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Zur Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung in Südafrika

Pambazuka LogoDie folgenden Beiträge sind Bestandteil unseres Spezial-Updates „Die Gewerkschaftsbewegung in afrikanischen Ländern: Zwischen scheintot und Massenmobiliserung“ am 30. Januar 2017, mit zusammenfassenden Übersetzungen von den Artikeln einer Sondernummer der panafrikanischen Webzeitschrift Pambazuka vom 27. Januar zu der Gewerkschaftsbewegung vor allem in Südafrika, aber auch in sechs weiteren  afrikanischen Staaten:

„African labour and social militancy, Marxist framing and revolutionary movement-building“ von Patrick Bond am 27. Januar 2017 in Pambazuka externer Link ist der einzige der Beiträge, der nicht nur von den Erfahrungen und Auseinandersetzungen in einem bestimmten Land handelt. Der südafrikanische Soziologe und Aktivist versucht darin, eine Zusammenschau der kontinentalen Entwicklung zu geben, als Hintergrund für seine Betrachtungen über Südafrika. Dabei hebt er hervor, dass es eine ganze Reihe von Ländern in Afrika gibt, in den die Gewerkschaften und die Arbeiterinnen und Arbeiter dem Kapital „Sorge machen“. Nimmt man, so Bond, die weltweiten Statistiken über Streiks, so sind unter den 30 Ländern der Welt mit den meisten Streiks, nicht weniger als 12 afrikanische Länder. Neben – und nach – Südafrika sind dies Tschad , Tunesien, Liberia, Mosambik), Marokko, Lesotho, Äthiopien,  Tansania, Algerien, Burundi, und Simbabwe, Länder mit sehr unterschiedlichen Situationen, aber alle geprägt von den brutalen Auswirkungen der kapitalistischen Krise von 2008 – und mit sehr unterschiedlichen Gewerkschaftsbewegungen, die aber einfach immer wieder aktiv werden mussten, um der allgemeinen Stimmung zu entsprechen. Die besondere Rolle Südafrikas ist aktuell eben vor allem auf die besondere Rolle der südafrikanischen Metallgewerkschaft in der gesellschaftlichen Entwicklung des Landes zurück zu führen. Bond, der als Gast auf dem NUMSA-Kongress 2013 gewesen war, schreibt davon, dass jener dort vollzogene radikale Kurswechsel (einer Gewerkschaft, deren frühere Führung sich am stärksten dafür einsetzte, Thabo Mbeki durch Jacob Zuma zu ersetzen) auf den sofortigen Rücktritt Zumas (und damit die Konfrontation mit dem ANC und die Spaltung des Gewerkschaftsbundes Cosatu) Ergebnis eines regelrechten Aufstandes der 1400 Delegierten, in großer Mehrheit shop stewards, gewesen sei, die kein weiteres Zusammenwirken mit den „Mördern von Marikana“ dulden wollten. Dies habe einen „NUMSA-Moment“ in Südafrika geschaffen, bei dem sich die Frage stelle, ob er zu einer „NUMSA-Bewegung“ werden könne. Was sich nicht zuletzt am Verhältnis zur EFF (Economic Freedom Fighters), der linksnationalistischen Abspaltung des ANC und zu anderen linken Strömungen im Lande zeigen müsse

„The lost moments? Trade union revitalisation and the prospects of an eco-socialist working class politics in South Africa“ von Devan Pillay am 26. Januar 2017 bei Pambazuka externer Link ist ein Beitrag, der sich gerade eben mit dieser Frage des „NUMSA-Moments“ konkreter befasst. Der Autor sieht die Entwicklung der NUMSA in Zusammenhang mit zahlreichen Spaltungen innerhalb der einst gemeinsamen Bewegung ANC seit Thabo Mbekis Absetzung und Jacob Zumas Amstantritt 2007, wobei er ebenfalls eine historische Zäsur im Massaker von Marikana 2012 sieht. Pillay verfolgt die Entwicklung der südafrikanischen Gewerkschaftsbewegung seit ihrem (teilweisen) Zusammenschluss zur Cosatu in den 80er Jahren anhand der Frage des Verhältnisses der Gewerkschaften zur Ökologie und den „Grenzen des Wachstums“ – in einem Land, dessen Wirtschaft bis heute vor allem von verschiedenen Formen des Bergbaus geprägt ist, von besonderer Wichtigkeit. Der Autor sieht eine Gefahr für diverse Ansätze zu einer Erneuerungsbewegung auf allen Seiten der aktuellen Auseinandersetzungen in dem vorherrschenden Erbe eines mechanistischen Marxismus-Leninismus, wie er es bezeichnet, was sich auch im Verhalten der NUMSA gegenüber Kritiken aus der Linken und entsprechenden Vorschlägen zeige, etwa auch in der Tatsache, dass die innovativen ökologischen Initiativen der NUMSA von 2012 heute in den Hintergrund gedrängt seien. Was auch ein Teil der Gründe dafür seien, dass das Einigungsprojekt der NUMSA bisher nicht den erwarteten Erfolg und Zulauf bekommen habe

„South Africa and the changing possibilities for the Left“ von Leonard Gentle am 26. Januar 2017 bei Pambazuka externer Link ist ein Beitrag, der sich vor allem mit den Aussichten der südafrikanischen Linken befasst, nachdem der „NUMSA-Moment“ dahin gegangen sei, wie es der Autor, früher Leiter der auch in der BRD bekannten International Labour Research and Information Group (ILRIG), beurteilt. Der Einschnitt, den das Massaker von Marikana bedeutet habe, sei dem Autor zufolge ein doppelter gewesen: Sowohl habe das Massaker deutlich gemacht, dass der ANC „auf der anderen Seite“ stehe, als auch deutlich geworden sei, dass die traditionelle Gewerkschaftsbewegung, wie sie aus den 70er Jahren in Südafrika komme, von den erwerbslosen und arbeitenden Massen, die unter dem Regime der Prekarität leben müssen, weit entfernt sei. Und mit dieser Tradition habe leider auch die NUMSA nicht Schluss gemacht, wird in dem Beitrag geurteilt. Der im Rahmen des Beitrags anhand zahlreicher Fakten breit behandelte Niedergang des Gewerkschaftsbundes Cosatu – etwa mit einer Chemiegewerkschaft, der heute die De-Registrierung durch das Arbeitsministerium droht, weil sie weder Angaben zur Mitgliedschaft macht, noch irgendeinen Gewerkschaftstag organisiert – sei keine Entwicklung, die man begrüßen könne, denn sie wirke auf die gesamte Bewegung zurück. Als Musterfall behandelt er dabei die Entwicklung an den Universitäten des Landes: Nicht nur, dass die Studierenden eine massenhafte Bewegung gegen Studiengebühren – und, vor allem: ihre Erhöhung – entwickelt hätten, sie seien es auch gewesen, die sich der Lage der Beschäftigten (nichtakademischen) Menschen an den Unis angenommen haben, in dem sie die Kampagne gegen das outsourcing zusammen mit diesen und weitgehend ohne Gewerkschaften organisiert hätten. Und dies zu einem Zeitpunkt, ab 2015, da die Regierung neue Arbeitsgesetze vorbereite, die die verschiedenen Formen der Prekarität weiter verbreiten würden – unter dem „dröhnenden Schweigen“ der Cosatu. Die Schlussfolgerung, die Leonard Gentle zieht ist, dass es die objektive Entwicklung selbst ist, die die Frage der notwendigen Selbstorganisation auf die aktuelle Tagesordnung setze, was er an einigen Punkten festmacht, in denen die aktuelle kapitalistische Formation sich von früheren Formen unterscheide.

„Renewal and crisis in South African labour today: Towards transformation or stagnation, bureaucracy or self-activity?“ von Lucien van der Walt am 26. Januar 2017 in Pambazuka externer Link ist ein Beitrag, der die aktuelle Situation der Gewerkschaften in Südafrika über die Konfrontation Cosatu-Numsa hinaus betrachtet, in dem auch Gewerkschaftsföderationen wie NACTU, Consawu oder FEDUSA und Solidarity dargestellt werden, die als „systembejahend“ charakterisiert werdenv und den Gewerkschaften gegenübergestellt, die – wie auch immer – sich zu sozialistischen Positionen hinzurechnen. Während er ausführlich die politischen Probleme der Cosatu schildert, die immer wieder in die Situation komme, Maßnahmen, die sie als Teil der Regierungsallianz mit zu verantworten habe, eigentlich bekämpfen zu müssen – und dies nicht tue, weswegen ihr Niedergang sich fortsetze – sieht er die Schwäche der NUMSA vor allem darin einmal eine Gewerkschaftsföderation „auf Basis des Marxismus-Leninismus“ anzustreben, was den „Zulauf“ einenge, und andererseits zu viele Projekte zur selben Zeit zu verfolgen, was ihrem Selbstverständnis geschuldet sei, den Projekten aber keinesfalls zuträglich sei. Der Autor sieht dies in seinen abschließenden Betrachtungen als faktisch dieselbe Gefahr, in der auch diverse linke politische Parteien in der Regel umkommen, weswegen auch er die Notwendigkeit der Selbstorganisation in den verschiedenen sozialen Kämpfen propagiert.

„The Numsa moment: Has it lost momentum?“ von Martin Jansen am 26. Januar 2017 bei Pambazuka externer Link ist ein Beitrag, der sich konsequent mit der Entwicklung der südafrikanischen Metallgewerkschaft befasst, seitdem sie 2013 zu einem Anzugspol für die Linke, nicht nur in Südafrika, wurde. Auch hier ist das Thema die Vielfalt der NUMSA Aktivitäten, wobei aber auch – als Denkanstoß für eine Organisation, der er mit Sympathie gegenübersteht – konkrete Kritik geübt wird: Anstelle dieses Mammutprogramms an Initiativen wäre es für NUMSA und alle besser gewesen, sie hätte gemeinsam mit der Bergarbeitergewerkschaft AMCU jene Mindestlohnkampagne, die einst von der Cosatu begonnen und später fallen gelassen wurde, als wesentliche Aufgabe gesehen, was für eine Vielzahl von Beschäftigten eines der Hauptprobleme sei und gerade deswegen ein Moment hätte werden können, in dem eine neue Gewerkschaftsformation soziale Kraft weit über die eigenen Reihen hinaus hätte gewinnen können – eben dies habe man versäumt. Versäumnisse, die auch in bezug auf die Arbeit für die Entstehung und Weiterentwicklung der „Vereinigten Front“  eine Rolle spielen, die nach Ansicht des Autors bei etwaigen entsprechenden Korrekturen immer noch die Möglichkeit habe, sich zu einer zentralen Kraft zu entwickeln

„South Africa: The role of the working class in socialist transformation“ vom New Unity Movement am 26. Januar 2017 bei Pambazuka externer Link ist ein Beitrag, in dem sich dieses linke Netzwerk ausführlich mit der neoliberalen Politik der herrschenden Klasse Südafrikas auseinandersetzt und von dieser Analyse aus die Frage nach der Rolle der ArbeiterInnenklasse bei einer gesellschaftlichen Umwälzung behandelt – und dabei die (eventuelle) Rolle der Vereinigten Front, wie sie die NUMSA seit einiger Zeit organisiert. Ob dies gelingen kann, ist die Frage, die das NUM sich und anderen stellt – ausgehend von der Beurteilung der gesellschaftlichen Entwicklung, dass dieselben Kräfte, die früher das regime der Aprtheid bekämpft haben, heute das Regime des Neoliberalismus bekämpfen – und so auch dafür sorgen, dass Südafrika eines der Länder weltweit bleibt, das die meisten Proteste, Widerstandsaktionen und soziale Kämpfe verzeichnen…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=110887
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