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Tödlicher Unfall bei der Schweizerischen Bundesbahn: Folge des Sparkurses

Kolleginnen und Kollegen des tödlich verunfallten Zugbegleiters schreiben an der Gedenkminute vom 9. August am Zürcher HB ins Kondolenzbuch

Kolleginnen und Kollegen des tödlich verunfallten Zugbegleiters schreiben an der Gedenkminute vom 9. August am Zürcher HB ins Kondolenzbuch

„… Zuerst die Verspätungen und Pannen. Und dann der tödliche Unfall eines Zugbegleiters am 4. August in Baden: Die SBB-Konzernleitung steht in einem schlechten Licht. Auch die «Sofortmaßnahmen» nach dem Unfall vermögen viele nicht zu beruhigen. Denn anders als in den Nachbarländern soll der Abfahrbefehl trotzdem weiterhin erteilt werden, bevor alle Türen geschlossen sind – und nicht erst danach, wie es die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) fordert. (…) Die Nerven liegen blank. Auch in der Belegschaft. «Der Unfall hat das Ganze akzentuiert und nach aussen getragen. Doch die Stimmung ist zum Teil schon seit Jahren schlecht», sagt SEV-Präsident Giorgio Tuti und verweist auf eine Personalumfrage vom letzten Jahr: Schon damals war das Vertrauen in die Konzernleitung nicht gut. Noch sind die Untersuchungen des Unfalls durch die unabhängige Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle nicht abgeschlossen. Bislang steht fest: Ein Arm des Zugbegleiters wurde bei der Anfahrt eingeklemmt. Erste Untersuchungen an der Tür haben entsprechende Defekte und «versteckte Mängel» ergeben. Bei 20 von 1000 bisher nachkontrollierten Türen des Wagentyps EW IV soll der Einklemmschutz nicht funktionieren. «Türen, bei denen ein Mangel festgestellt wird, werden umgehend instandgesetzt, oder sie werden gesperrt und als defekt gekennzeichnet», teilen die SBB mit. Mit SBB-Angestellten zu reden, ist schwierig in diesen Tagen. Darüber, wie sich die Bedingungen in den letzten Jahren verändert haben, wissen EisenbahnerInnen zu berichten, die inzwischen pensioniert sind…“ – aus dem Beitrag „Die andere Seite der Pünktlichkeit“ von Adrian Riklin am 22. August 2019 in der WoZ externer Link (Ausgabe 34/2019) über die Gefahren eines Sparkurses für Beschäftigte und Passagiere. Siehe dazu auch einen Betrag der Gewerkschaft zu ersten Untersuchungsergebnissen des tödlichen Unfalls, sowie eine Meldung dazu:

  • „SUST-Zwischenbericht stützt unsere Forderungen“ am 21. August 2019 bei der SEV externer Link zum eben vorgelegten Zwischenbericht der Schweizerischen Untersuchungsstelle: „… Wir fordern, dass die SBB sich nun darauf fokussiert, zu gewährleisten, dass Personal und Kunden sicher sind. Die SBB unterzieht derzeit alle Türen des Wagentyps EW IV einer zusätzlichen Kontrolle. Bis Ende Woche sollen alle Wagen fertig überprüft sein, so die Aussage der SBB an der Sitzung mit dem SEV vom 14. August. Wir halten daran fest, dass Wagen, bei denen der Klemmschutz nicht funktioniert, dann aus dem Verkehr gezogen werden müssen. In einem zweiten Schritt soll, wie im Zwischenbericht der SUST beschrieben, das heutige System für die Inaktivschaltung des Einklemmschutzes durch ein zuverlässiges ersetzt werden. Zudem muss die SBB im Unterhalt zusätzliches qualifiziertes Personal einsetzen. In ihrer Medienmitteilung vom Mittwoch, 21. August, schreibt die SBB, dass sie den Abfertigungsprozess überprüft und mit den Sozialpartnern diskutiert habe. Dies stimmt so nicht: Wir haben mit der SBB zwar über den Abfertigungsprozess gesprochen, haben dabei aber Änderungen im Prozess zur Erteilung der Abfahrerlaubnis gefordert: Der Kundenbegleiter soll die Abfahrerlaubnis erst nach dem Einsteigen und Schliessen der eigenen Türe erteilen. Dazu hat die SBB bislang noch nicht Stellung genommen. Aufgrund des Zwischenberichts der SUST muss dieser Prozess umgehend angepasst werden...“
  • „Mehr defekte Türen bei der SBB als bisher bekannt“ am 21. August 2019 beim SRF externer Link meldet zu diesem Zwischenbericht unter anderem: „… Welche Massnahmen fordert die Untersuchungsbehörde? Die Sust empfiehlt dem zuständigen Bundesamt für Verkehr (BAV), die SBB aufzufordern, den bestehenden Einklemmschutz bei dem Wagentyp rasch «durch ein zuverlässiges System» zu ersetzen. Dies bedeutet, dass der Einklemmschutz bei allen 493 betroffenen Waggons ersetzt werden muss. Ebenso sei das Warnsystem im Führerstand des Lokführers so anzupassen, «dass die rote Kontrolllampe dem Lokführer den korrekten Zustand der Türen anzeigt».  Wie rasch sollen die Massnahmen umgesetzt werden? Die Veröffentlichung eines Zwischenberichts der Sust wie in diesem Fall ist aussergewöhnlich. Die Behörde greift nur dann zu diesem Mittel, wenn Sicherheitsprobleme «dringlich» sind und eine sofortige Information des zuständigen Departementes nötig wird. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Korrekturen am Einklemmsystem ohne Verzug umgesetzt werden sollen, weil eine Gefährdung für die Sicherheit der Passagiere und des Personals besteht…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153452
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