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Saudi-Arabien

Mit Mord und Totschlag wird in Saudi Arabien weiter regiert. Und, allseits: Kassiert

saudi_arabias_new_flagUngefähr zu jener Zeit, als in Ankara der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan beginnt, über die Ermordung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi zu sprechen, wird am Dienstag im großen Ballsaal des Ritz Carlton in Riad ein schwerer Tisch mit goldenen Ornamenten auf die Bühne getragen. „Es geht hier auf dem Future Investment Forum nicht nur um philosophische Fragen, sondern auch darum, Geschäfte zu machen“, sagt Moderator Naser el-Tibi, der sonst für den regierungstreuen Fernsehsender al-Arabiya arbeitet. „Die Unterzeichnung von Verträgen und Absichtserklärungen wird die Attraktivität des Königreichs Saudi-Arabien für Investoren herausheben“, ruft er. Mehr als zwei Dutzend Verträge, Gesamtwert: mehr als 50 Milliarden Dollar. Manche der Deals waren zuvor schon bekannt, aber die Botschaft ist klar: Trotz des schwerwiegenden Verdachts, dass Khashoggi getötet wurde auf Anweisung höchster Kreise, ja vielleicht des mächtigen Kronprinzen Mohammed bin Salman höchst selbst, ist Saudi-Arabien weltweit ein gefragter Geschäftspartner, hat die Monarchie viele Freunde, auch im Ausland, obwohl sich westliche Partner im Moment lieber nicht öffentlich mit ihren Vertretern zeigen wollen…“ aus dem Bericht „Milliardendeals unterm Kronleuchter“ von Paul-Anton Krüger am 23. Oktober 2018 in der Süddeutschen Zeitung Online externer Link, wozu noch zu ergänzen wäre, dass es eine ganze Reihe von Berichten gibt, denen zufolge verschiedene Unternehmen, deren oberste Chefs ihre Teilnahme abgesagt hatten, durchaus vertreten waren… Siehe dazu vier Beiträge zur aktuellen Repression in Saudi Arabien (während und nach dem Kapitalistengipfel) und zwei Beiträge zur permanenten Kooperation:

  • „Interview with Ali Adubisi, Director of the European Saudi Organization for Human Rights“ am 24. Oktober 2018 bei der AMS externer Link ist ein Gespräch mit dem Vertreter der saudischen Menschenrechtsorganisation im Exil (versteht sich) über den „Fall“ Israa al-Ghomgham, kurz vor dem folgenden nächsten Verhandlungstermin im Prozess gegen die Aktivistin. Sie war seit 2011 in Qatif aktiv, sowohl für frauenrechte, als auch für allgemeine demokratische Rechte und wurde 2015 im Zuge einer repressionswelle in dieser Stadt, die traditionell ein Zentrum demokratischer Bestrebungen sei, festgenommen. Zusammen mit ihrem Ehemann, einem Fotografen und vier weiteren Aktivistinnen. Sie könnte die erste Frau werden, die vom berüchtigten Sondergerichtshof für Terrorismus – der direkt dem sogenannten König untersteht – zum Tode verurteilt wird.
  • „Arrested in Saudi Arabia, and then disappeared: Yemeni writer Marwan Almuraisy“ am 26. Oktober 2018 bei Global Voices externer Link ist ein Beitrag über den seit Monaten (ohne weitere Information, auch nicht für Angehörige) nach seiner Festnahme verschwundenen jemenitischen Schriftsteller Al Muraisy, der seit langem in Saudi Arabien lebte und vor allem über Wissenschaft und Technik publizierte. Dass nun auch Menschen verfolgt werden, die nicht zum Kreis der seit langem verfolgten Menschenrechtsaktivisten gehören ist eine „Neuerung“  des als Reformer gepriesenen Bin Salman, dessen Bestreben es offensichtlich ist, nur noch Publikationen zuzulassen, die von seienm Regime direkt kontrolliert werden.
  • „Das Geschäft in Riad läuft“ von Knut Mellenthin am 24. Oktober 2018 in der jungen welt externer Link berichtet über Geschäfte, zeitgleich mit der Repression: „Mit den Konferenzen der FII möchte Saudi-Arabien eine Alternativveranstaltung zu den alljährlichen Weltwirtschaftsgipfeln im Schweizer Nobelkurort Davos schaffen. Die saudische Propaganda versucht deshalb, den Namen »Davos in der Wüste« zu popularisieren. In erster Linie geht es jedoch nicht um die Weltwirtschaft, sondern um die Bemühungen der Saudis, ausländische Investoren für ihr Zukunftsprogramm »Vision 2013« zu gewinnen. Im Spiel sind dabei Geschäftsvolumina von mehreren hundert Milliarden, insgesamt sogar mehr als eine Billion Dollar. Das erklärte Ziel besteht darin, das Land vom Erdölexport unabhängig zu machen, indem die industrielle Produktion und international anzubietende Dienstleistungen vorangetrieben werden. (…) Um ein »Debakel« für die Gastgeber, wie manche deutschen Magazine schrieben, handelt es sich dennoch nicht. Die Liste der Absagen – unter anderem Spitzenmanager der weltweit einflussreichsten Unternehmen und Banken – dokumentiert zunächst nur, wie groß das Interesse an der Konferenz war, bevor die Ermordung Dschamal Chaschukdschis eine symbolische Distanzierung vom Saudi-Regime erzwang. Viele Akteure teilten keine Begründung für ihr Nichterscheinen mit, andere gaben dieses nicht einmal öffentlich bekannt. Ihr Fehlen ergibt sich nur vermutungsweise aus von den Saudis vorab verbreiteten Teilnehmerlisten. Die meisten Banken, Konzerne und Investorengruppen, deren Chefs demonstrativ nicht nach Riad reisten, sind bei der Konferenz dennoch durch hochrangige Manager präsent. Kaum jemand will wegen der Ermordung eines oppositionellen Journalisten aus dem zukunftsträchtigen Geschäft mit den Saudis aussteigen. Erst recht nicht, nachdem man deren seit 2015 geführten Krieg im Jemen, der dort die derzeit weltweit schlimmste humanitäre Katastrophe ausgelöst hat, bis jetzt konsequent ignoriert hat…“
  • „Man schießt deutsch (II)“ am 01. Oktober 2018 bei German Foreign Policy externer Link ist ein Beitrag, der über die Information über aktuelle Waffendeals hinaus auch ein Licht auf Strukturen der Zusammenarbeit der BRD mit dem saudischen Regime wirft: „Parallel zur Bereinigung diplomatischer Streitigkeiten mit Saudi-Arabien genehmigt die Bundesregierung neue Rüstungsexporte in das Land. Während Außenminister Heiko Maas vergangene Woche mit einer Entschuldigung für kritische Äußerungen seines Amtsvorgängers Sigmar Gabriel den Weg für die Rückkehr des saudischen Botschafters in die Bundesrepublik bereitete, hat Berlin die Ausfuhr von Artillerieortungsradarsystemen nach Riad genehmigt. Parallel treibt ein Ex-Rheinmetall-Manager den Aufbau der saudischen Rüstungsindustrie voran. Der von ihm geführte Konzern SAMI (Saudi Arabian Military Industries) soll – basierend darauf, dass Riad über den drittgrößten Militäretat der Welt verfügt – zu einem der 25 größten Rüstungskonzerne weltweit aufsteigen. SAMI strebt dazu unter anderem ein Joint Venture mit der südafrikanischen Rüstungsfirma Denel an, die ihrerseits eng mit Rheinmetall kooperiert. Rheinmetall Denel Munition will Berichten zufolge große Mengen an Munition an die Vereinigten Arabischen Emirate liefern; diese kann im Krieg im Jemen verschossen werden…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=139330
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