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Simbabwe

Die neue Regierung in Simbabwe: Die Sache mit dem alten Wein und den Schläuchen…

Proteste in SimbabweZwar sind einige der unpopulärsten Gesichter der bisherigen Regierung (und der sie tragenden Kräfte innerhalb der regierenden ZANU PF) in Versenkung, Exil oder sonstigen Gefilden verschwunden, und von gewerkschaftlicher Seite wurden vor allem die „Abgänge“ der Minister für das Bildungswesen und die Landwirtschaft begrüßt, aber im Wesentlichen wurden bisherige Regierungsmitglieder und ihr Umfeld „wieder verwertet“ – was bei diesem neuen Regierungschef nun auch nicht viel anders zu erwarten gewesen war, dennoch bereits für eine deutliche Ernüchterung allzu großer Hoffnungen auf positive politische und soziale Veränderungen gesorgt hat. Neben den entsprechenden Reaktionen in Simbabwe selbst, hat sich durch die Ablösung Mugabes (samt „vergoldetem“ Exil) in der politischen Linken und den sozialen Bewegungen auch anderer afrikanischer Länder eine breitere Debatte darüber entwickelt, wie der Weg Simbabwes, die Rolle der ZANU PF und sich demokratisch gebende Militär-Interventionen im eigenen Land zu beurteilen seien. Siehe dazu einige aktuelle und Debatten-Beiträge, sowie den Verweis auf unsere bisherigen Beiträge zum Regierungswechsel in Simbabwe:

„Die Leute sind recycelt worden“ von Dominic Johnson am 01. Dezember 2017 in der taz externer Link beschreibt einige Personen der neuen Regierung: „Emmerson Mnangagwa, Simbabwes neuer Präsident, hat eine Woche nach seiner Amtsübernahme seine neue Regierung vorgestellt – und damit viele Beobachter entsetzt, die auf einen politischen Neuanfang nach dem Sturz des 93-jährigen Langzeitherrschers Robert Mugabe gehofft hatten. Schlüsselposten gehen an das Militär. Generalmajor Sibusiso Moyo, der in der Nacht zum 15. November im Fernsehen das Eingreifen der Armee gegen Mugabe verkündet hatte, wird Außenminister. Der lukrative Posten des Agrarministers, über dessen Tisch alle Fragen der Zukunft der enteigneten Farmen des Landes gehen werden, geht an den langjährigen Luftwaffenchef Marschall Perence Shiri, einer der mächtigsten Generäle des Landes – er war früher Kommandeur der gefürchteten Fünften Brigade, die in den 1980er Jahren im sogenannten Gukurahundi-Feldzug im Matabeleland Zehntausende Oppositionsanhänger massakriert hatte. Das Informationsministerium geht an den Leiter des Kriegsveteranenverbandes, Chris Mutsvangwa, dessen Bruch mit Robert Mugabe entscheidend zu dessen Sturz beigetragen hatte. Ein anderer Verbündeter Mnangagwas im Machtkampf innerhalb der Regierungspartei, der zum Umsturz geführt hatte, wird rehabilitiert: Patrick Chinamasa erhält den Posten des Finanzministers zurück, den er Anfang Oktober verloren hatte“.

„Befreit vom Befreier?“ von Dumisani F. Nengomasha am 09. Dezember 2017 in neues deutschland externer Link, worin sowohl einige der sozialen Verbesserungen berichtet werden, die in den Frühzeiten nach dem Sturz des Kolonialisten-Regimes verwirklicht wurden, als auch der Beginn der Ein-Parteien-Herrschaft dargestellt: „Dennoch blieb Mugabe stets den Erfahrungen des Befreiungskampfes verhaftet. Auf Herausforderungen seiner Macht reagierte er mit Gewalt. Als 1982 auf einer Farm der ZAPU Waffen aus dem Bürgerkrieg gefunden wurden, diente dies zur Begründung eines Armee-Einsatzes, der mit gewalttätigen Gräueltaten im südwestlichen Landesteil Matabeleland bis 1987 andauerte und mindestens 10.000 Menschen der Volksgruppe der Ndebele das Leben kostete – ein Umstand, den die internationale Gemeinschaft in ihrer Euphorie weitgehend übersah. Als dennoch bei den Wahlen 1985 alle Parlamentssitze der Region an die ZAPU gingen, sah Mugabe ein, dass diese Strategie politisch erfolglos blieb. Nach Verhandlungen mit der ZAPU-Führung, der kaum eine andere Option blieb, kam es schließlich 1990 zur Vereinigung beider Parteien unter dem Namen ZANU-PF. Durch die Vereinigung von ZAPU und ZANU war Simbabwe de facto zu einem Ein-Parteien-Staat geworden. Dies bedeutete jedoch auch, dass die Regierung kaum noch auf die Belange der Bürger Rücksicht nehmen musste“.

„‘The dream has turned into a nightmare’: Zimbabweans respond to new cabinet“ am 01. Dezember 2017 bei Zimbabwe Situation externer Link ist ein Beitrag, der über die ersten Reaktionen auf die neue Regierungsbildung berichtet: „Der Traum ist zum Alptraum geworden“ als Überschrift dazu gibt die verbreitetste Reaktion wieder. Die offizielle Begründung für die Zusammensetzung der neuen Regierung aus bisherigen Ministern und Offizieren ist, dass eine Regierung der nationalen Einheit, wie von vielen gewünscht nicht machbar sei, angesichts der Neuwahlen, die für einen Zeitraum von sechs Monaten geplant seien.

„Farm workers celebrate G40’s fall“ am 03. Dezember 2017 im Harare Standard externer Link ist eine Meldung über eine Pressekonferenz der Landarbeiter-Gewerkschaft PROGRESSIVE Agriculture and Allied Industries Workers’ Union of Zimbabwe (PAAWUZ) zum Regierungswechsel. Darin wird insbesondere die Neubesetzung des Landwirtschaftsministeriums begrüßt, denn bisher sei dies von der nunmehr entmachteten G40 Gruppe (um Frau Mugabe) gestellt worden, was dazu geführt habe, dass Eigentümer den Landarbeitern ungestraft ihren Lohn vorenthalten konnten – nun bestehe Hoffnung auf Veränderung. Ob eine andere Fraktion derselben Partei dies anders betreiben wird – Gründe dafür werden in der Erklärung des Sekretärs der PAAWUZ nicht angegeben…

„What will post-Mugabe Zimbabwe look like for the workers? „ von Christopher Mahove am 05. Dezember 2017 bei Equal Times externer Link ist ein ausführlicher Beitrag zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in Simbabwe und der aktuellen Lage und Positionierung der Gewerkschaftsbewegung rund um den Gewerkschaftsbund ZCTU, der in den letzten 25 Jahren rund drei Viertel seiner Mitgliedschaft verlor – und gerade einmal 5% aller Beschäftigten haben noch einen Tarifvertrag, der ihre Arbeitsbedingungen regelt. Der ZCTU Generalsekretär Japhet Moyo wird in dem Beitrag mit der Aussage zitiert, es handele sich wohl kaum um eine wirklich neue Regierung. Wie andere befragte Personen auch, sieht er die beste Option für eine andere Zukunft in freien Neuwahlen 2018.

„Zimbabwe Labour Market Profile 2014“ beim dänischen Gewerkschaftsbund LO externer Link ist eine Studie des Zentrums für internationale Zusammenarbeit der dänischen Gewerkschaft über die Situation in Simbabwe. Die unter anderem davon geprägt ist, dass es in den letzten 20 Jahren eine dermaßen massive Arbeitsmigration gab, dass rund ein Drittel aller arbeitenden Menschen des Landes anderswohin gegangen sind – zumeist nach Südafrika und Botswana, aber auch in die USA, nach Kanada oder Großbritannien.

„Bilanz des Scheiterns“ von Christa Schaffmann am 05. Dezember 2017 in der jungen welt externer Link ist eine Bestandsaufnahme, die auch einen Schwerpunkt in der wirtschaftlichen Entwicklung hat, wozu unter anderem zur heftig geforderten und danach viel diskutierten Landreform hervor gehoben wird: „Die Agrarproduktion blieb lange das Rückgrat Simbabwes trotz dessen großen Rohstoffreichtums und industrieller Kapazitäten. Problematisch daran war, dass sich die leistungsstarken professionell geführten landwirtschaftlichen Großbetriebe fast ausschließlich in den Händen weißer Farmer befanden. Im Lancaster-House-Abkommen war vereinbart worden, dass man diese nicht entschädigungslos enteignen, sondern dazu bewegen wolle, gegen Bezahlung von ihren (zum Teil nicht einmal genutzten) Flächen Land zur Verteilung an landlose Bauern abzugeben. Das aber passierte nicht. Die Großbauern setzten auf eine Verewigung der Besitzverhältnisse, während Simbabwes Regierung immer weiter auf die Bereitstellung von finanziellen Mitteln durch Großbritannien für den Erwerb von Land hoffte. Eine Weile ließen sich die Kleinbauern damit vertrösten, dass der Schuldige in London saß, aber irgendwann war klar, dass Mugabes Regierung das Vertrauen der Landbevölkerung, einer wichtigen Stütze der ZANU-PF, verlieren würde, löste sie nicht endlich ihr Versprechen einer Landreform ein. Zu diesem Zeitpunkt waren die in den Anfangsjahren noch starken Bemühungen, schwarze Facharbeiter und Agraringenieure auszubilden, damit sie später eigene landwirtschaftliche Betriebe professionell führen könnten, aus finanziellen Gründen bereits zurückgefahren worden, und der Enthusiasmus, sich zu qualifizieren, war bei einem Teil der simbabwischen Bauern geschrumpft. Sie hatten aufgehört, an die Landreform zu glauben. Vielleicht war das ja sogar das Kalkül vieler weißer Farmer, die gar nicht daran dachten, etwas von ihrem Land abzugeben. Sie hielten weiter 70 Prozent der wirtschaftlich nutzbaren Fläche. Als Mugabes Regierung zehn Jahre nach der Unabhängigkeit endlich massiv auf Enteignung gegen Entschädigung drängte, war die Empörung im Westen groß. Die Bereitschaft Großbritanniens und möglicher anderer Geldgeber, die Umsetzung des Lancaster-House-Abkommens mit politischen und finanziellen Mitteln endlich durchzusetzen, war längst geschwunden, wenn sie denn je wirklich bestanden hatte. (…) Und so gab der inzwischen 76jährige Präsident seinen Willen zum einvernehmlichen Vorgehen mit dem Westen auf. Eine Konsequenz daraus war eine im Jahr 2000 gewaltsam durchgeführte Landreform. Von dieser profitierte aber nur ein Teil der 150.000 landlosen Bauern, die 20 Jahre lang darauf gehofft hatten. Statt dessen wurden Militärs und Politiker bedient (oder bedienten sich selbst), die von Landwirtschaft keinerlei Ahnung und auch gar keine Lust hatten, sich damit zu beschäftigen. Sie machten sich in den villenähnlichen Häusern der enteigneten Farmer breit. Die erfahrenen Farmarbeiter aber gingen überwiegend leer aus – eine Quittung für ihre Unterstützung der Opposition. Eine weitere Gruppe aus dem Heer der landlosen Bauern begann so, wie nach dem Zweiten Weltkrieg Neubauern in der DDR begonnen hatten – weniger produktiv als die Vorbesitzer, aber lernfähig. Nur mit dem Unterschied, dass die Bauern in Simbabwe keine systematische Unterstützung durch die Regierung erhielten. In der Folge ging die Agrarproduktion zurück. Bald trat Lebensmittelknappheit ein. Anstelle von landwirtschaftlichen Produkten wurden Facharbeiter zu einem Exportgut Simbabwes“.

„Lessons of Zimbabwe“ von Mahmood Mamdani am 04. Dezember 2017 in der London Review of Books externer Link (LRB) ist ein Diskussionsbeitrag des bekannten Kritikers (ost-)afrikanischer Zustände, der eine zunehmend breitere Debatte ausgelöst hat. Ausgehend von Mugabes Darstellung in westlichen Medien – die er natürlich auf die Landreform gegen die weißen Siedler zurück führt – unterstreicht er, dass die meisten Menschen im Simbabwe eben diese Landreform ab dem Jahr 2000 als den Beginn der wirklichen Unabhängigkeit betrachteten – und empfanden. Der Lancaster House Vertrag von 1979, mit dem es Großbritannien schaffte, dem Bestreben nach Unabhängigkeit Grenzen zu setzen, war nicht zuletzt ein Abkommen gewesen, eben diese Landreform zu verhindern – weswegen das Abkommen von den Siedler-Großgrundbesitzern auch so massiv unterstützt worden sei. Insbesondere der Druck der Veteranen-Organisationen in den 90er Jahren (als eine Form des Widerstandes gegen die auch Simbabwe diktierten Anpassungsprogramme des IWF, aus denen heraus auch der Gewerkschaftsbund ZCTU sich im öffentlichen Dienst ausbreitete, der zuvor eine Basis der ZANU PF gewesen war) sei diese Landreform zustande gekommen. Dass diese zu einem Rückgang der Lebensmittel Produktion führte liegt für ihn nicht nur in der Korruption und dem Klientelismus bei der anschließenden Landvergabe begründet, sondern auch in der Blockade Politik, vor allem aus Washington und London. Gerade diese Analyse hat ein massives Echo in zahlreichen afrikanischen Medien hervor gerufen, ein Echo, das sich bereits in den Leserbriefen zu diesem Artikel, die bei der LRB dokumentiert sind, zeigt. Seine Analyse sei schematisch, so eine der Kritiken, denn er setze einfach Blöcke gegeneinander, die so niemals existiert hätten: Die ländliche Massenbasis der ZANU PF und die städtische, westlich gestützte Opposition. Eine Debatte, die für alle wichtig ist, die nicht die Meinung vertreten, der Fortschritt in Afrika, oder ein besseres Leben dort, oder was auch immer für alternative Zielsetzungen man vertreten mag, werde aus Europa oder den USA kommen oder auch nur von dort aus unterstützt werden. Zumal die Beteiligten an der Diskussion bisher in ganz überwältigender Mehrheit afrikanische AktivistInnen sind…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=125124
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