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Kolumbiens Präsident bricht Friedensgespräche mit der ELN ab – dieweil die Mordserie an sozialen Aktivisten weiter geht und ein Bock zum Gärtner gemacht wird

Kolumbien: Friedensdemonstration in Bogota am 5.10.2016 - Zehntausende machen weiterDer in der Vergangenheit selbst durch gravierende Menschenrechtsverletzungen bekanntgewordene Ex-Militär Leonardo Barrero Gordillo ist vom kolumbianischen Innenministerium als Leiter für den bereits im November 2018 vorgestellten „Aktionsplan zur rechtzeitigen Prävention und zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern, Sozialaktivisten und Journalisten“ (PAO) ernannt worden. Während die Innenministerin Nancy Gutiérrez die Entscheidung verteidigte, verurteilten Menschenrechtsorganisationen einhellig die Ernennung des Generals und riefen zum Boykott auf. Nachdem auch international der Druck auf das Innenministerium stieg, revidierte Gutiérrez ihre Aussage, und bezeichnete Barrero nur noch als „Vermittler“ für das kolumbianische Militär zur Umsetzung des Schutzprogrammes, und nicht mehr als dessen offiziellen Direktor. Zudem wies sie in der Zeitung El Espectador darauf hin, dass Barreros Lebenslauf makellos sei und keine Verurteilung gegen ihn vorliege. Dem Ex-Militär wird unter anderem vorgeworfen, im Zeitraum zwischen 2004 und 2005 als Kommandant der 16. Brigade der kolumbianischen Streitkräfte für unzählige Fälle extralegaler Hinrichtungen verantwortlich zu sein und Ermittlungen gegen das Militär behindert zu haben. Die in Kolumbien als sogenannten  Falsos Positivos (Falschmeldungen) bezeichneten Morde an Zivilisten durch das Militär wurden unter der Regierung von Präsident Álvaro Uribe zu einer verbreiteten Methode. Die Opfer kamen aus entfernten Regionen oder benachteiligten Bevölkerungsgruppen: Obdachlose, Drogensüchtige oder Menschen, die als „Risiko für die Gesellschaft“ galten…“ – aus dem Beitrag „Kolumbien: Ex-General soll Schutzprogramm für Opposition und soziale Bewegungen leiten“ von Sonja Smolenski am 02. Februar 2019 bei amerika21.de externer Link zu dieser Ernennung, die einmal mehr deutlich macht, welchen Kurs Präsident Duque zu steuern gedenkt: Kapitulieren soll keineswegs nur die Guerilla, sondern auch alle sozialen Proteste im Land. Siehe zum Abbruch der Friedensgespräche und der Mordserie an Aktivisten drei weitere aktuelle Beiträge – darunter eine aktuelle Stellungnahme der FARC, inklusive einer Selbstkritik und eine Bilanz der Serie politischer Morde in Kolumbien – sowie einen Beitrag zur Geschichte der Repression in Kolumbien:

  • „Genocidio Contra Lideres Sociales en Colombia“ am 31. Januar 2019 bei Sinaltrainal externer Link ist ein Aufruf der Lebensmittelgewerkschaft, aus der Veröffentlichung der offiziellen Zahlen über Morde an sozialen Aktivisten die Schlussfolgerung zu ziehen, endlich diese Mordbanden ernsthaft zu bekämpfen. 179 offiziell registrierte Morde an sozialen Aktivisten hat es im Jahr 2018 gegeben – und alleine in den ersten neun Tagen des Jahres 2019 waren weitere 7 Todesopfer faschistischer Mordbanden in Kolumbien zu betrauern.
  • „Fast alle 48 Stunden ein Mord“ von Katharina Wojczenko am 22. Januar 2019 in der taz externer Link berichtet unter anderem:  „Nirgends leben Menschen, die sich politisch oder ökologisch engagieren, so gefährlich wie in Kolumbien. Das besagt der aktuelle Bericht der internationalen Menschenrechtsorganisation Front Line Defenders. Demnach wurden 2018 in Kolumbien 126 Menschenrechtsverteidiger*innen ermordet. Das waren mehr als doppelt so viele als in Mexiko, dem zweitgefährlichsten Land in dem Report. Die kolumbianische Nichtregierungsorganisation Indepaz geht sogar von 226 Opfern aus, die staatliche Ombudsstelle Defensoría del Pueblo von 172. Die deutliche Mehrheit von ihnen waren Männer und lebten in den Departamentos Antioquia und Cauca. Drei der seit Jahresbeginn Getöteten waren Präsidenten des örtlichen Nachbarschaftsrats Junta de Acción Comunal, einer war Bauernvertreter, einer kämpfte in seiner Region gegen die Ausbeutung von Land und Boden durch Großkonzerne, einer machte Friedensarbeit, einer organisierte die Substitution von illegalen Drogenanbauflächen. Die einzige Frau, eine Afrokolumbianerin, engagierte sich für die Rechte von landvertriebenen Afrofrauen…“
  • „Der Krieg gegen soziale Aktivist*innen in Kolumbien“  am 28. Januar 2019 beim Kolumbieninfo externer Link gibt auch einen historischen Überblick über die tödliche Repression in Kolumbien und ihren Zusammenhang mit den Guerillakämpfen, beispielsweise: „Traurige Berühmtheit erlangte unter anderem das Massaker von El Salado im Februar des Jahres 2000. Mehr als 450 Paramilitärs, teilweise zusammengezogen aus anderen Regionen des Landes, folterten, enthaupteten und zerstörten Häuser und Menschen in dieser dörflichen Region. Dieser barbarische Akt dauerte über mehrere Tage an. Zunächst wurden etwa 30 bis 60 Menschen getötet, aber im Juni 2008 stellte die Staatsanwaltschaft fest, dass es mehr als 100 waren und heute gibt es Meldungen, die sich auf noch mehr Opfer berufen. Einige der Opfer folterte man in der Kirche, andere in ihren Häusern und andere wiederum auf einem eigens herangeschafften Tisch auf dem lokalen Fußballplatz. Dieser Terror sorgte dafür, dass die Bauern große Angst hatten sich zu organisieren und dies nur unter den Sicherheitsaspekten der Guerilla möglich war. Seit jeher sorgte die Guerilla nicht nur für militärischen Schutz, sondern in den Regionen ohne staatliche Präsenz auch für die sozial-politischen Strukturen eines guten Zusammenlebens. Dies bezog sich vor allem auf die rechtlichen Aspekte, so vermittelte die Guerilla bei lokalen Konflikten und sicherte durch Bestimmungen und Regelungen das öffentliche Leben, so dass Kriminalität, Korruption und Gewalt eingeschränkt wurden. In jenen Dörfern war es möglich, dass eine scheinbare Normalisierung der öffentlichen Ordnung erreicht wurde sowie das Wiederaufleben der gesellschaftlichen Prozesse kollektiver und kommunaler Organisation…“
  • „Friedensabkommen gefährdet“ am 30. Januar 2019 bei der jungen welt externer Link dokumentiert, ist die Grußadresse des FARC Sprechers Marquez an die Luxemburg-Konferenz, in dem dieser zur aktuellen Gefährdung des Friedensprozesses in Kolumbien unter anderem ausführt: „Am 24. November 2016 wurde in Havanna das finale Abkommen zur Beendigung des Konflikts und zum Aufbau eines stabilen und dauerhaften Frieden unterzeichnet, was wir als Guerilla als einen großen Sieg empfunden haben. Das Abkommen, dessen Einhaltung von einer Missionen der Vereinten Nationen und internationalen Organisationen beobachtet wird, ist nun seit zwei Jahren in Kraft, aber die Ergebnisse bezüglich der Erfüllung des Abkommens durch den Staat sind niederschmetternd. In diesem Zeitraum sind mehr als 400 politische Aktivisten und mehr als 85 Guerilleros ermordet worden. Der Frieden verfolgte das Ziel, die Sprache der Waffen aus der Politik zu verbannen, doch die Waffen werden weiter eingesetzt, um die Oppositionellen physisch auszurotten. (…)Das kolumbianische Parlament hat mit Zustimmung des Generalstaatsanwalts und des Nationalen Gerichtshofs die Vereinbarungen über die politische Beteiligung, die Zuteilung von Grund und Boden für die Bauern und die Entschädigung der Opfer des bewaffneten Konflikts kassiert. Die Staatsanwaltschaft hat sich geweigert, eine Sondereinheit zur Bekämpfung des Paramilitarismus einzurichten. Mehr als 15.000 Akten über die in diese Verbrechen Verwickelten liegen unbearbeitet in ihren Archiven. Das Nationale Zentrum für historisches Erinnern hat festgestellt, dass der Paramilitarismus in den vergangenen Jahrzehnten verantwortlich für die Ermordung von mehr als 100.000 Kolumbianern war. (…) Wir erkennen an, dass wir verschiedene Fehler begangen haben, zum Beispiel dass wir zugestimmt haben, die Waffen niederzulegen, bevor die vereinbarte politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Wiedereingliederung der Guerilleros gesichert war. Manuel Marulanda Vélez, der frühere oberste Comandante der FARC, hatte gewarnt, dass man die Waffen als Garantie für die Erfüllung der Abkommen behalten müsse. Ein weiterer großer Fehler war es, die Abgabe der Waffen ohne gewisse Bedingungen in Bezug auf die zentrale Verhandlungsrunde zu vereinbaren, aus der die Vereinbarungen über Bodenaufteilungen, politische Beteiligung, Opferentschädigung und die besondere Friedensjustiz hervorgegangen waren…“
  • „Eskalation mit Ansage“ von Ralf Pauli am 20. Januar 2019 in der taz externer Link kommentierte den Abbruch der Verhandlungen durch den Präsidenten unter anderem so: „Noch während seines Wahlkampfs im letzten Jahr hat der heutige Präsident Kolumbiens, Iván Duque, unmissverständlich klargemacht, unter welchen Umständen er die laufenden Friedensverhandlungen mit der – nach der entwaffneten Farc – zweitgrößten Guerillagruppe des Landes beenden werde. Sollten die ELN-Kämpfer nicht ihre Verstecke verlassen, alle Geiseln freigeben und sämtliche kriminellen Aktivitäten und Anschläge einstellen, drohte Duque, ist der Friedensprozess Geschichte…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=143744
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