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Saudi-Arabien

Nach den neuen 37 Morden des Regimes in Saudi Arabien: Die „Internationale Gemeinschaft“ schweigt keineswegs. Sondern handelt: Übernächster G20 in Saudi Arabien

saudi_arabias_new_flagDas wird ein Fest im Haus der Henker: Endlich ein G20-Treffen ohne lästige Proteste auf den Straßen, die Probleme mit dem Pöbel werden vorher gelöst, per „Kopf ab!“. Im Gegensatz zu dem, was viele kritische Stimmen meinen, es gebe keine Reaktionen auf den jüngsten Massenmord der Saud-Diktatoren, ist dieser Beschluss, den G20-Gipfel im Jahr 2020 in Saudi Arabien abzuhalten, eine Auszeichnung. Und während für das Treffen im Jahr 2019 in Japan bereits zu Protesten mobilisiert wird, sind diese in Saudi Arabien kaum zu erwarten – oder werden sich mit einer Repression auseinanderzusetzen haben, die nochmals ganz anders ist, als Hamburger Polizeistaatsübungen. Denn Tatsache ist auch, dass dieser Massenmord ja nicht heimlich, still und leise verübt wurde, sondern demonstrativ, öffentlich, inklusive Ausstellung der Opfer „auf dem Marktplatz“. Natürlich waren die Ermordeten alle „Terroristen“ – in den Augen dieses Regimes ist jeder Terrorist, der irgendwie Kritik übt, erst recht, wenn er sich an sozialen Protesten beteiligt – und diese gibt es, trotz aller Gefahr, immer mehr und immer öfter. Zugegeben: Der Beschluss, den G20-Gipfel dort abzuhalten, wurde vor diesem Massenmord gefasst – aber in voller Kenntnis der Untaten des Regimes, und auf die Idee, dies rückgängig zu machen, reagiert „man“ eher gereizt. Warum auch, passt doch gut zusammen… Siehe in unserer Materialsammlung zum neuen Verbrechen der Saud-Diktatur, sozialen Problemen im Land und dem gutbürgerlichen Umgang mit dem Regime einige aktuelle Beiträge – ohne Proteste offizieller Stellen, die ohnehin keine Folgen haben:

„Saudi-Arabien exekutiert 37 Menschen“ am 23. April 2019 bei tagesschau.de externer Link meldete zum Protest von amnesty international gegen den Massenmord: „Saudi-Arabien hat 37 Menschen hingerichtet. Sie wurden wegen Terrorismus verurteilt. Amnesty International zweifelt an den Gründen und vermutet politische Interessen hinter den Exekutionen. In Saudi-Arabien sind nach Angaben des Innenministeriums 37 Staatsbürger wegen Straftaten mit Terrorismus-Bezug hingerichtet worden. Das berichteten der Sender Al-Echbarija und andere staatliche Medien. Die Hingerichteten seien alle für schuldig befunden worden, sich „terroristisches, extremistisches Denken angeeignet zu haben“, hieß es. Sie hätten Chaos verbreiten und religiöse Konflikte provozieren wollen. (…) Amnesty International kritisierte die „Massenhinrichtung“ und sprach von einer alarmierenden Eskalation von Todesurteilen in dem arabischen Königreich. „Es ist ein weiteres, grauenvolles Anzeichen dafür, wie die Todesstrafe als politisches Instrument missbraucht wird“, teilte Lynn Maalouf von Amnesty International mit. Die Mehrheit der Hingerichteten komme aus der schiitischen Minderheit des Landes. Die Männer seien in Scheinverhandlungen verurteilt worden, die jeglichen internationalen Standards widersprächen. Die Todesstrafen seien in der Hauptstadt Riad, den heiligen Städten Mekka und Medina, in der Provinz Kassim sowie in der Ost-Provinz vollstreckt worden, teilte das Innenministerium in einer von der amtlichen Nachrichtenagentur SPA veröffentlichten Erklärung mit. Die Exekutierten hätten aus verschiedenen Landesteilen gestammt. (…)Laut Nachrichtenagentur AFP wurde einer der Verurteilten gekreuzigt. Das ist eine Hinrichtungsart, die nur für besonders schwere Verbrechen vorgesehen ist. Die Nachrichtenagentur AP berichtete, alle Verurteilten seien enthauptet worden. Das Köpfen mit einem Säbel ist die häufigste Hinrichtungsmethode in Saudi-Arabien. Eine Leiche sei darüber hinaus mehrere Stunden lang öffentlich auf einem Pfahl zur Schau gestellt worden. Beide Agenturen beriefen sich auf Angaben aus dem Innenministerium…“. Nur, damit es nicht übersehen wird: Extremistisches Denken, nicht Taten, sind per Todesstrafe zu beantworten.

„Das hat mit Mittelalter nichts zu tun“ von Philip Malzahn am 25. April 2019 bei neues deutschland online externer Link merkt unter anderem an: „… Schnell ist dann die ganze Welt dazu verleitet, die Umtriebe Saudi-Arabiens als mittelalterlich zu definieren; als barbarische Praxis eines unzivilisierten Regimes, das am liebsten die Menschheit in die Lebenszeit des Propheten Mohammed zurückkatapultieren möchte. Doch das ist zu einfach gedacht, denn die Führung – Scheichs, Religionsgelehrte und Richter – sind allesamt höchst gebildete Menschen. Sie genießen sämtliche Vorzüge der modernen Welt. Sie leben in Luxus, treiben Handel und stellen sicher, dass das auch so bleibt. Sie handeln aus präzisem politischen Kalkül, um sich im Nahen Osten durchzusetzen. Beflügelt werden sie durch die Tatsache, dass ihre Verbündeten in Europa und den USA ihnen schon seit jeher alles erlauben…“

„Saudi Arabia: Mass Execution of 37 Men“ am 24. April 2019 bei Human Rights Watch externer Link ist ein Beitrag, der sich vor allem mit der Art und Weise des juristischen Verfahrens befasst und zur Feststellung kommt, dass die Richter nicht nur ganz im Sinne des Regimes funktioniert haben – was auch sonst – sondern auch die entsprechenden Verfahrensmethoden angewandt haben…

„Massenexekution in Saudi-Arabien, Trump schweigt“ von Florian Rötzer am 25. April 2019 bei telepolis externer Link unter anderem zu einem konkreten Fall: „Nach der saudischen Presseagentur wurden die 37 Männer zum Tode verurteilt „wegen der Übernahme terroristischer und extremistischer Gedanken, der Bildung von Terrorzellen, um Korruption zu säen und die Sicherheit zu stören, Chaos zu verbreiten, sektiererischen Streit zu entfachen, dem Frieden und der sozialen Sicherheit zu schaden und Polizeistationen mit Bomben anzugreifen“. Es waren aber wohl Schusswaffen und Molotowcocktails, mit denen sie diese angegriffen haben sollen. Vor Gericht widerriefen fast alle Verurteilten ihre erpressten Geständnisse. Das Sondergericht ging den Foltervorwürfen nicht nach, wie Human Rights Watch berichtete. Das sind zum großen Teil höchst vage Beschuldigungen. So wurde Mohammad Abd al-Ghani Attiyah u.a. wegen der Unterstützung von Demonstrationen, der Beschädigung des Ansehens des Königtums und dem Versuch, die schiitische Religion zu verbreiten, zum Tod verurteilt. Die Taten reichen oft Jahre zurück, als es 2011 und 2012 zu Protesten der schiitischen Minderheit im Osten des Landes gekommen war. Dabei schreckte das saudische Regime auch vor der mittelalterlichen und auch vom Islamischen Staat ausgeübten Praxis der Kreuzigung nicht zurück. Ein sunnitischer Verurteilter wurde geköpft und sein Körper ausgestellt…“

„The families of six executed Saudi minors only heard the news through state media“ von Ruari Wood am 25. April 2019 bei Amity Underground externer Link dokumentiert, berichtet von der Hinrichtung der sechs Minderjährigen Mohammad Saeed Al-Skafi, Salman Amin Al-Koraysh, Mojtaba Al-Sowaiket, Abdullah Salman Al-Soraih, Abdulaziz Hassan Al-Sahwi und Abdulkarim Al-Hawaj, dass deren Familien nur über die staatlichen Medien von der Ermordung erfahren haben. Für jeden einzelnen von ihnen wird in dem Beitrag berichtet, welcher „Behandlung“ er unterzogen wurde. Was schlicht und ergreifend mit einem Wort zusammen gefasst werden kann: Folter.

Saudi Arabia said they confessed. But court filings show some executed men protested their innocence“ von Tamara Qiblawi und Ghazi Balkiz am 26. April 2019 bei CNN externer Link ist ein exklusiver Beitrag des Senders, der anhand „aufgefundener“ Gerichts- und Polizeiakten die Foltervorwürfe nachweist. Und berichtet, dass einige der Opfer dem trotz allem Stand gehalten haben.

„Fluchtgrund Kurzhaarschnitt“ von Oliver M. Piecha am 26. April 2019 in der jungle world externer Link macht deutlich, dass keineswegs nur angebliche Terroristen unter dem Saud-Regime in Lebensgefahr sind: „… Am Dienstagabend vor der Osterwoche meldeten sich zwei junge saudische Schwestern, Maha und Wafaa al-Subaie, aus der georgischen Hauptstadt Tiflis mit einem Hilferuf per Twitter: Sie seien aus Saudi Arabien geflohen, ihre Pässe seien für ungültig erklärt worden, und ihnen drohe zuhause die Tötung. Auch in Georgien seien sie nicht sicher. Nach einem Tag und einer ganzen Reihe weltweiter Pressemeldungen verstummte der Twitteracount plötzlich. Mittlerweile sind die beiden Schwestern wieder online, ihr ursprünglicher Account ist wohl gesperrt worden, die georgischen Behörden haben ihre Hilfe zugesagt. Als Grund für ihre Flucht nannten sie Gewalt in der Familie und die Unfreiheit in ihrem Land, tatsächlich hatten sie mit ihrem Aufenthalt in Georgien bereits gegen das saudische Vormundschaftsgesetz verstoßen, das Frauen die Ausreise erst nach Zustimmung ihres Vormundes erlaubt – in der Regel der Ehemann oder der Vater. Ohne dessen Zustimmung kann keine Frau reisen, heiraten oder eine Arbeit aufnehmen. Und hierbei geht es wohlgemerkt um erwachsene Frauen, die beiden Schwestern sind 25 und 28 Jahre alt…“

„Saudi Arabia to host G20 leaders‘ summit in November 2020“ am 17. April 2019 bei Al Jazeera externer Link ist die Meldung über den Beschluss, den G20-Gipfel im Jahr 2020 in Saudi Arabien abzuhalten.

„Saudi Arabia has attracted $43bn of foreign investment in four years, says official report“ am 20. Februar 2019 bei den Arab News externer Link berichtet von ausländischen Investitionen in Saudi Arabien von 43 Milliarden Dollar in vier Jahren. Die Summe errechne sich aus 493 Einzelinvestitionen von 391 Unternehmen. Was dem Artikel folgend ungefähr 10% der anvisierten Summe im Rahmen des National Industrial Development and Logistics Program darstellt, einem Kernbestandteil der sogenannten „Vision 2030“.

„Reform ohne Liberalisierung: Die Präsidentialisierung Saudi-Arabiens“ von Anna Sunik im GIGA Fokus Nahost Nr 1/2019 externer Link (April 2019) zum berüchtigten Reformprinzen und der saudischen Realität in drei Punkten zusammenfassend (ohne auf die im folgenden ausgesprochenen Empfehlungen einzugehen): „… Die eingeleiteten innenpolitischen Reformen zielen darauf ab, die traditionellen Machtbereiche zu beschneiden und auf den Thronfolger auszurichten. Obwohl viele der Reformmaßnahmen Zuspruch in der Bevölkerung fanden, bergen sie Risiken für das Königreich. Langfristig könnten dadurch alle drei traditionellen Stabilitätssäulen – die königliche Familie, die Öleinkommen und die religiöse Legitimation – gleichzeitig unter Druck geraten. / Die saudische Außenpolitik ist proaktiver und militarisierter geworden, wie die saudische Rolle im Jemen-Krieg und bei der Blockade Katars zeigt. Darin spiegelt sich ein neues Selbstverständnis des Königreiches als regionale Großmacht mit strategischen Interessen wider. / Die bisher von Mohammed bin Salman betriebene Machtkonzentration auf ­seine Person, die Verschärfung offener Repression, eine Rhetorik des Fortschritts sowie die Regionalmachtaspirationen lassen eine Präsidentialisierung des Königreiches erkennen. Dies ist allerdings nicht als politische Liberalisierung oder gar Demokratisierung zu verstehen. Vielmehr soll das saudische Herrschaftssystem modernisiert und verschlankt werden, um die Macht zugunsten einer Person, des Thronfolgers, langfristig zu konsolidieren…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=147932
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