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Eine neue Verfassung für Syrien? Wer dabei nicht mitmachen darf… Neue Verfassung – alte Zustände

Es ist Zeit zu handeln: Solidarität mit dem kurdischen RojavaOb diese – von wem auch immer, das Thema kommt noch – ausgesuchte Versammlung überhaupt irgendwelche Ergebnisse vorweisen können wird, weiß niemand: Denn selbst hier pocht das Regime Assad, also die Baathpartei, darauf, dass es nur um Änderungen der gültigen Verfassung gehen könne, während die handverlesene Opposition eine neue Verfassung anstrebt. Wer auch immer an der Entstehung mitgewirkt hat: Es ist eine ausgesprochen exklusive Versammlung, die da über eine neue Verfassung oder eben eine nur veränderte verhandeln soll. Natürlich sind die fanatischsten Teile der bewaffneten islamistischen Opposition nicht dabei, deren Fehlen aber ist nun wahrlich nicht das Thema. Vor allem nicht dabei sind die Kurden, die immerhin auf ungefähr einem Drittel Syriens leben – Millionen Menschen, die einen hohen Anteil republikanischer, laizistischer Strömungen umfassen. Aber auch die nicht-kurdische republikanische laizistische Opposition – seit Jahren unter dem Kreuzfeuer des Baath-Regimes und reaktionärer Milizen leidend, aber – wenn auch „kleiner“ – nach wie vor existent (auch wenn es sogar linke Kräfte gibt, die ihre Existenz schlicht verleugnen oder übergehen) ist nicht vertreten. Zu den aktuellen Entwicklungen in und um Syrien die Materialsammlung „Neue Verfassung – alte Zustände in Syrien“ vom 24. September 2019:

„Neue Verfassung – alte Zustände in Syrien“

a) Die Bildung des Verfassungs-Komitees – und die ersten Reaktionen

„Syrisches Verfassungskomitee ohne Autonomieverwaltung“ am 23. September 2019 bei der ANF externer Link meldet: „UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat sich zu einer neuen Verfassung für Syrien geäußert. Die Gründung eines Verfassungskomitees sei ein lang erwarteter Schritt im syrischen Friedensprozess, der von den UN in Genf umgesetzt werde. Das Komitee werde in den kommenden Wochen tagen, so Guterres. Die Autonomieverwaltung von Nord-und Ostsyrien, die für sechs Millionen Menschen in Syrien steht, ist in dem Verfassungskomitee nicht vertreten. Vorgesehen ist ein 150-Personen-Komitee, in dem das syrische Regime, die nicht näher benannte „Opposition“ und die UN jeweils 50 Vertreter stellen…“

„Syriens Konfliktparteien einigen sich auf Verfassungsausschuss“ vom 23. September 2019 ist eine dpa-Meldung externer Link (hier bei der NZZ Online), in der solche Fragen, wie üblich, bestenfalls am Rande auftauchen: „… Guterres vermeldete den Durchbruch nach einem Besuch des Uno-Sondergesandten für Syrien, Geir Pedersen, in Damaskus. Der Uno-Generalsekretär sagte, Pedersen werde das Verfassungskomitee in den kommenden Wochen einberufen. Pedersen sagte nach dem Besuch, er habe «sehr erfolgreiche Diskussionen» mit dem syrischen Aussenminister Walid Moallem gehabt und dabei alle offenen Fragen zum Verfassungskomitee besprochen. Auch mit dem Vorsitzenden der oppositionellen Syrischen Verhandlungskommission, Nasr al-Hariri, habe er «gute Diskussionen» geführt, sagte der Uno-Diplomat. Das Aussenministerium in Damaskus sprach seinerseits von «positiven und konstruktiven» Gesprächen mit Pedersen. Die kurdische Autonomieverwaltung im Nordosten Syriens kritisierte dagegen ihren Ausschluss von dem Komitee als «ungerecht». Die Bildung des Komitees war im Januar 2018 auf Initiative Russlands beschlossen worden. Ihm sollen 50 Vertreter der Regierung, 50 Vertreter der Opposition und 50 Vertreter der Zivilgesellschaft angehören, die von der Uno ausgewählt werden“.

„„Verfassung ohne unsere Beteiligung ist für uns nicht bindend“ am 24. September 2019 bei der ANF externer Link ist dann die Stellungnahme von rund 30 Organisationen zur Meldung vom Vortag: „… Parteien und Organisationen aus Nord- und Ostsyrien haben auf die Bekanntgabe eines „Verfassungskomitees“ für Syrien durch UN-Generalsekretär Antonio Guterres reagiert: „Eine Verfassung, an der wir nicht beteiligt sind, ist für uns nicht bindend.“ (…) In der Erklärung heißt es, das Komitee sei nicht von den Völkern, sondern auf der Grundlage der Interessen Russlands, des Irans und der Türkei nach dem Dreiergipfel in Ankara gebildet worden. „Diese Situation zeigt, dass das Komitee nicht die Perspektiven der Kräfte aus Syrien widerspiegelt, sondern auf der Grundlage der Perspektiven und Vorschläge des Irans, der Türkei und Russlands gebildet wurde. Diese Staaten wollen in Syrien eine politische Lösung, die ihren Interessen entspricht, herbeiführen. Die Ziele und Forderungen der Völker Syriens spielen dabei keine Rolle. In Syrien gibt es eine weitere sehr wichtige Kraft. Diese Kraft ist die wichtigste, wenn es darum geht, eine Verfassung zu schaffen, welche die Zukunft Syriens gestaltet, die demokratisch ist und alle Völker miteinbezieht. Bei der Kraft, von der wir hier sprechen, handelt es sich um die autonome Selbstverwaltung und den Demokratischen Syrienrat, in dem die politischen Kräfte Nord- und Ostsyriens vertreten sind. Aber diese Kraft wird von der Formulierung einer neuen Verfassung für Syrien ferngehalten. Ein solches Komitee kann die Völker Syriens nicht vertreten, das ist offensichtlich. Nur die in Astana von den Staaten ausgewählten Kräfte sind daran beteiligt. Diese Situation widerspricht der UN-Resolution 2254, in der es darum geht, eine politische Lösung in Syrien herbeizuführen. Auf dieser Grundlage wird die Arbeit des Komitees negative Auswirkungen haben und die Syrienkrise weiter vertiefen

b) Zur Entwicklung des Bürgerkrieges

„Der Krieg in Syrien ist nicht vorbei“ von Tarek Aziza am 24. Juni 2019 bei qantara.de externer Link zur Entwicklung der letzten Monate in Syrien – unter anderem zu solcherart Abmachungen auf Kosten der Bevölkerung: „… Währenddessen werden im Hintergrund auf Kosten des Landes und seiner Bevölkerung offizielle und inoffizielle Abmachungen zwischen den involvierten Staaten getroffen. Und Assad, der Grund für all ihr Leid, kann sich mit seinen Siegen brüsten. Ob politische Rechtfertigungsstrategie oder mediale Worthülsen, die Versuche, die eigene Haltung in ein gutes Licht zu stellen, laufen implizit immer auf das Eingeständnis hinaus, dass der „Schlächter von Damaskus“ den Krieg gegen sein eigenes Volk gewonnen hat, oder erkennen seinen Sieg gar an.  Denn sie häufen sich immer dann, wenn die Truppen Assads mit Hilfe Russlands und des Irans die Kontrolle über seit Jahren verlorene Gebiete wiedererlangen. Genau das verstehen sie unter Stabilität und propagieren es als Lösung für das Chaos, das aufgrund der langen Kämpfe in den meisten dieser Gebiete herrschte. Hinzu kommt der Deckmantel des „Krieges gegen den Terror“, der es Assad erleichtert hat, die Opposition zu besiegen und der internationalen Gemeinschaft seinen Kampf als Plan zur Wiederherstellung der Stabilität zu verkaufen. Wir sollten darüber hinaus die verschiedenen dschihadistischen Gruppierungen nicht vergessen, die noch mehr als das Regime Assads selbst gegen die syrischen Revolutionäre gekämpft haben. Zu großen Teilen waren sie es, die eine solche „Stabilität“ wünschenswert erschienen lassen: Die Art und Weise ihres Vorgehens, wie sie kämpften und was sie propagierten, zeichneten ein Schreckensszenario voller Chaos und Gefahren, dem viele die „Stabilität“ in der Hölle des Regimes vorzogen. Nur um es klarzustellen, was Regierungen und Regime unter Stabilität verstehen, unterscheidet sich fundamental von der Stabilität, nach der sich die Menschen in Syrien gesamtgesellschaftlich und in ihrem eigenen Leben sehnen. Bildung, Arbeit und Familie zum Beispiel, aber auch das Gefühl, jetzt und in den kommenden Generationen in Sicherheit und Würde leben zu können. Genau diese Stabilität fehlte und fehlt aber den meisten der Syrerinnen und Syrer in ihrem Leben unter der Herrschaft des Assad Regimes weiterhin…“

„Remnants Of The Deiri Opposition: Contention And Controversy In North Aleppo“  von Alexander McKeeve am 25. Juni 2019 bei Bellingcat externer Link ist vor allem ein Beitrag über das „türkische Wirken“ in diesem Krieg, vor allem eben über die diversen Milizen, die vom AKP-Regime unterstützt wurden (und werden, samt Gezerre und Streit, sowie „Seitenwechsel“). Prägendes Kennzeichen ist dabei, daß es eben – hauptsächlich aufgrund der kurdischen Kämpfe – kein stabiles Einfluss-Regime werden konnte.

c) Immer noch wirkende „dritte Akteure“

„What Happened to the Local Councils that Were Forcibly Displaced?“ bereits am 28. April 2018 bei Enab Baladi externer Link ist ein Beitrag über die Fortsetzung der Arbeit der Lokalräte nach ihrer erzwungenen Auflösung. Nachdem die knapp anderthalb Dutzend Räte, ursprünglich eine relativ weit entwickelte Form republikanischer Opposition, zwangsweise aufgelöst wurden (durch unterschiedliche Maßnahmen beziehungsweise Entwicklung: Von direkten militärischen Aktionen bis hin zur „simplen“ Flucht gibt es eine ganze Reihe konkreter Entwicklungen) haben sie keineswegs ihre ganze Tätigkeit eingestellt, sondern sind vor allem in sozialen und kulturellen Bereichen weiterhin aktiv – sowohl ein Mindestmaß an Bildungsarbeit wird organisiert, als auch gesundheitliche Notversorgungen. Solche Initiativen sind im ganzen aktuellen Prozess „unberücksichtigt“…

„What do Syrian and Lebanese activists think?“ von Miriyam Aouragh bereits am 02. Januar 2016 bei RS21 externer Link – das sind eine Reihe von Interviews mit Aktivistinnen und Aktivisten der demokratischen Opposition in Syrien (und dem Libanon), die auch deswegen heute noch von Belang sind, weil die vielen dieser Bewegungen, die zur Flucht gezwungen waren, in den Ländern, in denen sie angekommen sind, ihre Tätigkeit fortgesetzt haben und fortsetzen. Die Interviews zeigen durchaus ein vielfältiges Spektrum, das sich aber einig ist darüber, dass sie weder mit Assads Truppen, noch mit den Milizen zusammenarbeiten wollen, beide werden als Gegner gesehen.

„Chroniques de la révolte syrienne“ von Marina Silva am 10. Mai 2019 bei Orient XXI externer Link ist eine Buchbesprechung (aus Anlass der französischen Übersetzung der Chroniken) über die Entwicklung der Proteste und ihrer Niederschlagung in verschiedenen Orten quer durch das Land. Dabei wird gerade in dieser kurzen Bewertung deutlich unterstrichen, dass die zivilgesellschaftlichen Initiativen nach wie vor bestehen – und dass sich nach wie vor viele Tausend Menschen daran beteiligen…

„Pluralism Lost in Syria’s Uprising – How the Opposition Strayed from Its Inclusive Roots“ von Joseph Daher am 07. Mai 2019 bei Europe Solidaire externer Link dokumentiert, ist ein Beitrag, der sich ausführlich mit den politischen Fehlern der demokratischen Opposition in Syrien befasst, die mit zur Entstehung der aktuellen Situation beigetragen hätten. Dabei wird insbesondere darauf verwiesen, dass ein zentraler Fehler es gewesen sei (und oft immer noch sei), dass keine wirkliche Vorstellung von dem entwickelt worden sei, was man auf Deutsch „Staatsbürgerschaft“ nennen müsste (citizenship), also ein Kernelement einer demokratischen Grundverfassung, das verschiedene Vorstellungen erlaube. Dies sieht der Autor auch als Aufgabe für alle Kräfte in Syrien (und anderswo), die immer noch für eine demokratische Entwicklung eintreten.

d) Wirtschaftliche und soziale Auswirkungen von Krieg – und Festigung des Regimes: Beides bewirkt weitere Ausschlus-Mechanismen

„Problematischer «Wiederaufbau» in Syrien“ von Harald Etzbach im Februar 2019 bei der Rosa Luxemburg Stiftung externer Link zum Thema „Wiederaufbau“ unter anderem: „… Tatsächlich hat das Regime den Wiederaufbau bisher benutzt, um die eigene Macht zu festigen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die von Präsident Assad erlassenen Dekrete 66 und 10, die unter dem Vorwand, die Grundlage für den Wiederaufbau zu legen, umfangreiche Enteignungen von Häusern und Landbesitz ermöglichen und mit der Vertreibung der bisherigen Bewohner*innen und Besitzer*innen einen weitreichenden Prozess des politisch motivierten Bevölkerungsaustauschs in Gang setzen. Dekret 66 von 2012 betrifft den Wiederaufbau zerstörter Gebiete in den Vororten von Damaskus. Doch ist das Ziel nicht die Wiederansiedlung der ursprünglichen Bewohner*innen, sondern die Schaffung luxuriöser Wohngebiete in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt. Die Umsetzung des Dekrets 66 bedeutet, einen demographischen Wandel in Verbindung mit der Durchsetzung politischer Loyalität gegenüber dem Regime herzustellen. So soll in Damaszener Vororten wie etwa Basatin al-Razi – 2012 eine der Hochburgen der Proteste gegen das Regime – anstelle regimekritischer Bewohner*innen aus der Arbeiterklasse eine wohlhabende regimetreue Bevölkerung angesiedelt werden. Der Wiederaufbau (tatsächlich eher die Zerstörung und eine daran anschließende sozio-ökonomische Umwandlung) von Basatin al-Razi ist eines der größten Investitionsvorhaben in Syrien mit einem Volumen von mehreren hundert Millionen US-Dollar. Dekret 10 ist in gewisser Weise eine Ausweitung der Bestimmung von Dekret 66 auf nationaler Ebene. Erlassen im April 2018 nach der Eroberung von Ost-Ghouta ermöglicht Dekret 10 die Einrichtung von sogenannten «Entwicklungszonen» für den Wiederaufbau. Innerhalb dieser Zonen können sämtliche Immobilien, Grundstücke und Agrarflächen  enteignet werden, sofern sie nicht in den Katastern registriert ist. Liegt eine solche Registrierung nicht vor, muss der Besitz innerhalb eines Jahres durch die Vorlage entsprechender Dokumente nachgewiesen werden. Faktisch handelt es sich bei Dekret 10 um ein Enteignungsgesetz. Denn abgesehen davon, dass 70 Prozent aller Syrer*innen keine gültigen Papiere mehr besitzen, ist es für viele von ihnen sowieso nicht möglich, ihre Ansprüche anzumelden, da sie mit einer Rückkehr nach Syrien Verhaftung, Zwangsrekrutierung oder gar den Tod riskieren. Auch Dekret 10 soll zur politischen Homogenisierung der Bevölkerung eingesetzt werden. So erklärte der syrische Minister für Lokalverwaltung und Umwelt, Hussein Maklouf, die Verordnung solle zuerst in Baba Amr in Homs, in Harasta in der Region Ost-Ghouta und sowie in einigen informellen Stadtvierteln von Aleppo angewandt werden. Alle diese Gebiete sind ehemalige Hochburgen der Opposition, die vom Regime nach langen Belagerungen und Hungerblockaden wiedererobert wurden. Die Aufträge für den Wiederaufbau werden dabei an Unternehmer*innen und Investoren vergeben, die dem Regime nahestehen. Der Fall Basatin al-Razi kann hier geradezu als Modell für die Wiederaufbaupläne des Regimes insgesamt gelten. Das Projekt in Basatin al-Razi wird vom syrischen Regime mit Hilfe der Organisation Cham Holdings betrieben, die eigens zu diesem Zweck gegründet wurde und sich im Besitz des Gouvernements von Damaskus befindet. Rami Makhlouf, Assads Cousin und einer der reichsten Geschäftsleute Syriens, ist Mehrheitsaktionär von Cham. Eine enge Zusammenarbeit besteht mit der Aman-Gruppe des syrischen Unternehmers Samer Foz, dessen Vater bereits ein Vertrauter von Hafiz al-Assad war. Im August 2017 kündigte Aman zusammen mit dem Gouvernement von Damaskus die Gründung der Aman Damascus Joint Stock Company an, mit einem Kapital 18,9 Millionen US-Dollar. Vor dem Deal mit der Aman-Gruppe hatte Damaskus Cham ein ähnliches Joint-Venture mit der Zubaidi und Qalei LLC gegründet. Dieses Unternehmen befindet sich im Besitz von Khaled Al-Zubaidi und Nader Qalei, zwei mächtigen Geschäftsleuten aus Damaskus mit engen Verbindungen zum Regime. Mit verschiedenen syrischen Banken hat Cham zudem eine Finanzierungsgesellschaft gegründet, darunter auch mit der von Mohammad Halabi geleiteten al-Baraka Bank. Halabi war zuvor stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Syria International Islamic Bank, die 2011 und 2012 wegen ihrer Rolle bei Waffengeschäften für das Assad-Regime mit internationalen Sanktionen belegt wurde. Die Umgestaltungspläne für Basatin al-Razi sind weitreichend: Nach Angaben des Gouverneurs von Damaskus sollen die alten Häuser im gesamten Viertel abgerissen werden, um ein Wohngebiet gehobener Preisklasse unter dem Namen «Marota City» zu errichten. Die 2,15 Millionen Quadratmeter große Erschließung soll 12.000 Wohneinheiten für schätzungsweise 60.000 Einwohner*innen umfassen. Geplant sind unter anderem mindestens drei Hochhäuser mit 50 Stockwerken...“

„Die syrischen Superreichen und die Bevölkerung“ von Thomas Pany am 13. November 2018 bei telepolis externer Link zur wirtschaftlichen Entwicklung in Syrien der letzten Kriegsjahre – die Zusammenfassung eines Beitrag eines syrischen Autors: „… Danny Makki behauptet, dass nun geschätzt 75 Prozent der syrischen Wirtschaft in den Händen einer Business-Elite seien, die wie al-Foz dem Wall Street Journal gegenüber äußerte, „vier Jahre lang überhaupt keine Konkurrenz hatte“. Einiges von Gewinnen floss in die Verstärkung der Verteidigung, regierungstreue Milizen wurden angeblich damit bezahlt. Dies kontrastiert Makki mit der wirtschaftlich bitteren Lage der Bevölkerung. Die Preise seien um das Zehnfache seit 2010 gestiegen, das syrische Pfund habe enorm verloren. Während man im Jahr 2010 noch einen Dollar für 44 syrische Pfund bekam, müsse man im November 2018 dafür 512 Pfund berappen (Ergänzung: Ein syrischer Bekannter präzisiert: „2016 bekam ich für einen Dollar 650 syrische Pfund; 2017 immerhin noch 550 SP, im Mai 2018 jedoch nur noch 450 SP“). Diese Kluft, so das Resumée Makkis, bedeute einen nicht haltbaren Zustand. So lange Arbeitsplätze rar sind (Einfügung: Andere Boebachter teilen zumindest aus Damaskus andere Eindrücke mit) und die Entlohnung spärlich, werde sich Ärger gegenüber der Regierung in Damaskus aufbauen. Diese könne nicht unendlich lange auf den Kriegszustand verweisen, um ausbleibende Verbesserungen zu entschuldigen. Dieses „unpolitische Element“ des Konflikts werde immer mehr in die Aufmerksamkeit rücken. Die Unzufriedenheit in Regionen, die von der Regierung kontrolliert werden, werde ansteigen, bis es deutliche Verbesserungen in der Lebensqualität gebe und die Korruption eingedämmt werden kann…“

„Syrien: Letztes Gefecht, anhaltender Kampf um Hilfsgelder“ von Anna-Theresa Bachmann am 09. Juli 2019 bei der Rosa Luxemburg Stiftung externer Link zu einigen Aspekten der Rolle der UNO in der jüngeren Vergangenheit: „… In einem Apell hat sich SAMS deswegen zusammen mit 43 anderen syrischen und internationalen Organisationen an die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UN) und die Weltöffentlichkeit gewandt. Daran erinnern sie an die 2018 bzw. 2016 vom Regime zurückeroberten Regionen Ost-Ghouta und Aleppo, in denen Zivilist*innen während der Gefechte in katastrophalen Bedingungen ausharren mussten. Schulen, Krankenhäuser und Märkte wurden angegriffen, die Bevölkerung wie etwa bei der Belagerung Ost-Aleppos systematisch ausgehungert. Laut Völkerrecht ein Kriegsverbrechen. Der Ausgang um die damals geteilte Stadt Aleppo gilt heute als Kriegswendepunkt. Und als Symbol für die Machtlosigkeit der UN: 2016 waren fast eine Million Menschen von Belagerungen in Syrien betroffen, davon allein in Ost-Aleppo 270 000. Im September 2016 verkündete die UN, dass 80 Prozent ihrer Hilfskonvois nicht oder nur verspätet an den Zielort gelangen und man Ost-Aleppo seit zwei Monaten nicht mehr erreicht hatte. Bei jenen Konvois, die es doch schafften, wurden Güter wie medizinisches Equipment vom Regime beschlagnahmt. «Selbst Instrumente für Kaiserschnitte gehörten dazu», sagt Katoub. Gefrustet und verzweifelt, bezeichnete der damalige Nothilfekoordinator der UN, Stephen O’Brien, Ost-Aleppo in einer Sitzung des Sicherheitsrates als «Todeszone» und griff Kriegsakteur Russland an, der sich seit 2015 an der Bombardierung der syrischen Regierung beteiligt. Laut Mohamad Katoub hat die jahrelange Tatenlosigkeit der internationalen Gemeinschaft gegenüber der syrischen Regierung und seinen Kriegsverbrechen andere Akteure ermutigt, es ihm gleich zu tun. So hätten in West-Aleppo Al-Qaida nahe Gruppen den Zugriff auf Wasser als Waffe benutzt, um die lokale Bevölkerung zu drangsalieren…“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=154880
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