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Die Streikbewegung in Nordmexiko: Entwicklung, Stand und Konsequenzen

Die Streikkundgebung der Maquilabeschäftigten in Nordmexiko am 20.1.2019 in Matamoros„… Die Streiks stellen in verschiedener Hinsicht eine Besonderheit dar: Erstens begannen sie als sogenannte „wilde“ Streiks, also ohne Aufruf einer Gewerkschaft. Das ist auch deswegen entscheidend, weil die Tendenzen zur Selbstorganisation in Form von Räten, unabhängigen Gewerkschaften oder Komitees neue Perspektiven für die mexikanische und die gesamtamerikanische Arbeiterbewegung bieten. Zweitens beziehen sie sich auf die Politik von Staatspräsident López Obrador (oft AMLO genannt) und seine Partei Morena, sind also durchaus als politische Streiks zu betrachten, denn sie fordern die Einhaltung des Gesetzes zum Mindestlohn, es geht also um mehr als um einen klassischen Tarifstreit. Drittens haben sie mehrere Ausweitungen erfahren, sind tendenziell grenzüberschreitend und haben damit, wenn auch teilweise indirekt, Globalisierung, Freihandel und Migration zum Thema. Und viertens war die spontane Bewegung erfolgreich. Die Zahlen schwanken, aber mindestens 40, laut einer AP-Meldung sogar 44, der bestreikten Unternehmen haben die Forderungen der Streikenden nach Lohnerhöhung und Einmalzahlung Anfang Februar 2019 vollumfänglich akzeptiert. Dies ist der wesentlichen Hintergrund für die Ausweitung der Streikwelle. Anfang Februar dieses Jahres begannen Supermärkte und Unternehmen der Textilindustrie in Tamaupilas, sich die gleichen Forderungen auf die schwarz-roten Streik-Fahnen zu schreiben. Am 29. Januar schlossen sich 700 Arbeiter*innen der lokalen Coca Cola-Abfüllanlage ARCA Continental Planta Noreste an, etwa gleichzeitig traten 400 Arbeiter*innen aus drei lokalen Stahlwerken in den Streik sowie Matamoros’ Haupt-Milchlieferant Leche Vaquita und die Müllabfuhr der Stadt. Etwa 90 Kilometer von Matamoros entfernt, in der Grenzstadt Reynosa, begannen Anfang Februar 8.000 Arbeiter*innen in 45 Fabriken einen Streik, auch Angestellte in der Hauptstadt des Bundesstaates Tamaupilas, Ciudad Victoria, drohten mit Ausstand. Landesweit wollten sich Walmart-Angestellte der Bewegung anschließen. Der zuständige Gewerkschaftssektor CROC, der 90.000 dieser Arbeiter*innen organisiert, gab am 20. März eine entsprechende Streikankündigung heraus. Der Streik wurde durch die Schlichtungsverhandlungen verhindert. „Arbeiter […] von Tijuana bis Ciudad Juarez schauen auf die mutigen Aktionen der Arbeiter aus Matamoros. Die Arbeiter denken darüber nach, ihrem Beispiel zu folgen, und natürlich befürchten die Unternehmer genau das.“ sagt Julia Quiñonez vom Komitee der Arbeiterinnen in der Grenzregion…“ – aus dem Beitrag „EIN TAG OHNE ARBEITER*INNEN“ von Torsten Bennewitz in der Ausgabe vom April 2019 (Nummer 538) der Lateinamerika Nachrichten externer Link, der einen zusammenfassenden Überblick über diese besondere Streikbewegung gibt und ihre „Nachwirkungen“ in anderen Bereichen und Gegenden skizziert. Siehe zu Stand, Entwicklung und Konsequenzen aus dieser Streikbewegung zwei weitere Beiträge und der Hinweis auf unseren bisher letzten Bericht zu Nordmexiko:

  • „Lehren aus der Rebellion der Arbeiter von Matamoros: Dritter Teil“ von Andrea Lobo am 13. April 2019 bei wsws externer Link ist, wie der Titel besagt, der dritte Teil einer Artikelreihe zur Streikbewegung in Nordmexiko (mit Links zu den beiden ersten Teilen), worin die Rolle der Gewerkschaften (vor allem bei der Beendigung der Streiks) im Mittelpunkt steht, aber auch ein detaillierter Überblick über die Streiks außerhalb der Autozulieferer gegeben wird: „Am 25. Februar begann eine dritte Streikwelle, als 400 Metallarbeiter bei Sigosa, Seyco Joits und Sistemas Estructurales y de Construcción in Matamoros den Kampf aufnahmen. In diesen Betrieben ist die Bergarbeitergewerkschaft aktiv, die lokal von Javier Zuñiga und national von Senator Gómez Urrutia angeführt wird. Die Arbeiter forderten die 20-prozentige Erhöhung und einen Bonus von 48.000 Pesos (2.260 Euro). In Ciudad Victoria streikten etwa 500 Arbeiter von Spring Window Fashion und forderten den Austritt aus der Gewerkschaft. Zu diesem Zeitpunkt waren noch 15 maquiladoras aus der zweiten Welle im Streik. Allerdings hatten eine Woche später alle außer drei maquiladoras und die Coca Cola-Abfüllanlage dem 20/32-Paket zugestimmt. Die Befürchtung, dass sich die Streiks zusammenschließen und ausbreiten könnten, war weitgehend der Grund für die Entscheidung der Unternehmen, den 20/32-Deal zu akzeptieren. In den folgenden zwei Tagen führten 2.900 Metallarbeiter auf zwei Werften von Dragados Offshore, einem Hersteller von Bohrplattformen in Altamira (Tamaulipas) und Pueblo Viejo (Veracruz), spontane Streiks durch, die Lohnerhöhungen um bis zu 100 Prozent forderten. Am 28. Februar wurde eine Streikankündigung an der Autonomen Universität von Mexiko (UACM) verschoben, wo die Arbeiter eine Erhöhung um 12 Prozent fordern. In dieser Woche sah sich der Revolutionäre Verband der Arbeiter und Bauern (CROC) gezwungen, eine Streikankündigung für 90.000 Walmart-Arbeiter im ganzen Land einzureichen, mit dem Ziel, eine Erhöhung um 20 Prozent zu erreichen. Alle diese Kämpfe blieben unter der Kontrolle der Gewerkschaften, und sie waren alle schnell ausverkauft. Die Bergarbeitergewerkschaft hat sich jedem Kampf gegen die drohende Schließung der drei metallverarbeitenden Werke in Matamoros widersetzt. Die Mitarbeiter von Spring Window Fashion wurden überredet, einfach in eine andere Gewerkschaft innerhalb der CTM zu wechseln. Die Gewerkschaft der UACM verschob den Streik auf unbestimmte Zeit, nachdem die Beschäftigten einen Vertrag abgelehnt hatten, der gerade mal eine Erhöhung von 5,47 Prozent vorsah. Schließlich schlug CROC den Streik bei Walmart nieder und stimmte einer Erhöhung um 5,5 Prozent zu…“
  • „Mexico: a victorious general strike in 92 maquiladoras“ von der CSR am 16. März 2019 bei Europe Solidaire externer Link dokumentiert, ist ein Beitrag zur Bewertung dieser Streikbewegung, der sowohl die Rolle der traditionellen Gewerkschaften darstellt, als auch die Versuche der mexikanischen Regierung, die Streikbewegung zu beenden. Darin wird dann die Position vertreten, die unabhängige Gewerkschaftsbewegung Mexikos müsse diese Bewegung mit aller Kraft unterstützen, wobei vor allem die Verbände NCT, UNT),  die neue Föderation CIT, rund um die Bergarbeitergewerkschaft gegründet und eben auch die Opposition der Gewerkschaft der LehrerInnen, die CNTE zu dieser Unterstützung aufgerufen werden.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=147538
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