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Officina Bellinzona: Das Ultimatum der Arbeiter

Officina Bellinzona: Arbeiterversammlung von Ende Februar 2016 (Ultimatum an die SBB-Spitze). Foto: Rainer Thomann

Officina Bellinzona: Arbeiterversammlung von Ende Februar 2016 (Ultimatum an die SBB-Spitze). Foto: Rainer Thomann

Bericht und Bilder von Rainer Thomann vom 5.3.2016 (und eine Ergänzung)

Von blossen Beteuerungen und leeren Versprechen lassen sie sich nicht länger hinhalten, die Botschaft der Arbeiter der Officina Bellinzona an die SBB-Spitze ist unmissverständlich: Bis zum 15. April müssen konkrete Schritte erfolgen, andernfalls wird die Arbeiterversammlung über die erforderlichen Massnahmen, um die Zukunft der Officina zu gewährleisten, beschliessen.

In den 2013 – nach jahrelangen Verhandlungen – abgeschlossenen Verträgen verpflichten sich die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), in ihrem Unterhaltsbetrieb in Bellinzona für ein mit den Vorjahren vergleichbares Auftragsvolumen in zu sorgen und diesem eine grössere Autonomie zu gewähren. Weder die eine noch die andere Abmachung wurde bisher eingehalten.

Officina Bellinzona: Metallkeil zum Blockieren der Geleise (Aufnahme vom 31.05.2008). Foto: Rainer Thomann

Officina Bellinzona: Metallkeil zum Blockieren der Geleise (Aufnahme vom 31.05.2008). Foto: Rainer Thomann

Das Arbeitsvolumen in Bellinzona ist seither, aufgrund von Auftragsverlagerungen in andere SBB-Werkstätten, um mehr als 20 % zurückgegangen. Alle bisherigen Appelle und Protestresolutionen an die Adresse der SBB blieben ebenso erfolglos wie eine Zusammenkunft mit der SBB-Spitze im Februar 2016, an welcher auch verschiedene Tessiner Politiker_innen und Regierungsräte teilnahmen.

Wie die Dinge zurzeit stehen, will es Andreas Meyer, der oberste SBB-Verantwortliche, offenbar auf eine erneute Konfrontation ankommen lassen. Ein offener Konflikt wie 2008 scheint unvermeidlich. „Der Ball liegt bei der SBB, auf unserer Seite gibt es Entschlossenheit und Wille. Schauen wir nun, was die Antwort der SBB ist!“ Dies die Aussage von Gianni Frizzo auf die Frage des Fernsehreporters, ob Protestmassnahmen anlässlich der Eröffnung des NEAT-Basistunnels im Juni geplant seien. Und Ivan Cozzaglio, Mitglied des Streikkomitees, meinte vielsagend, dass der Metallkeil, mit dem während des Streiks 2008 das Zufahrtsgeleise zugeschweisst worden war, auch perfekt auf die Schienen des Alp-Transit passe…

Officina Bellinzona: Einladungsplakat zum Officina-Fest am 19. März 2016. Foto: Rainer Thomann

Officina Bellinzona: Einladungsplakat zum Officina-Fest am 19. März 2016. Foto: Rainer Thomann

Die Kampfbereitschaft und der Durchhaltewille der Officina-Belegschaft dürften Andreas Meyer noch in lebhafter Erinnerung sein. Er ist deshalb gut beraten, rechtzeitig vor dem 15. April einzulenken. Andernfalls könnte ihm die Festlaune anlässlich der feierlichen Eröffnung des Basistunnels anfangs Juni gründlich vergehen. In der Zwischenzeit beginnt das Streikkomitee vorsorglich mit der Information und der Mobilisierung der Bevölkerung. Nächster Treffpunkt ist das traditionelle Officina-Fest am Samstag, 19. März in der legendären Pittureria. – rth

Quellen:

Siehe zuletzt dazu: Officina Bellinzona: Der Kampf geht weiter! Bericht und Bilder von Rainer Thomann vom 12.11.2015

  • Höchste Eisenbahn: Die Beschäftigten des Eisenbahnausbesserungswerks in Bellinzona in der Schweiz kämpfen um die Einhaltung einer 2013 mit der Schweizer Bundesbahn getroffenen Vereinbarung.
    „2008 hatten sie bereits gegen die geplante Betriebsschließung gestreikt, an diesen Erfolg wollen sie nun anknüpfen. Sie werden dabei von einer internationalen Solidaritätskampagne unterstützt…“ Artikel von Peter Nowak bei der Jungle World vom 3. Mai 2016 externer Link. Weiter im Text: „…Doch ein neuer Streik wurde bisher nicht ausgerufen. Der einzige konkrete Schritt bestand darin, dass die Belegschaftsvertreter ihre Mitarbeit im 2013 geschaffenen Kompetenzzentrum einstellten, das strittige Fragen einvernehmlich mit der SBB klären sollte. Außerdem wurde die Regierung aufgefordert, die SBB zur Einhaltung ihrer vertraglich vereinbarten Verpflichtungen zu bewegen. Eine Demonstration zum Sitz der Regierung des Kantons Tessin sollte die Forderung bekräftigen. Gemessen an den klassenkämpferischen Tönen beim vorherigen Arbeitskampf wirkten diese Schritte sehr realpolitisch, bemerkten einige Gewerkschafter, die sich seit Jahren in der ­Solidaritätsbewegung mit Bellinzona engagieren. Dazu gehört auch der Schweizer Basisgewerkschafter Rainer Thomas. Das Klima auf der Vollversammlung der Belegschaft beschreibt er im Gespräch mit der Jungle World als »eine Mischung aus Wut und Enttäuschung«. »Das Ziel der SBB ist die Rückkehr zur ›Normalität‹, was im Klartext nichts anderes bedeutet als die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über ihre Lohnsklaven, während die Arbeiter versuchen, möglichst viel von der im März 2008 errungenen Macht zu erhalten«, betont Thomas. Dabei könnten auch neue Mittel zum Einsatz kommen. Auf die Frage eines Schweizer Fernsehsenders, ob während der Einweihungsfeier des neuen Gotthard-Tunnels am 1. Juni Proteste der Beschäftigten von Bellinzona zu erwarten seien, antwortete Ivan Cozzaglio, der 2008 Mitglied des Streikkomitees war, kürzlich: »Der Metallkeil, mit dem während des Arbeitskampfes vor acht Jahren die Zufahrtsgleise zugeschweißt wurden, passt perfekt auf die Schienen des Alpen-Transit.«“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=94510
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