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Neue Morde an Studierenden in Mexico – neue Kritik an politisch Verantwortlichen

mexiko-verschwindenlassen.de: Donde Estan?Nach Bekanntwerden des Todes der drei vermissten Filmstudenten Javier Salomón Gastélum (25), Marco Ávalos (20) und Jesús Daniel Díaz (20) ist es am Dienstag in der Hauptstadt des mexikanischen Bundesstaates Jalisco zu Protestmärschen gekommen. Die Beteiligten forderten Gerechtigkeit für die drei ermordeten Studenten, die mutmaßlich Opfer des Drogenkartells Jalisco Nueva Generación wurden. Am 19. März verschwanden in Jalisco drei Studenten der Universidad de Medios Audiovisuales. Für ein Filmprojekt befanden sie sich in einer kleinen Hütte in Tonalá, die zuvor einmal im Besitz einer kriminellen Gruppe war. Mutmaßliche Mitglieder des Kartells Jalisco Nueva Generación beobachteten sie. Auf dem Rückweg nach Guadalajara hielten mehrere bewaffnete Männer das Auto der Studenten an und entführten, folterten und ermordeten sie. Ihre Leichen wurden anschließend in Säure vernichtet. Überreste der drei Filmstudenten wurden in den vergangenen Tagen entdeckt. Empörung und Frustration über einen weiteren Fall von entführten und ermordeten Studenten in ihrem Land brachte am Dienstag viele Mexikaner in Guadalajara zu einer Demonstration zusammen. Mit Parolen wie „Ruhet in Frieden, denn den gibt es hier in Jalisco nicht“ gingen sie auf die Straßen. Es wurde auch an die 43 Studenten aus Iguala erinnert, die seit 2014 verschwunden sind und Gerechtigkeit für die Todesopfer gefordert. Zudem wurde der Rücktritt von Gouverneur Aristóteles Sandoval verlangt“ – so beginnt der Beitrag „Proteste in Mexiko nach Morden an Filmstudenten“ von Nane Kley am 27. April 2018 bei amerika21.de externer Link über ein neues Kapitel der Repression in dem Land, dessen Präsident sich bei seinem Besuch in der BRD Protesten gegenüber sah (nicht von Seiten politisch Verantwortlicher in der BRD, versteht sich, Mexico ist ja, unter anderem, auch Markt „unserer“ Waffenindustrie…). Zu Repression und Protest in Mexico zwei weitere aktuelle Beiträge, ein Hintergrundbeitrag und ein Bericht über den Protest in Hannover beim Besuch des mexikanischen Präsidenten, sowie ein gewerkschaftlicher Solidaritätsaufruf:

  • „“Es sind nicht drei, es sind wir alle““ von Dieho Zuniga am 27. April 2018 bei der Deutschen Welle externer Link kommt zur Schlussfolgerung ausgerechnet bundesdeutsche Unternehmen könnten bei Veränderung helfen, nach all den Jahren, in denen sie an solchen Verhältnissen „so gut verdient“ haben: „Auf den landesweiten Protestmärsche hörte man immer wieder einen Ruf: „Es sind nicht drei, es sind wir alle“. Die Demonstrationen, vor allem in Guadalajara und in Mexiko-City haben für internationale Aufmerksamkeit gesorgt. „Aber niemand hat einen Lösungsvorschlag, der der Komplexität des Problems gerecht wird“, meint Bartelt. Die Zivilgesellschaft verlangt, dass der Staat etwas tut. Aber der Staat hat laut Bartelt ein schwerwiegendes  Problem: „Mexiko ist ein demokratisches Land mit funktionierenden Institutionen und Mitglied der OECD. Trotzdem gibt es beträchtliche Teile des Landes, über die der Staat die Kontrolle verloren hat“. Wie kann da eine Lösung aussehen? Der Vertreter der Heinrich-Böll-Stiftung ist überzeugt, dass die internationale Gemeinschaft aktiver werden muss. „Deutschland hat über 2000 Unternehmen, die in Mexiko investieren. Ein Teil ihrer Verantwortung besteht darin, auf diplomatischem Wege alles Menschenmögliche zu tun, um mehr Druck auf die mexikanische Regierung auszuüben. Bartelt, der zuvor mehrere Jahre in Rio de Janeiro gelebt hat, sagt, dass er ein Ausmaß der Gewalt wie jetzt in Mexiko noch nie in seinem Leben gesehen hat: „Hier wird jeden Tag ein Bürgermeister umgebracht““.
  • „Ein schrecklich moderner Staat“ von Wolf-Dieter Vogel am 27. April 2018 in der taz externer Link kommentiert dies ziemlich anders: „Die Angehörigen der 43 in Mexiko verschwundenen Studenten warten schon 43 Monate darauf, dass der Verbleib ihrer Söhne aufgeklärt wird. 43 Monate, in denen die Strafverfolger alles dafür getan haben, zu vertuschen, was tatsächlich hinter dem Angriff steckt. Vieles spricht dafür, dass Militärs und Bundespolizisten in den Fall verwickelt sind – und das passt gar nicht in das Bild des modernen Mexiko, das Präsident Enrique Peña Nieto letztes Wochenende auf der Hannover-Messe gegenüber Kanzlerin Merkel zeichnete. Für das Verschwinden sollen lediglich lokale Polizisten und Kriminelle verantwortlich sein. Aus diesem Grund hat die Generalstaatsanwaltschaft bereits drei Monate nach dem Angriff eine „historische Wahrheit“ verkündet. Sie wollen keine historischen Wahrheiten, stellten deshalb am Donnerstag zu Recht tausende Demonstranten klar, die für die Aufklärung der jüngst verübten Morde an drei Filmstudenten auf die Straße gegangen sind. Der Fall zeigt einmal mehr, dass das Verschwindenlassen jeden treffen kann und in allen Regionen stattfinden kann, die von der organisierten Kriminalität kontrolliert werden. (…)In Peña Nietos Amtszeit sind bereits über 100.000 Menschen ermordet worden, mehr als je zuvor in der neueren Geschichte des Landes. 35.000 Personen gelten als verschwunden. Die meisten Fälle bleiben straflos, weil korrupte Beamte eine Aufklärung bewusst verhindern oder gleichgültig hinnehmen. Dessen ungeachtet preist der Präsident Mexiko als demokratischen Investitionsstandort an, in dem Menschenrechte eine große Rolle spielen. Wer dieser Lügengeschichte wie Merkel zustimmt, um dann zum Geschäftlichen überzugehen, leidet an Realitätsverlust und läuft Gefahr, sich mitschuldig zu machen“.
  • „Die Treuen des Gouverneurs“ ebenfalls von Wolf-Dieter Vogel am 12. April 2018 in der jungle world externer Link war ein Beitrag nach dem Verschwinden der drei Filmstudenten, vor der Auffindung ihrer Überreste, in dem Kriminalität und politische Verantwortung Thema sind: „33 150 Personen gelten nach offiziellen Angaben als vermisst, statistisch betrachtet verschwinden 14 Menschen pro Tag. Bäuerliche Aktivisten und kri­tische Journalistinnen sind ebenso Opfer wie Studentinnen, Migrantinnen, Landarbeiter, Prostituierte und Touristen. Kaum ein Fall wird strafrechtlich verfolgt, deshalb weiß man fast nichts über die Hintergründe der Taten. Die Erklärungen der Strafverfolger, die die meisten der Verbrechen ausschließlich der organisierten Kriminalität zuschreiben, führen genauso wenig weiter wie Deutungsmuster nicht weniger Linker, die das Verschwindenlassen in erster Linie als staatsterroristischen Akt gegen Oppositionelle interpretieren. Außer Zweifel steht jedoch, dass häufig Ordnungskräfte, Behörden und Kriminelle gemeinsame Sache machen. Eine für mexikanische Verhältnisse ungewöhnliche Ermittlung im Bundesstaat Veracruz bringt etwas Licht ins Dunkel. Anfang Februar erließ dort eine Richterin Haftbefehl gegen 19 führende Beamte und Politiker. Diese sollen innerhalb des Polizeiapparats für zwei Todesschwadronen verantwortlich oder an ihren Aktionen beteiligt gewesen sein, die unter dem Befehl des damaligen Gouverneurs Javier Duarte standen. Überlebende bezeugen, dass die Gruppen systematisch Menschen folterten und in geheimen Gräbern verscharrten, angeblich weil sie der kriminellen ­Organisation Los Zetas angehörten“.
  • „Proteste gegen Mexikos Regierung bei Eröffnung der Hannover Messe“ von Leticia Hillenbrand am 26. April 2018 bei amerika21.de externer Link berichtet aus Anlass der gemeinsamen Messeeröffnung der Regierungen der BRD und Mexicos: „Für Deutschland ist Mexiko der wichtigste Handelspartner in Lateinamerika. „Mexiko hat gute Infrastrukturen. Der große Binnenmarkt des Landes und die enge Einbindung in die Weltwirtschaft machen Mexiko zu einem wichtigen Standort für die deutsche Wirtschaft“, betonte Merkel in ihrer Eröffnungsrede.  Währenddessen protestierten Aktivisten und Mitglieder von Amnesty International vor dem Messegelände. Sie prangerten die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen im Land an und kritisierten, dass Deutschland und die EU Handelsabkommen mit Mexiko abschließen, ohne auf die Lage vor Ort zu achten. Die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel von der Partei Die Linke kritisierte, die Große Koalition hat ‚fairen Handel‘ versprochen, das Globalabkommen mit Mexiko ist unfair und unverantwortlich“, so ihre Pressemitteilung. Weitere Kritik kam von der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko. Deutschland solle den Besuch von Peña Nieto dazu nutzen, kritisch zu hinterfragen, wie er die Straflosigkeit im Land bekämpfen und die Menschenrechtslage verbessern wolle“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=131386
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