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Alltag in Erdogans Türkei: Erneut Festnahmen von HDP-PolitikerInnen und GewerkschafterInnen sowie Verurteilung einer Journalistin, die über (wessen?) Steuerbetrug berichtete, und eines kritischen Wissenschaftlers

Union Solidarity International: Erdoğan uses ISIS to attack the KurdsBei einer Festnahmewelle in der türkischen Hauptstadt Ankara sind zwölf HDP-Politiker und Gewerkschafter festgenommen worden. Auch in Antalya und Amed kam es zu Festnahmen. Der Dienstag startete in der türkischen Hauptstadt Ankara mit einer weiteren Festnahmewelle gegen die demokratische Opposition. Bei Razzien, die sich im Rahmen von Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft gegen HDP-Politiker*innen und Gewerkschafter*innen richteten, wurden nach bisherigem Stand zwölf Personen festgenommen. Von der Festnahmewelle sind neben Partei- und Vorstandsmitgliedern der HDP auf Provinzebene insbesondere Mitglieder der Bildungsgewerkschaft Eğitim Sen sowie der Beamtengewerkschaft Tüm Bel-Sen betroffen. Was ihnen vorgeworfen wird, ist nicht bekannt. Bisher sind die Namen von folgenden Personen bekannt, die in der Bezirkspolizeidirektion festgehalten werden: Ali Özkan (HDP), Dilbaz Temel (HDP), Nurettin Kemertaş (HDP), Sihan Kaya (HDP), Harun Çakmak (HDP), Feride Yardımcı (HDP), Eyüp Emektar (HDP), Banu Erdoğan (Ko-Vorsitzende des per Notstandsdekret geschlossenen Vereins „Rojava“), Devrim Kahraman (Tüm Bel-Sen), Güler Elveren (Tüm Bel-Sen), Hatice Beydilli (Eğitim Sen) und Erkan Polat (Eğitim Sen)“ – aus der Meldung „Festnahmewelle gegen Politiker und Gewerkschafter“ am 08. Januar 2019 bei der ANF externer Link, wobei zu ergänzen ist, dass es sich um Organisationen handelt – wie vor allem die HDP, aber auch die Bildungsgewerkschaft Egitim-Sen, die immer wieder Zielscheibe der staatlichen Repression sind. Zu den erneuten Festnahmen und Verurteilungen in der Türkei zwei weitere aktuelle Berichte, die auch die alltägliche Breite der Repression deutlich machen:

  • „Haft für Journalistin in der Türkei“  von Philipp Eckstein, Jan Strozyk und Karaman Yavuz am 08. Januar 2019 in der tagesschau externer Link meldet: „Die türkische Journalistin Pelin Ünker ist in Istanbul zu einer Haft- und Geldstrafe verurteilt worden. Grund waren ihre Berichte über Steuervermeidungen im Rahmen der „Paradise Papers“. Im Zuge der weltweiten Enthüllungen hatte Ünker im Herbst 2017 für die Tageszeitung „Cumhurriyet“ unter anderem berichtet, dass die Söhne des ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten, Binali Yildirim, Firmen in einer Steueroase für ihre Unternehmungen benutzten.  Ünker, die dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) angehört, berichtete damals über Firmen, die der Unternehmer Yildirim seinen Söhnen vermacht hatte, als er in die Politik ging. Diese Gesellschaften, die im Schifffahrtsgewerbe aktiv waren, hatten unter anderem steuergünstige Tochtergesellschaften auf Malta angemeldet, wie aus des Paradise Papers hervor ging und wie „Cumhurriyet“ berichtete…“
  • „Wegen Veröffentlichung angeklagt“ von Jürgen Gottschlich am 07. Januar 2019 in taz gazete externer Link zu einer weiteren unverschämten Anklage: „„Ich habe es für meine Pflicht gehalten, die Bevölkerung vor der großen Gefahr einer Krebserkrankung zu warnen“, sagte der Ernährungswissenschaftler Bülent Şık vor wenigen Tagen der Onlinezeitung Gazete Karinca. „Ich bin doch den Menschen verpflichtet und nicht dem Gesundheitsministerium“. Das sieht die Staatsanwaltschaft in Istanbul ganz anders. Sie hat ein Verfahren gegen Şık eingeleitet und will ihn wegen Verstoß gegen das Anti-Terror-Gesetz für 12 Jahre ins Gefängnis bringen. Dabei hat Bülent Şık nur seine Arbeit gemacht. Er ist ein renommierter Ernährungswissenschaftler und war bis 2016 an der Universität in Antalya beschäftigt. Aufgeschreckt über Meldungen von häufigen Todesfällen durch Krebs in Thrakien und Kocaeli, zwei Provinzen in der Nordwesttürkei, gab das Gesundheitsministerium in Ankara 2012 bei der Universität Antalya eine umfassende Feldstudie in Auftrag, um festzustellen, ob es wirklich eine über dem statistischen Durchschnitt relevant höhere Rate tödlicher Krebserkrankungen in den beiden Provinzen gibt und wenn ja, was die Ursachen dafür sind…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=142443
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