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Updated: 18.12.2012 15:51
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Ein Premier bezeugt: Das Brotkomplott

Die offizielle Bilanz der sogenannten Brotunruhen im Januar 1984 in Tunesien: 84 Tote, 590 Verletzte, 384 verletzte Ordnungshüter. Jeder auch nur entfernte Zeitzeuge sagt, das war bestenfalls die Zahl in einer Stadt...

Die Geschichte der Brotunruhen im Buch "Un Premier ministre de Bourguiba témoigne" von Mohamed Mzali (Verlag PICOLLEC, Dezember 2004 / 694 Seiten)

Die Unruhen wegen der Brotpreiserhöhung (durch Wegfall der Subventionen) beginnen am 28.Dezember 1983 in zwei kleinen Provinzstädten, am 1.Januar 1984 greifen sie auf Gafsa über und erreichen am 3.Januar Tunis. Dort wird sofort die heftigste Auseinandersetzung geführt: Bäckereien und Supermärkte werden geplündert, Behörden besetzt, Strassen blockiert, Autos brennen. Keine Fabrik, kaum ein Unternehmen arbeitet.

Mzali schildert dann breit die Unfähigkeit bzw den mangelnden Willen der Verantwortlichen - vom Innenminister bis zu verschiedenen Polizeiebenen - so zu reagieren, wie er es angemessen gefunden hätte: massiv. er selbst habe dann dem Armeeminister den Befehl gegeben, die wichtigsten Knotenpunkte der Hauptstadt zu besetzen und zu "sichern".

Anschliessend schildert er die Debatten im "Rumpfkabinett" um den Vorschlag des Präsidenten, den Ausnahmezustand zu erklären, was auch geschieht - nicht zuletzt, weil die Polizeiberichte, wo vorhanden, davon sprechen, Links- und Rechtsradikale hätten das Kommando der Aktionen. Mzali selbst war dagegen, weil es dafür viel zu spät sei, und solch eine Maßnahme jetzt nur noch in einem Blutbad enden könne.

Als Mzali während der Ministerrat - Sitzung am 5.Januar 1984 - auf der er die Ausrufung des Ausnahmezustandes durch den Präsidenten verteidigt - erfährt, dass der Präsident gerade einen Teil der Preiserhöhung für Brot zurückgenommen hat, ist er "aus dem Spiel" - er wird die Verantwortung übernehmen müssen.

Am 6.Januar 1984 sucht Mzali Präsident Bourgiba auf, um sich zu versichern, dass das Gerücht, dieser habe die Preiserhöhung (von 80 auf 160 Millimes war geplant) auf 120 Millimes zurückgenommen habe, und als dieser das bestätigt, schlägt er seinerseits dem Präsidenten vor, den alten Preis zu belassen - denn für die erste Preiserhöhung gäbe es bereits ein ganzes Vertragswerk nicht nur mit Brotherstellern, sondern auch mit dem Gewerkschaftsbund UGTT...

Im folgenden stellt er ausführlich dar, wie seine Konkurrenten innerhalb der Regierung verschiedene Komplotte organisiert haben sollen, um ihn zum Rücktritt zu zwingen - etwa die Freilassung von Strafgefangenen etc... Was damit endet, dass sein wichtigster Gegenspieler, der Innenminister vom Präsidenten entlassen wird, dem an Kontinuität gelegen war.

Danach forderte Bourgiba Mzali auf, einen neuen Verantwortlichen für die Innere Sicherheit zu benennen was dieser tat:

Ben Ali wird Sicherheitsbeauftragter

...der seine Aufgabe "grossartig" erfüllt.

Eine Untersuchungskomission wird vom Präsidenten persönlich beschlossen - ihre Ergebnisse waren bis zum Erscheinen des Buches von Mzali die einzige offizielle Stellungnahme des Regimes. In diesen offiziellen Dokumenten wurden nicht nur, wie eingangs erwähnt, die Opferzahlen heruntergespielt. Es war auch nicht gross die Rede von der Rolle des heutigen Präsidenten Ben Ali - dessen diktatorische Politik von vielen kritisiert, von einem Herrn Köhler aber, als er noch Boss der IWF Riege war, hochgelobt wird - bei der restlichen Unterdrückung der Bewegung des Protests. Und, was das wesentliche an dem Buch ist, dass Mzali zumindest teilweise eingesteht, dass diese "Brotunruhen" keineswegs vor allem das Werk von "Agitatoren waren, sondern spontane Erhebung eines Teils der Bevölkerung, die mit der vom IWF "vorgeschlagenen" Aufhebung der Brotsubvention schlicht den doppelten Preis fürs tägliche Brot bezahlen sollte...


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