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Krise bei der Unia: Und für einmal hält das Schweigen nicht

Dossier

Unia Personal ist im StreikSexuelle Belästigung, Affären mit Untergebenen, sektiererische Methoden: Wie es zum Abgang des Leiters der Unia Zürich kam – und wieso die grösste Gewerkschaft des Landes ein massives Problem mit ihrer Betriebskultur hat. Roman Burger hatte Macht. Die Zürcher Bauunternehmer fürchteten ihn. Und er schaffte es, Arbeitskämpfe zu einem medialen Ereignis zu machen. Am Donnerstag letzter Woche trat Burger, Regionalleiter der Unia Zürich-Schaffhausen, zurück. (…) Dass es in der Unia gärt, ist nicht neu. In Basel haben ehemalige Unia-Leute aus Protest eine eigene Gewerkschaft gegründet (siehe WOZ Nr. 40/2015), in Bern war es 2011 sogar zu einem Unia-internen Streik gekommen. Ein Gewerkschafter aus der Zentrale spricht aus, was auch aus anderen Abteilungen zu hören ist: «Unsere Betriebskultur ist scheisse. Ständig wird den Mitarbeitern gesagt: ‹Wir sind ein Team, wir machen das alle zusammen, bring dich ein!› Sobald es aber irgendeinen Konflikt gibt, heisst es: ‹Das hat dich nicht zu interessieren, das ist Sache der Geschäftsleitung.›» Man rede nie offen über Konflikte, es gebe keine Möglichkeiten, Auseinandersetzungen zu führen…“ Artikel von Dinu Gautier und Susan Boos in der WoZ vom 15.09.2016 externer Link, dort auch Hintergründe und Interviews. Siehe dazu:

  • Krise bei der Unia: Wenn die Gewerkschaft fristlos kündigt
    „In der Nordwestschweiz verfolgt die Unia-Leitung eine kompromisslose Fusionsstrategie. KritikerInnen werden ruhiggestellt. Kürzlich kam es zur Eskalation: Sechs FunktionärInnen wurden fristlos entlassen – und gleichentags wieder eingestellt. (…) Die WOZ hat mit aktuellen und ehemaligen Unia-MitarbeiterInnen sowie mit weiteren Personen, die mit den Vorgängen vertraut sind, gesprochen. Sie gaben unter der Bedingung von Anonymität Auskunft über schwelende Konflikte, eine autoritäre Führung und fehlende Mitsprache. Nach übereinstimmenden Aussagen sind die jüngsten Ereignisse im Aargau eine logische Folge der Entwicklungen in den letzten Jahren. Hintergrund ist die seit Anfang 2015 angestrebte Fusion der Regionen Basel und Aargau. Dabei soll die grössere Unia Nordwestschweiz, wie die Basler Sektion heisst, die kleinere Region Aargau schlucken. Noch ist nichts unter Dach und Fach, aber bereits die Ankündigungen und Planspiele haben in den letzten zwei Jahren in beiden Regionen für viel Unruhe gesorgt…“ Artikel Carlos Hanimann bei der WOZ Nr. 13/2017 vom 30. März 2017 externer Link

  • Angst in der Unia. Unia-Präsidentin Vania Alleva verspricht eine neue Betriebskultur – und setzt auf Leute, die für die alte stehen
    „… Die eigenen Widersprüche lassen sich nicht länger wegretuschieren: Die GewerkschafterInnen sollen in den Betrieben die Beschäftigten befähigen, Widerstand von unten zu bilden, während sie selber unter einem strengen Top-down-Regime stehen. (…) Dass innerhalb der Unia ein Klima der Furcht herrscht, ist auch sonst unübersehbar: Manche Unia-Angestellte sind derzeit sehr vorsichtig, mit wem sie sich in der Öffentlichkeit sehen lassen, andere versenden Handynachrichten nur noch über eine App, die die gelesenen Nachrichten automatisch vernichtet. In einer solchen Atmosphäre kann keine neue Betriebskultur gedeihen. Und selbst wenn die Peko wieder mit Alleva und Co. zusammenarbeiten sollte, besteht die Gefahr, dass die versprochene Charta für die Schubladen geschrieben wird. (…) Wenn sich die Kultur nicht ändert, wird die Unia in einem noch grösseren Desaster enden. Doch wenn sie sich bewegt, gibt es viel zu gewinnen. Diese Gewerkschaft verfügt über ein phänomenales Reservoir an klugen, hoch motivierten, jungen MitarbeiterInnen, die darauf warten, die Unia noch stärker zu machen. Sie wollen aber gefördert und nicht verheizt werden…“ Kommentar von Dinu Gautier und Susan Boos in der WoZ vom 22.09.2016 externer Link
  • Unia-Führungskultur: Unia-Präsidentin Vania Alleva nimmt Stellung / Roman Burger ist freigestellt
    Aufgrund zahlreicher Vorwürfe von Mitarbeiterinnen und Medienberichten über Konflikte in der Unia-Region Zürich Schaffhausen hat Unia-Präsidentin Vania Alleva heute an einer Medienkonferenz Stellung bezogen. (…) Sofortmassnahmen: Roman Burger ist freigestellt. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unia-Region Zürich Schaffhausen, die dies wünschen, können sich durch eine externe Fachstelle unterstützen lassen. Die Unia stellt Roman Burger Instrumente für ein Out-Placement zur Verfügung. Wir werden ihn bei der Neuorientierung ausserhalb der Unia unterstützen, wie wir dies bei allen langjährigen Mitarbeitenden tun würden. Alle neuen Vorwürfe, welche die Führung betreffen, werden durch eine externe Fachstelle untersucht. Deren Bericht wird der Geschäftsleitung übermittelt und diese informiert die Gremien transparent über das Resultat und über entsprechend notwendige Massnahmen. Sie können davon ausgehen, dass wir auch Sie als Medienvertreter über die Ergebnisse und Massnahmen informieren werden. Die Unia als Vertreterin der Arbeitnehmenden betont ihre hohe Verantwortung im sensiblen Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Führungskultur und unternimmt alle Anstrengungen, dies auch zu leben. In Zusammenarbeit mit den Unia-Personalvertretungen erstellt die Unia dazu bis spätestens Ende Oktober 2016 eine Charta…“ Unia-Pressemitteilung von 16.09.2016 externer Link
  • Einen neuen Aspekt erwähnt die junge Welt im Artikel „Unia nach Übergriffen in der Kritik“ vom 20.09.2016 externer Link: „… Unabhängig von Burgers Übergriffen dürfte ein Hintergrund der Medienkampagne die Ausrichtung der Unia-Sektion Zürich-Schaffhausen sein. Innerhalb der kämpferischen Gewerkschaft setzt sie besonders stark auf die Aktivierung der Mitglieder. Noch unter Burgers Führung wurde etwa 2013 im Kanton Schaffhausen ein Ausstand der Gartenarbeiter organisiert, der durch eine außergewöhnlich hohe Streikbeteiligung auffiel. Die Arbeiter hatten mit ihrem Anliegen Erfolg, ihre Mindestlöhne wurden um mehrere hundert Franken erhöht. Lutz organisierte zuletzt den Widerstand der Bauarbeiter gegen eine Verschlechterung ihrer im Tarifvertrag festgelegten Rentenansprüche. Auch dieser Kampf wurde gewonnen.“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=104518
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