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Sudan

Der Militärrat versucht weiterhin die Veränderung im Sudan zu blockieren: „Kräfte der Freiheit und Veränderung“ rufen zu einer Kampagne zivilen Ungehorsams auf

Zur Ikone der Bewegung im Sudan geworden: Der Zug aus Atbara bringt Demostranten nach KhartumAm 30. April hatte der Militärrat die Demonstrant*innen aufgefordert, den Zugang zu den Straßen frei zu halten und Barrikaden zu beseitigen. Als Reaktion darauf hatten die Demonstrant*innen sie verstärkt und Menschenketten gebildet, um jeden Versuch des Militärs, sie zu entfernen, zu verhindern. Gestern erschienen auf den Barrikaden humorvolle Schilder in Englisch und Arabisch mit der Botschaft „Entschuldigung für die Wartezeit, wir entwurzeln das Regime“ oder „Danke für Ihre Geduld, wir sind hier, um zu bleiben“.  Tagsüber versammeln sich die Menschen auf Stühlen oder Bürgersteigen, um zu plaudern, Karten zu spielen, Debatten zu organisieren oder Tee zu trinken. Zelte und Planen geben Schatten und schützen vor der Hitze. Gestern hatten wir in Khartum 45 Grad, aber gefühlt waren es 50 Grad. Diskussionsworkshops werden von Studierenden oder Freiwilligen organisiert, die mit der Alliance for Freedom and Change verbunden sind. Ihre Aufgabe besteht auch darin, die jüngsten Beschlüsse des Bündnisses, das die Verhandlungen mit dem Militärrat führt, zu erläutern und die Kommuniqués der sudanesischen Berufsvereinigung zur Verbreitung von Informationen und Debatten zu lesen und zu verteilen. Auch spontan entstehen Diskussionen und Reden zwischen den Menschen auf dem Platz. Das Reden und Diskutieren wird gefilmt, und kann so schnell Hunderte oder sogar Tausende von Aufrufen erreichen. Andere rufen Slogans oder Parolen, die von Menschen um sie herum wiederholt werden…“ – aus dem Beitrag „Sudan: Auf dem Platz von Al-Qyada organisieren wir uns gegen das Regime“ am 09. Mai 2019 bei Izindaba externer Link (die Übersetzung eines Beitrags bei Sudfa, einem neuen sudanesischen-französischen Portal) über die konkreten Organisationsformen der sudanesischen Massenproteste. Zur aktuellen Entwicklung im Sudan drei weitere Beiträge, darunter die Erklärung zur Kritik am Militärrat und der Aufruf zum zivilen Ungehorsam:

  • „Die Wut auf den Straßen von Khartum“ von Katrin Kuntz und Jan Puhl am 08. Mai 2019 bei Spiegel online externer Link zur ganz aktuellen Situation unter anderem: „… Die Massen auf den Straßen – und die internationale Aufmerksamkeit – sind die wichtigsten Druckmittel der Opposition. Unter Baschir war der Sudan abgeriegelt, aber jetzt sieht die Welt zu, wenn jeden Abend Tausende Menschen ins Zentrum Khartums strömen. Das Viertel um das Verteidigungsministerium hat sich zu einem riesigen Protestlager entwickelt, und das inzwischen einen Monat alte Camp ist gut organisiert. Sie stellen sich hier auf einen langen Kampf ein. Hunderte Helfer wie Mariam sorgen für Ordnung, es gibt Küchen und Kliniken. Die sudanesische Gewerkschaft SPA, die als Initiatorin der Proteste gilt, organisiert Konzerte, Theateraufführungen und Diskussionen. Und es gibt nur ein Thema: Was für eine Vision vom Sudan haben wir? Niemand will, dass die Scharia Leitlinie der Gesetzgebung wird, so wie Teile des Militärs es fordern. (…) Welches Arrangement Opposition und Militärs auch immer treffen – ob die Bürger gegen die Reste des alten Regimes bestehen können, ist offen. Analysten wie Ahmed Soliman vom Thinktank Chatham House warnen: Das Baschir-Regime hatte sich auf einen „Deep State“ gestützt, ein tief reichendes Patronagesystem von Sicherheitsapparat, Ölindustrie, Ministerien und islamischer Geistlichkeit – und dieses existiert weiter…“
  • „Soudan: Quelle transition? Déclaration des Forces de la Liberté et du Changement“ am 07. Mai 2019 bei Europe Solidaire externer Link ist die französische Übersetzung (von Luiza Toscane) der Erklärung der Kräfte der Freiheit und Veränderung zur aktuellen Situation, angesichts der Blockadepolitik des Militärrates. Dieser hatte in einem Schreiben nochmals seine Position bekräftigt, eine wesentliche Rolle beim Übergang innehaben zu wollen und dies verbunden mit zahlreichen angeblich anstehenden politischen Fragen. Das Bündnis erklärt dagegen, dass etwa Fragen wie die nach dem Verhältnis von Religion und Politik nicht vom Militärrat zu diskutieren seien und auch nicht vom Bündnis, sondern von der sudanesischen Bevölkerung, nachdem eine zivile Regierung eine Verfassungsdebatte organisiert habe. Alle solchen Ausführungen des Militärrates zielten nur darauf ab, eine wirkliche Veränderung zu verhindern – und dies im Angesicht einer Notsituation breiter Teile der Bevölkerung, insbesondere in den (ehemaligen) Kriegsgebieten.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=148524
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