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In Serbien (wie in anderen Staaten der Region) sind die neuen Arbeitsgesetze so, wie sie die EU diktiert hat – der Widerstand nicht

Streik in SerbienDer mehrwöchige Streik bei Fiat (siehe Verweis am Ende des Beitrags), der unter – gelinde gesagt – seltsamen Umständen von der größten Betriebsgewerkschaft beendet wurde, war die Spitze eines Eisbergs der Unzufriedenheit der Menschen in Serbien, die versuchen müssen, von ihrer Arbeit zu leben. Der Großinvestor, von der serbischen Regierung mit einer ganzen Reihe von Geschenken bedacht, weigerte sich zu verhandeln, solange gestreikt wurde – und prompt übernahm die Regierung diese Position. Fiat ist aber nicht der einzige internationale Investor (wie heutzutage Ausbeutung genannt wird) – und bei weitem nicht der einzige, der sich weder um bestehende Rechte noch um Vorschriften kümmert, in einem Land, in dem die Arbeitsinspektion niemals einen unternehmerischen Verstoß gefunden hat bei ihren Ermittlungen. Dass die Stimmung der Beschäftigten eine ganz andere ist, als die der Behörden wird zunehmend deutlicher: Trotz der stets präsenten Drohung mit einer Erwerbslosigkeit, deren soziale Absicherung sich mit einem Wort beschreiben lässt: Hunger. Zu den Arbeits- und Lebensbedingungen in Serbien ein aktueller und ein Hintergrundbeitrag (auch mit Verweisen auf andere Staaten der Region):

  • „Serbian workers rebel against foreign bosses“ am 17. September 2017 bei MENA FN externer Link ist eine AFP-Meldung, die nach der Bezugnahme auf den Fiat-Streik einige andere Unternehmen beleuchtet. So etwa die300 Beschäftigten der Eisenbahn-Waggon Fabrik in Goza (südlich von Belgrad), die „weiter gereicht“ worden waren von einem slowakischen zu einem zypriotischen Investor. Die erst monatelang keinen Lohn ausbezahlt bekamen und dann über eine Schließung informiert. Seitdem protestieren sie und haben als bisher einzige kleinere Belegschaft ihren Protest in die Hauptstadt getragen. Es gibt aber eben viele Klagen, die nicht an die Öffentlichkeit gebracht werden – so etwa in dem südkoreanischen Auto-Zulieferer Yura Corporation, die etwa den Gang zur Toilette schlichtweg untersagte. Ein Vorgehen, das nur aufgrund anonymer Aussagen von Beschäftigten gegenüber der Presse ans Tageslicht kam (und dann tatsächlich beseitigt wurde). Dass sich ein Arbeiter erhängt hat, weil er nicht mehr wusste, wie weiter, hat die vorhandene Empörung weiter verstärkt. Eine ganze Reihe von kürzeren Streiks 2017 – ausser den genannten auch etwa bei Geox und Gorenje Valjevo – haben die Gemeinsamkeit, dass sie sich alle gegen ausländisches Kapital richten (was nicht zuletzt dran liegt, dass das serbische für große Fabriken einfach zu klein ist).
  • „The open violence of the Balkan labour reforms: an interview with Aleksandar Matković“ am 04. September 2017 bei LeftEast externer Link ist die Übersetzung eines Interviews von Petar Protić mit Aleksandar Matković über die Arbeitsgesetzgebung in den Balkan-Staaten, mit dem Schwerpunkt auf Serbien.   Ausgangspunkt des Gesprächs ist die Kampagne, die Hesteel Serbia (chinesisches Stahlunternehmen) öffentlich geführt hat, mit der eine Veränderung der serbischen Arbeitsgesetzgebung erreicht werden sollte. Das Unternehmen meinte, die Belegschaft müsse angewiesen werden können, mehr Aufgaben zu übernehmen. Konkret: Sie sollten 24 Stunden am Tag verfügbar sein für die Ausbeutung durch das (natürlich sowieso unglaublich kommunistische) Kapital, und zwar, indem sie in eine betriebliche Barackensiedlung umziehen sollten. Die Geschichte der Privatisierungsbestrebungen in Ex-Jugoslawien, die für Serbien in aller Deutlichkeit mit Milosevic begann (der dies damals noch mit antibürokratischer Rhetorik betrieb) wird in folgenden Passagen des Interviews ausführluch skizziert – die stets verbunden war mit der berüchtigten Flexibilisierung gesetzlicher Bestimmungen, wie der Abbau von Rechten auch hierzulande genannt wird. Dass die Unternehmen – und die Regierungen – dies immer weiter konsequent voran treiben, dafür führt Markovic aktuell vor allem das Ergebnis des Fiat-Streiks an: Im Tausch für eine geringe Lohnerhöhung auf Jahre hinaus auf das Streikrecht verzichten. Was die „Investoren“ halt sehr gerne ohnehin abgeschafft hätten, wofür auch verschiedene Beispiele angeführt werden. Immer wieder werden in dem ausgesprochen lesenswerten Gespräch dabei Parallelen zu anderen Staaten Ex-Jugoslawiens aufgezeigt. Unter dem Strich bleiben als Ergebnis arbeitsgesetzliche Regelungen, die ihren Namen nicht mehr oder kaum noch verdienen – und Unternehmen, die diese Entwicklung in aller Konsequenz weiter treiben wollen…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=121719
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