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Um sich greifender Ungehorsam. Hakan Koçak über die Streikwelle in der Türkei

Logo von express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und GewerkschaftsarbeitMit wilden Streiks im Metall- und Automobilsektor kam die Türkei Mitte Mai in die Schlagzeilen der Wirtschaftsteile auch europäischer Zeitungen. Einige Artikel berichteten gar von erheblichen Auswirkungen auf die Produktion, denn die Streiks dauerten teilweise Wochen und auch die großen Produktionslinien kamen zeitweilig zum Stehen. Mögliche Folgen für die Reputation des Standortes Türkei wurden diskutiert. Derartige Bewertungen verdeutlichen einmal mehr, dass in der Türkei Streiks, die ernste Auswirkungen auf die Produktion haben, eher selten sind. Schwache Gewerkschaften und disziplinierte ArbeiterInnen scheinen einen wichtigen Teil der im Übrigen stark informalisierten Lohnarbeitsverhältnisse auszumachen. Auch während der Gezi-Revolte war kein Funke auf die Betriebe übergesprungen – wo Lohnarbeitende Teil der Bewegung waren, da waren sie es nach Feierabend. Nur wenige linke Gewerkschaften riefen zu einem Streiktag auf, und dies auch erst spät. Umso mehr überraschten die Streiks, die im Mai mit einem hohen Maß an Spontaneität und an Orten ausbrachen, die, wie Bursa, zwar industrielle Zentren, nicht aber Orte primär linker gewerkschaftlicher Mobilisierung sind. Dennoch waren auch diese Streiks nicht die einzigen, die sich allein im laufenden Jahr in der Türkei ereignet haben. Bereits im Februar hatte es Arbeitsniederlegungen in der Metallindustrie gegeben, die schließlich verboten worden waren. Denn sie hätten in Sektoren stattgefunden, die für die nationale Sicherheit von Bedeutung seien – so die offizielle Begründung. Bei allem betrieblichen Unfrieden im Vorfeld der Parlamentswahlen, der einmal mehr die Selbstdarstellung von Erdogans AKP als Vertreterin des Volkes karikierte, bleibt ungewiss, inwieweit die Streiks für den Ausgang der Wahl relevant gewesen sind. Auch die Beziehungen der kurdischen HDP, die erstmals die Zehn-Prozent-Hürde nahm und die AKP so um die absolute Mehrheit brachte, zu Gewerkschaften im Allgemeinen und ihre Aufmerksamkeit für die jüngsten betrieblichen Kämpfe im Besonderen hätten stärker sein können. Im Folgenden dokumentieren wir einen in Kooperation mit dem »Infobrief Türkei« entstandenen Artikel von Hakan Koçak, der die Streiks in den globalen Kontext der großen Streikwellen in der Automobilindustrie und in den Kontext betrieblicher und gewerkschaftlicher Organisierungsfragen einordnet…“ Artikel in express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 06-07/2015

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=83589
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