»
Spanien »
»

Willkür-Justiz, Diktatur-Beschönigung und rechter Vormarsch: Spanien heute

Internationale Kampagne gegen die Unantastbarkeit der Verbrechen des Franco-Regimes„“Wenn man uns in einigen Jahren recht geben wird, ist es längst zu spät“, hallt es über den Platz in der baskischen Stadt Pamplona. In Iruña, so der baskische Name, haben sich erneut zahllose Menschen versammelt, um gegen die Inhaftierung von sieben jungen Basken zu protestieren, die ebenfalls mit aller Gewalt zu Terroristen gestempelt werden sollen. Ainara Urkijo verliest einen Brief von sieben Freunden aus ihrer Kleinstadt Altsasua, die zum Teil seit zwei Jahren ohne rechtskräftiges Urteil in spanischen Gefängnissen sitzen. Auch die junge Frau ist wegen der Kneipen-Rangelei mit zwei Mitgliedern der paramilitärischen Guardia Civil vor zwei Jahren erstinstanzlich am Nationalen Gerichtshof verurteilt worden. Die einzige angeklagte Frau erhielt aber Haftverschonung und mit zwei Jahren auch eine deutlich geringere Strafe. Ihre Freunde bekamen zwischen neun und zwölf Jahre aufgebraten und es könnte noch dicker kommen, wie Isabel Bel Pozueta im untenstehenden Interview erklärt, da die Staatsanwaltschaft weiter am Terrorismus-Vorwurf festhält und Strafen bis zu 62 Jahren fordert. Wie die Gefangenen und ihre Angehörigen verlieren immer mehr Menschen wegen immer neuer Justizskandale die Hoffnung in die Justiz im Land. Es ist kein Zufall, dass am Montag sogar Richter und Staatsanwälte nicht nur für mehr Lohn und bessere Ausstattung der Gerichte gestreikt haben, sondern auch für eine unabhängige Justiz…“ – aus dem Beitrag „Spanien: Schlechte Zeiten für Gerechtigkeit“ von Ralf Streck am 24. November 2018 bei telepolis externer Link über den Prozess, bei dem die spanische Justiz deutlich machen will, dass sie bestimmt, wer Terrorist ist. Siehe dazu auch drei weitere aktuelle Beiträge zur Debatte um Demokratie, Diktatur und Geschichte in Spanien und die Veränderungsprozesse der Akteure dabei:

  • „Spanien: “Der Franquismus hat im Staat nach wie vor die Hegemonie”“ am 21. November 2018 im Untergrund-Blättle externer Link ist ein Interview mit einem Aktivisten des baskisch-deutschen Kulturverein „Baskale“ in Bilbo, worin dieser unter anderem zu den Rahmenbedingungen der politischen Situation in Spanien ausführt: „Überlegt doch mal, warum es in Spanien keine NPD oder AFD gibt – bei so viel rechtem Gedankengut. Die Antwort ist einfach: die „Volkspartei“ Partido Popular (PP) von Aznar und Rajoy ist ausreichend faschistoid, um grosse Teile der Ultra-Rechten an sich zu binden. Dazu kommt nun auch noch die neue Partei „Ciudadanos“, die in der internationalen Presse als liberal definiert wird – nichts wäre weiter von der Realität entfernt. Viele dort stehen bis heute offen zum Franquismus. Sie sind gegen die Exhumierung des Massenmörders aus dem Mausoleum. Sie wollen keine Aufarbeitung der Verbrechen des Spanienkrieges. Sie wollen nicht die 140.000 Leichen aus den über den ganzen Staat verstreuten Massengräbern heben. Sie wollen nicht die Besonderheit der historischen Nationen Galicien, Katalonien, Baskenland anerkennen.  Die Transición (spanisch: Übergang, Anm. Red.) von der Diktatur zur Demokratie in den 1970er Jahren war eine einzige Farce. Der Diktator ist im Bett gestorben, der Übergang war gut vorbereitet. Der neue König hatte seinen Eid auf die franquistischen Werte geschworen und wurde nie demokratisch legitimiert. Militär, Polizei, Justiz und politische Klasse blieben auf ihren Posten – bis heute. Die Sozialdemokrat*innen von der PSOE schworen dem Marxismus ab – sicher auf Anraten der Friedrich-Ebert-Stiftung. Und die Kommunisten von der PCE sagten „ja“ zu allem, nur um wieder legalisiert zu werden.  Gleichzeitig mit der Amnestie für die politischen Gefangenen des Regimes wurde 1977 eine Amnestie für alle franquistischen Verbrechen beschlossen. Das verstösst gegen die Internationale Menschenrechts-Konvention, denn Verbrechen gegen die Menschlichkeit können weder verjähren noch amnestiert werden. Die UNO kritisiert das. In den lateinamerikanischen Ländern konnten solche Amnestie-Gesetze nicht gehalten werden, zum Beispiel in Chile, Uruguay oder Argentinien. Im spanischen Staat aber schon. So kann es nicht verwundern, dass eine Mehrheit in Katalonien eine unabhängige Republik haben will und viele im Baskenland auch…“
  • „! Vox: the new face of the far right in the Spanish State“ von Braiz Fernandez am 18. November 2018 bei Europe Solidaire externer Link dokumentiert, ist ein Beitrag über den „Aufstieg“ der neuen faschistischen Vox-Partei, die in den letzten Monaten bei Wahlumfragen auf über 5% Zustimmung kam. Diese Partei, ursprünglich (2013) eine Abspaltung unzufriedener Rechtsradikaler in der PP, ist seit September 2014, als Santiago Abascal Vorsitzender wurde in deutlicher Abgrenzung zu den traditionellen rechten Parteien Spaniens als radikale Gegner von Linken, MigrantInnen, Feministinnen und LGBTQ-Bewegungen Re-orientiert zur Verteidigung dessen, was in deren Sprache „Hispanidad“ genannt wird. Der Autor vertritt dabei auch die These – nicht ganz unbekannt auch anderswo – dass Vox den aktuellen Rechtsruck der traditionellen Rechtsparteien mit verursacht habe, die sich auch keineswegs von dieser Organisation abgrenzen.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=140579
nach oben