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Der Tod eines Fischhändlers: Marokko im Aufruhr

Dossier

Marokko: Justice NOW for Mouhcine FikriMohsin Fikri starb am Freitagabend. Er war Fischhändler in al-Hoceima, einer Stadt in der ärmeren Rif-Region in Nord-Marokko. Nachdem seine Ware von der Polizei beschlagnahmt und in den Container eines Müllfahrzeugs geworfen worden war, stellten er und zwei weitere Personen sich aus Protest mit hinein. Den Polizisten war es egal. Einer von ihnen soll den Fahrer aufgefordert haben, die Müllpresse anzuwerfen. Zwei konnten entkommen, Fikri wurde erdrückt“ – so beginnt der Artikel „Nach dem Tod von Mohsin Fikri: Weitere Proteste in Marokko“ von Mohamed Lamrabet am 01. November 2016 bei Al Sharq externer Link, der sowohl mit zahlreichen Links von vielen solchen Polizeibrutalitäten berichtet, als auch das System politischer Unterdrückung dahinter verdeutlicht, sowie die – dazu gehörende – wirtschaftliche Situation des Landes, eben auch der gesamten Fischerei. Siehe dazu weitere aktuelle Beiträge:

  • Proteste in Marokko gehen weiter: Münden sie zusammen?New
    Drei Wochen nach dem grausamen Tod eines Fischverkäufers in einem Müllwagen in Marokko haben im Norden des Landes erneut hunderte Menschen gegen soziale Ungerechtigkeit protestiert. Die Demonstranten in der Stadt Al-Hoceima forderten am Samstag in Sprechchören „Freiheit“ und „Gerechtigkeit“. Sie riefen außerdem „Lang lebe das Volk“ und warfen dem Königshaus vor, die Menschen zu „demütigen“. An der Protestkundgebung beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter 3.000 Menschen, die Stadtverwaltung sprach von 800 Teilnehmern“ – so beginnt der Bericht „Es brodelt in der Berberregion“ am 20. November 2016 bei der taz externer Link dokumentiert (eine afp-Meldung), worin auch auf die Kontinuität zu den Protesten im damaligen arabischen Frühling verwiesen wird. Siehe dazu einen weiteren aktuellen und einen Hintergrundbeitrag:

    • „Nach dem Tod von Mohsin Fikri: Weitere Proteste in Marokko“ von Mohamed Lamrabet am 01. November 2016 bei Al Sharq externer Link, worin es etwa zu den ökonomischen Hintergründen der aktuellen Entwicklung heißt: „2014 hat Marokko einen Fischfangvertrag mit der EU ausgehandelt. Für gerade einmal 30 Millionen Euro sollen in den nächsten Jahren bis zu 120 Schiffe aus 11 Ländern der EU vor der marokkanischen Küste Fischfang betreiben dürfen. Teil des Vertrags waren auch Initiativen zur Förderung der Menschenrechte. In Anbetracht der strukturellen Ausbeutung scheinen sie allerdings nicht mehr als Augenwischerei zu sein. Denn nur noch wenige Marokkaner_innen können heute noch vom Fischfang leben. Entweder ist es ihnen verboten – oder es ist nichts mehr übrig. “Früher habe ich so viel Fisch gefangen, ich konnte meine armen Nachbar_innen mit ernähren”, erzählt ein Fischhändler in Tamasint, Al-Hoceima, der niederländischen Aktivistin Mariam El-Maslouhi. Diese Zeiten sind augenscheinlich vorbei. Das Geschäft ist ruchlos. Als 2008 Proteste in der Fischerstadt Sidi Infi ausbrachen, wurden zehn Fischer von der Polizei getötet
  • Der Propagandacoup des marokkanischen Regimes in Gefahr: Proteste zum Klimagipfel
    Das nennt sich schlechtes Timing. Aus Sicht des marokkanischen Regimes kamen die Proteste, die am Wochenende des 29./30. Oktober ausbrachen und vor allem die berbersprachige Nordprovinz des Landes erfassten, nun wirklich „echt ungelegen“. Drohten sie ihm doch die große internationale Show kaputt zu machen, die das monarchische, feudal-kapitalistische Regime sich so schön ausgemalt hatte. Seit einem Jahr hatte es die internationale Klimakonferenz COP22, zu der Vertreterinnen und Vertreter von 196 Staaten erwartet wurden, vorbereitet. Diese fand vom 07. bis zum Freitag, den 18. November dieses Jahres in Marrakesch statt. In ihrem Vorfeld hatte Marokko sich als internationalen Musterschüler in Sachen Klimaschutz zu profilieren versucht und angekündigt, seine CO2-Emissionen bis im Jahr 2030 um 32 Prozent zu reduzieren. Riesige Solarenergie-Anlagen, die durch das Klima vor allem im wüstenhaften Süden Marokkos oder im Atlasgebirge begünstigt werden, sollen es möglich machen. Dass Opposition, etwa  gegen die Klimapolitik der Großmächte, im Vor- und Umfeld der Konferenz weitgehend unterdrückt wurde und etwa die sehr aktive Vereinigung ATTAC-Marokko mit Versammlungsverboten überzogen wurde, sollte dabei in den Hintergrund rücken. (Eine oppositionelle Kundgebung fand jedoch am 11. November statt, an der auch Christine Poupin aus der französischen radikalen Linken teilnahm. Auch zuvor war es zu eigenständigen Aktivitäten aus der marokkanischen Zivilgesellschaft gekommen“  – so beginnt der Beitrag von Bernard Schmid vom 18. November 2016 : „Marokko: Soziale Proteste nach dem Tod eines Fischhändlers, Erwachen der Opposition, Saharabesatzung und soeben zu Ende gegangene Klimakonferenz“ (ursprünglich in kürzerer Fassung am 15. November bei „analyse und kritik“ – wir danken dem Autor!
  • Marokko: Horga macht noch keinen Aufstand
    „In Marokko gab es nach dem Tod eines Fischverkäufers landesweit Proteste gegen Polizeiwillkür und Machtmissbrauch. Sie erinnern an die Aufstände des »arabischen Frühlings« vor mehr als fünf Jahren, doch vom Umsturz der Verhältnisse ist kaum die Rede. (…) Dass nun, fünf Jahre nach dem »arabischen Frühling«, erneut Proteste aus ähnlichem Anlass ausbrechen, zeigt, dass viele der Probleme keineswegs ­gelöst sind: Die Arbeitslosigkeit, gerade unter Jugendlichen, ist weiterhin hoch. Die Kluft zwischen einer kleinen Schicht, die von Privatisierungen und wirtschaftsliberalen Umstrukturierungen der vergangenen Jahre profitiert hat, und vielen anderen, die dadurch noch mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, ist auch in Marokko größer geworden. Aus den ländlichen Gegenden strömen die Armen in die Städte. Dort hat die Gentrifizierung eingesetzt, Investoren aus den Golfstaaten und Europa bauen Luxusresorts und Eigentumswohnungen für zahlungskräftige Kunden. Dass für die sozialen Probleme weiterhin eine Lösung aussteht, zeigt sich auch daran, dass es seit 2011 immer wieder zu Selbstverbrennungen kam, zuletzt zündete sich im April eine Straßenverkäuferin an, nachdem die Polizei ihren Kuchen beschlagnahmt hatte. Dass es deshalb zu einem »marokkanischen Frühling« oder auch nur einer Ausweitung der Proteste kommt, ist dennoch höchst unwahrscheinlich. Die »Bewegung 20. Februar« existiert nur noch in Form einzelner Zusammenschlüsse und in den sozialen Netzwerken. Sie hatte schon während ihres ersten Jahres an Mobilisierungskraft verloren…“ Artikel von Juliane Schumacher in der Jungle World vom 10. November 2016 externer Link
  • Marokko: Arabischer Frühling 2.0?
    Proteste nach Fikris Tod in ganz Marokko - hier am 30.10.2016 in Rabat
    „… Seit einer Woche kommt es in den wichtigen Städten Marokkos, ausgehend von Al-Hoceima, zu Demonstrationen und Protesten, auch am Samstag gingen wieder tausende Menschen in Al Hoceima und in Nador auf die Straße. Den Funken bildete der grausame Tod des 31-jährigen Mouhcine Fikri. Die Proteste kommen für das autokratische Königreich zur Unzeit, denn heute begann der Weltklimagipfel im marokkanischen Marrakesch, auf dem die Details für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens ausgehandelt werden, sollen das gerade in Kraft getreten ist. Fast täglich kommt es seit vergangenem Freitag zu Demonstrationen im Land, nachdem der Fischverkäufer in einem Müllauto zerquetscht wurde. Die Vorgänge kontrastieren seither gehörig das Bild, mit dem sich das autokratische Königreich bis zum 18. November vor der Weltöffentlichkeit zu präsentieren versucht. Fikri verlor sein Leben, weil er zu verhindern versuchte, dass die Polizei die von ihm im Hafen gekaufte Ware vernichtet. Denn, anders als gesetzlich vorgesehen, sollte die halbe Tonne illegal gefischter Schwertfisch nach der Beschlagnahmung nicht den Armen zukommen, sondern auf dem Müll landen. Das führte letztlich zum tragischen Tod des jungen Mannes und wurde zum Funken für das größte Aufbegehren seit den Protesten im Rahmen des Arabischen Frühling vor sechs Jahren im Land…“ Beitrag von Ralf Streck vom 7. November 2016 bei Telepolis externer Link
  • Proteste in Marokko nach Tod eines FischhändlersRegime hat Angst vor sozialer Revolte zum COP 22 Gipfel
    Der Tod des Fischhändlers Mohsin Fikri treibt die Menschen in Marokko auf die Straße. Die Polizei hatte seine Ware beschlagnahmt und in den Container eines Müllfahrzeugs geworfen. Der Fischhändler hatte sich dann aus Protest selber in das Müllfahrzeug gestellt und wurde Opfer der Müllpresse. Über den Fall, die folgenden Proteste, die Reaktion der Regierung und gezogene Vergleiche zum Fall Mohamed Bouazizi, dessen Tod in Tunesien, den sogenannten Arabischen Frühling mitausgelöst hat, sprachen wir mit dem freien Journalisten Bernard Schmid.“ Interview vom 4. November 2016 beim Radio Dreyeckland externer Link Audio Datei – das Freie Radio im Südwesten
  • „Elf Verdächtige festgenommen“ am 01. November 2016 bei der taz dokumentiert externer Link ist eine afp-Meldung, in der es unter anderem heißt: „Unter den Verdächtigen seien mehrere Behördenmitarbeiter, darunter der Chef der Fischereibehörde und der leitende Arzt des Veterinäramts. Der 31-jährige Mouhcine Fikri war am Freitagabend in der Stadt Al-Hoceima in der nördlichen Berber-Region zu Tode gekommen, als er versuchte, die Beschlagnahmung und Zerstörung seiner Ware zu verhindern und dabei in die Presse eines Müllwagens geriet. Nach Angaben von Innenminister Mohammed Hassad fanden Beamte in Fikris Auto eine „große Menge Schwertfisch“, dessen Fang untersagt sei“ – ob darauf in Marokko die Todesstrafe steht, wird aber nicht berichtet. Und auch nicht, ob der Innenminister  auch zu den Verdächtigen gehört…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=106489
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