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Kritik am Krieg: Die Welle der Festnahmen in der Türkei erreicht auch die Gewerkschaften – derweil europaweit gegen Antikriegs-Proteste vorgegangen wird…

Solidarität mit AfrinWer Terroristen Terroristen nennt, ist ein Terrorist: Das ist die Logik der türkischen Kriegsregierung, wenn jemand die schlichte Wahrheit ausspricht, dass der Überfall der türkischen Armee auf Nordsyrien im Bündnis mit Heiligen Kriegern eindeutiger Couleur stattfindet. Wie auch sonst jedes kritische Wort verfolgt wird – nach DemonstrantInnen an verschiedenen Orten und Ärzten, die protestiert hatten, hat die Welle der Repression nun auch die Gewerkschaften erreicht – etwa den Gewerkschaftsbund im öffentlichen Dienst, die KESK, von dem verschiedene Funktionäre festgenommen wurden. Und die Unterstützung für die Allianz Erdogans mit den Fundi-Truppen ist in ganz Europa vorhanden: Durch die unbehinderte Tätigkeit der AKP-gesteuerten Auslandsorganisationen und ihrer Deck- und Tarnvereine ebenso, wie durch die konsequente Verfolgung jeden Anti-Kriegsprotestes, nicht nur – aber vor allem – in der Waffenschmiede Erdogans, sondern auch etwa in Österreich, der Schweiz und in Italien, als der Kriegsherr seinen katholischen Segen abholte. Siehe zur europaweiten Verfolgung von Gegnern des türkischen Krieges zwischen Ankara und Zürich vier aktuelle Beiträge, einen Hintergrundbeitrag zur Kriegsführung und weitere Informationen zu Protesten und Solidarität – auch beim DGB (regional):

„İzmir, Ankara, Mersin ve Mardin’de çok sayıda kişi ev baskınıyla gözaltına alındı“ am 06. Februar 2018 bei Sendika.org externer Link ist ein Beitrag über die neueste Verhaftungswelle von Kriegsgegnern in der Türkei unter vielen anderen eben auch das Mitglied des Exekutivkomitees von Kamu Emekçileri Sendikası Konfederasyonu (KESK), Elif Çuhadar, der unter anderem die Teilnahme an einer öffentlichen Debatte im Jahr 2014 zum „Vorwurf“ gemacht wird (und natürlich, wie immer, neben weiteren Gewerkschaftern auch  zahlreiche HDP PolitikerInnen).

„KESK Central Executive Board member Elif Çuhadar in custody“ am 06. Februar 2018 bei Evrensel Daily externer Link ist die Meldung über die Festnahme der KESK Kollegin auf Englisch. Darin wird auch noch auf weitere Festnahmen aus gewerkschaftlichen Kreisen hingewiesen.

„Freiheit für Friedensaktivisten in der Türkei“ am 05. Februar 2018 bei der DIDF externer Link ist ein Solidaritätsaufruf, in dem es unter anderem heißt: „Die türkischen Streitkräfte werden von mehreren dschihadistischen Kräften, die sich in der FSA (Freie Syrische Armee) zusammengeschlossen haben unterstützt. Erdogan und die türkische Regierung lässt keine Kritik zu, die diese FSA Einheiten betrifft. Wer diese Milizen als Terroristen bezeichne, sei selber Unterstützer von Terroristen, so Erdogan. Die AKP-Regierung versucht nun alle Kritiker des Krieges, genauso wie alle Oppositionelle, als „Unterstützer der Terroristen“ zum Schweigen zu bringen. Neben zahlreichen Gewerkschaftern und Journalisten wurden zuletzt alle Mitglieder des Zentralrats des Türkischen Ärzteverbands festgenommen, weil der in seiner Erklärung ein Ende des Angriffs gefordert hatte. EMEP (Partei der Arbeit) und die Tageszeitung Evrensel werden gezielt attackiert. Neslihan Karyemez und Bilal Karaman von der Partei der Arbeit (EMEP), wurden am 26. Januar in Istanbul Ikitellis Bazar mit der Anschuldigung der „Terrorpropaganda“ inhaftiert, als sie Flugblätter mit der Überschrift „Dieser Krieg führt die Bevölkerung und das Land in die Vernichtung, lasst uns dem nicht nachgeben!“ verteilten“.

„Festnahmen bei Protest gegen Erdogan“ am 05. Februar 2018 bei Spiegel Online externer Link ist die Meldung über den Papstbesuch Erdogans, worin unter anderem vermeldet wird: „Offen blieb auch, ob über das Vorgehen des türkischen Militärs mit verbündeten Kämpfern der Freien Syrischen Armee (FSA) gegen die kurdische Miliz YPG, die die Türkei als Terrororganisation einstuft, in Nordwestsyrien gesprochen wurde. Papst Franziskus dürfte diese neue Entwicklung des Krieges mit Sorge sehen – er beklagt immer wieder „Kriegsstürme“ und richtet Appelle an die Konfliktparteien in aller Welt.(…) Nach Ausschreitungen bei einem Protest gegen den Besuch von Erdogan wurden in Rom zwei Demonstranten festgenommen. Einige der rund 150 Teilnehmer an einer Mahnwache an der Engelsburg unweit des Petersdoms waren nach Angaben der Polizei handgreiflich geworden, wie aus einer Mitteilung hervorgeht. Nach den Zusammenstößen wurde die Aktion beendet, zu der das kurdische Netzwerk „Rete Kurdistan“ aufgerufen hatte“.

„Suisse/Rojava : Manifestation pour Afrin à Bâle – attaques policières et tentatives de diviser les manifestant-e-s“ am 05. Februar 2018 bei Secours Rouge externer Link ist ein Bericht über die Demonstration am Samstag zuvor in Basel, an der mehr als 5.000 Menschen teilnahmen – und bei der die Polizei die Anmeldezeit der Demonstration nutzte, um die vorherige Sammlung der TeilnehmerInnen zur illegalen Versammlung zu erklären…

„Türkei macht wieder Jagd auf Regierungsgegner in Österreich“ von Martin Staudinger am 03. Februar 2018 bei Profil.at externer Link ist ein Bericht über die AKP-Praktiken in Österreich, die dort ebenso in aller Freiheit geduldet werden, wie in der BRD – jeweils ganz im Gegensatz zu den Aktivitäten der Kriegsgegner. Darin heißt es unter anderem: „Eine wichtige Rolle bei der Verfolgung mutmaßlicher Gegner würden die türkischen Konsulate in Österreich spielen, vermutet Kenan Dogan Güngör. Der Soziologe, der aus einer kurdischen Familie stamm, musste bereits selbst unliebsame Bekanntschaft mit den Diplomaten der Regierung in Ankara machen. Im vergangenen Sommer versuchten Mitarbeiter des Konsulats in Salzburg, einen türkeikritischen Vortrag Güngörs zu verhindern, indem sie der Vizebürgermeisterin und der Veranstalterin ein Dossier vorlegten, das dem Soziologen Terror-Nähe attestieren sollte. Eine Anfrage von profil an die türkische Botschaft mit der Bitte um Stellungnahme blieb Ende vergangener Woche unbeantwortet“ – eine Anfrage an burschenschaftliche Regierungen scheint es nicht gegeben zu haben…

„Rebellion auf dem Plüschsitz“ von Marco Kauffmann Bossart am 06. Februar 2018 in der NZZ externer Link berichtet über eine neue Form des Widerstandes in der Türkei: „Minuten später, als im Film die Urteilsbegründung verlesen wird, spielt sich Ungewöhnliches ab. Ein zunächst zaghaftes, spontanes Klatschen aus einer Ecke steckt die anderen Reihen an und schwillt schliesslich zu einem robusten Applaus an. Was hatten die Richter gesagt? «Medien stehen im Dienste der Regierten und nicht im Dienste der Regierenden.» Es ist ein Grundsatz, der aus der türkischen Lebenswelt verschwunden ist. Gerade weil es nur noch wenige wagen, gegen die Knebelung der Meinungsfreiheit zu protestieren, haftete diesem Applaus im schützenden Dunkel des Cinemaximum Rebellisches an“.

„Afrin: Der türkische Dschihad“ von Elke Dangeleit am 06. Februar 2018 bei telepolis externer Link hat das Bündnis der türkischen Armee mit den fundamentalistischen Banden zum Thema, wozu unter anderem ausgeführt wird: „Die Türkei Erdogans scheint den Begriff „Dschihad“ nicht als Anstrengung bzw. Kampf auf dem Wege Gottes zu verstehen, sondern als Auslöschungskrieg gegen Andersdenkende, Oppositionelle und Andersgläubige zu missbrauchen. Besonders deutlich wird dies, wenn man die der türkischen Armee angegliederten Islamistengruppen betrachtet, die unter dem Namen „Freie Syrische Armee“ mit IS-Methoden agieren. Wenn diese von Dschihad sprechen oder „Allahu Akhbar“ rufen, dann meinen sie Terror.  Zwar ist nach der islamischen Völkerrechtslehre „die Tötung von Nichtkombattanten wie Frauen, Kindern oder Mönchen (sofern sie sich nicht am Kampf beteiligen), die Verstümmelung sowohl menschlicher als auch tierischer Leichen, Vertragsbruch, die unnötige Zerstörung fremden Guts sowie die Tötung von Geiseln“ verboten, aber genau dies geschieht gegenwärtig. (…) Die Meldung über ein Video der Dschihadisten, das die Schändung einer getöteten YPJ-Kämpferin zeigt, die entkleidet ist, deren Brüste abgeschnitten wurden und deren Leiche von den Dschihadisten mit Olivenzweigen umrandet wurde, ist hiesigen Medien kaum der Rede wert. Allerdings kennen wir solche atavistischen, vorislamischen Praktiken auch bereits vom türkischen Militär im Umgang mit gefallenen Kämpfern der PKK“.

„DGB-Kreisverband Celle fordert: „Stoppt die türkische Aggression in Syrien!““ am 05. Februar 2018 in Celle heute externer Link ist ein durchaus nachahmenswertes Beispiel, in dem es zu Krieg und seiner Unterstützung  heißt: „„Bisher herrschte in der nordsyrischen Provinz Afrin Frieden, die Region war Zufluchtsort für Flüchtlinge. Jetzt bombardiert die Türkei und marschiert mit deutschen Leopard-2-Panzern ein“, so der DGB-Kreisverband Celle in einer Pressemitteilung. Mit dem Einmarsch in Syrien heize die Türkei einen entgrenzten Krieg weiter an. Der Stellvertreterkrieg um die Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens werde jetzt auch mit deutschen Leopard-2-Panzern von Rheinmetall ausgefochten. Der Angriff auf den kurdischen Kanton Afrin in Nordsyrien verschärfe die Konflikte. „Militärisch sind sie nicht zu lösen“, so der DGB. Der Kanton Afrin ist Teil des demokratischen Projekts Rojava und war bisher weitgehend vom Krieg verschont. Flüchtlinge aus anderen Regionen Syriens suchten hier Schutz. Nachdem der IS aus Rojava vertrieben werden konnte, wird in der Region eine demokratische Selbstverwaltung unter Einbeziehung aller ethnischen und religiösen Gruppen aufgebaut. Schon länger unterstützt der DGB-Kreisverband Celle nach eigenen Angaben politisch und materiell die Idee von Selbstorganisation und Gleichberechtigung als Alternative zu bisherigen Herrschaftsstrukturen. „Die deutschen Rüstungsexporte werden der Region keinen Frieden bringen – im Gegenteil. Die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch die Türkei ist nicht gewährleistet“, so der DGB. Er fordert den deutschen Außenminister und die Bundesregierung auf: „Kein Panzer-Deal mit Erdogan! Keine Waffenlieferungen an die Türkei! Türkische Truppen und ihre Hilfstruppen raus aus Syrien!“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=127669
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