsucht worden. Seit der Verhängung des Ausnahmezustands vor zwei Jahren geht die türkische Führung gegen mutmaßliche Unterstützer des Putschversuchs von 2016 vor. Mehr als 100.000 Staatsbedienstete verloren ihre Stelle. Aus Sicht der Opposition sollen Kritiker auf diese Weise zum Schweigen gebracht werden. Die türkische Regierung verweist dagegen auf die nationale Sicherheit…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=134383
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