»
Spanien »
» »

Das Grundsatzurteil des Obersten Spanischen Gerichtshofes gegen katalanische Unabhängigkeits-Aktive: Im Grundsatz gegen demokratische Rechte. Wird entsprechend beantwortet

Barcelona am 20.9.2017: Massendemo gegen Notstand„… Real wurde das Urteil am heutigen Montag den Betroffenen erst verkündet. In ganz Katalonien wurde mit Proteste begonnen. Es wird nun erwartet, wie im Telepolis-Interview angekündigt, dass Katalonien nun ähnliche Verhältnisse wie in Hongkong erleben wird, allerdings friedlich durch massiven zivilen Ungehorsam, wofür die Bewegung seit vielen Jahren steht. Nach einer friedlichen Besetzung des zentralen Bahnhofs in Barcelona schon am Sonntag, werden die Bahnhöfe und Flughäfen besonders von Sicherheitskräften geschützt, um Besetzungen wie in Hongkong zu verhindern. Wirklich überrascht kann man von den harten Verurteilungen von bis zu 13 Jahren Haft nicht sein, wenn man sich etwas mit der spanischen Justiz auseinandergesetzt hat. Wie auch in anderen Fällen war das Drehbuch nach politischen Vorgaben geschrieben worden. Schon im Februar, bevor der Prozess gegen die 12 katalanischen Regierungsmitglieder und Aktivisten überhaupt begonnen hatte, stand im Prinzip fest, dass man sie „nur“ wegen Aufruhr verurteilen würde. (…) Der Schauprozess, wie ihn auch hochrangige spanische Juristen nannten, wurde so geführt, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Der Chef der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) Oriol Junqueras erhält als ehemaliger Vize-Ministerpräsident die Höchststrafe von 13 Jahren wegen Aufruhr und Veruntreuung, da man den ehemaligen Regierungschef Carles Puigdemont nicht ausgeliefert bekam…“ – aus dem Beitrag „Wahlurnen friedlich aufzustellen, ist in Spanien nun „Aufruhr““ von  Ralf Streck am 14. Oktober 2019  bei telepolis externer Link zur öffentlichen Bekanntmachung des Urteils am Montag – nachdem bereits Sonntag heftige Proteste begonnen hatten… Siehe dazu drei weitere Beiträge zur Bedeutung dieses Urteils und ein Video zu den Protestaktionen am Flughafen von Barcelona, sowie einen ersten Überblick über die verschiedenen Proteste – und den Hinweis auf unseren letzten Beitrag zur spanischen Repression gegen eine demokratische Bewegung:

„Gefängnis heizt den Konflikt an“ von Martin Ling am 14. Oktober 2019 in neues deutschland online externer Link zu den Protesten: „… »Gefängnis ist keine Lösung.« Es war der FC Barcelona, der sich als erste katalanische Institution nach dem Urteil gegen zwölf Unabhängigkeitsbefürworter zu Wort meldete. Ein Verein, der in seinen Reihen von glühenden Unabhängigkeitsbefürwortern bis vehementen Vertretern von Spaniens Einheit alles weiß. Und so blieb das Kommuniqué auch nicht auf die Kritik an einem Urteil beschränkt, das insgesamt 100 Jahre Gefängnis für das – von der Justiz im Urteil anerkannt – gewaltfreie Eintreten für die Unabhängigkeit für zwölf Unabhängigkeitsverfechter vorsieht, sondern mündet in einen Appell: Alle politischen Führer sind aufgefordert, den Konflikt per Dialog und Verhandlungen beizulegen. Es ist zu befürchten, dass auch dieser Appell für einen Dialog verhallt, wie so viele zuvor...“

„Warten auf den nächsten Tsunami in Katalonien“ von Ralf Streck am 15. Oktober 2019 bei telepolis externer Link zu den aktuellen Auseinandersetzungen und ihren Perspektiven: „… Ist es schon heute möglich, vielerlei Protestformen oder Vorgänge als Terrorismus einzuordnen und von ordentlichen Gerichten an ein Sondergericht nach Madrid zu ziehen, was schon Anwendung findet, kann nun jeder friedliche Protest als Aufruhr gewertet werden, wenn er sich dagegen wendet, dass Gesetze oder Gerichtsentscheidungen umgesetzt werden. Das kann bald auch Menschen in Spanien drohen, die sich gegen Zwangsräumungen wehren, Atomkraftwerke blockieren oder gegen Kürzungen im Sozialsystem streiken. Der Anwalt Gonzalo Boye streicht das in einem Artikel heraus. So kann es nach dem absurden Urteil schon Aufruhr sein, wenn die Polizei eine Menschenansammlung auflösen muss und wenn „dabei ihre Gegenwehr annulliert“ werden müsse, zitiert er aus dem Urteil mit 493 Seiten. Das gelte auch, wenn die Sicherheitskräfte ihr Vorhaben, „eine Gerichtsentscheidung umzusetzen, angesichts des rebellischen und oppositionellen Auftretens einer Zusammenballung von Menschen in klarer zahlenmäßiger Übermacht aufgeben müssen“. Es ist offensichtlich, dass dies auf den friedlichen Widerstand zahlloser Menschen gemünzt ist, die friedlich mit ihren Körpern ein friedliches Referendum und die Wahlurnen gewaltfrei verteidigt haben. Das nennt man zivilen Ungehorsam und Martin Luther King erhielt für den Einsatz solcher Mittel in der Bürgerrechtsbewegung 1964 dafür den Friedensnobelpreis. Dass ein solches Urteil für ein Vorhaben, dass nach den Richtern lediglich ein „Traum“ war, der nie umgesetzt wurde, zeigt das Abdriften Spaniens in einen autokratischen Staat an. Dabei erstaunt besonders, dass dies von einem sozialdemokratischen Regierungschef beklatscht wird, der sogar eine Begnadigung der Regierungsmitglieder und zivilgesellschaftlicher Aktivisten ablehnt, die in der Tradition von Martin Luther King stehen. So ist es absolut korrekt, wenn sogar der Stern titelt: „Dieses Urteil ist eine Schande für Spanien.“ Er weist auf die fehlende „Fähigkeit zum Dialog und damit zum Kompromiss“ hin. Und das gilt nicht nur in Bezug auf die Katalanen, sondern auch für das dauernde Scheitern, eine Regierung zu bilden, weshalb Spanien „am 10. November zu den vierten Neuwahlen in nur vier Jahren aufgerufen“ wird. Dieser Einschätzung ist wenig hinzuzufügen...“

„Protestas y represión en el aeropuerto del Prat“ am 15. Oktober 2019 bei kaosenlared externer Link ist ein Video über die Protestaktionen am Flughafen von Barcelona und die polizeiliche Repression auch gegen diesen Protest.

„Juristas advierten que la sentencia del ‘procés’ ataca el derecho a manifestarse“ von Alejandro Torrús am 15. Oktober 2019 bei kaosenlared externer Link ist ein Beitrag, der einen Überblick über mehrere juristische Stellungnahmen zu diesem Urteil gibt, die allesamt unterstreichen, dass dies ein Urteil ist, dass das Recht auf Demonstration und Kundgebung, das Recht auf Protest, grundlegend einschränkt.

„Primera y masiva jornada de movilización en Catalunya contra la sentencia del ‘procés’“ am 14. Oktober 2019 ebenfalls bei kaosenlared externer Link war ein erster Überblick über die zahlreichen Proteste auch außerhalb Barcelonas am Wochenende.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=155887
nach oben