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Arbeiten bis zum Umfallen: Die Arbeitsreform der japanischen Regierung soll 100 Überstunden im Monat ermöglichen

Immer noch in Japan: Zu Tode arbeiten.... Foto von Coal Miki/Flikr.Was bei 26 Arbeitstagen ziemlich genau 4 Überstunden pro Tag bedeutet – als gesetzliche Obergrenze. „Natürlich“ machen sie soziale Einschränkungen im asozialen System: 720 Überstunden im Jahr, also durchschnittlich monatlich 60 Überstunden. Unternehmerverband und Handelskammer zeigten sich mächtig erfreut und unterstrichen, eine solche Lösung müsse aber auch flexibel gehandhabt werden. Was im konkreten bedeutet, sie wollen nicht, dass eine Stunden-Mindestzahl für Ruhezeit zwischen zwei Schichten bestimmt wird. Bei dem dreiseitigen Treffen des Arbeitsministeriums sagte der Vorsitzende des Gewerkschaftsverbandes Rengo, diese 100 Stunden seien zu viel, es gebe ein geltendes Abkommen (45 monatliche Überstunden und maximal 360 im Jahr) und das müsse eher reduziert werden (dass seine Organisation irgendetwas bezüglich dieser Vorhaben unternehmen werde, sagte er nicht). In dem redaktionellen Artikel „Labor chief blasts 100-hour OT limit as impossibly high at work reform panel“ am 04. Februar 2017 in der Japan Times externer Link wird aber auch noch – ganz sachlich – berichtet, wie diese Regierung auf die 100-Stunden-Grenze kam. Es wurden die Gerichtsakten durchforstet. Und zwar all der Prozesse, die wegen Überarbeitung mit Todesfolge (Karoshi) geführt worden sind. Klagende Angehörige haben immer Recht bekommen – wenn es mehr als 100 Überstunden im Monat über längere Zeit waren. Wenn „die“ dann mit 99 Überstunden sterben, ist das den Unternehmverbänden und ihrer Regierung scheißegal… Kapitalismus im 21. Jahrhundert eben… Siehe dazu auch zwei Hintergrundbeiträge vom Oktober 2016 – als der erste Report der Regierung veröffentlicht wurde – und Verweise auf die zahlreichen bisherigen Beiträge zu Karoshi im LabourNet Germany:

  • „Karoshi crisis: why are Japanese working themselves to death?“ von Julian Ryall am 22. Oktober 2016 in der South China Morning Post externer Link ist ein Beitrag der, ausgehend vom Selbstmord einer 24 jährigen Frau, die gezwungen war, beim Werbekonzern Dento monatlich 105 Überstunden zu machen, die prinzipielle Frage aufwirft, wie solche Verhältnisse entstehen können. Dabei wird der erste Bericht japanischer Behörden zu der lebensbedrohenden Problematik kommentiert, der etwa die Informationen beinhaltet, dass in 12% aller japanischen Unternehmen die Belegschaften über 100 Überstunden im Monat leisten müssen – und in weiteren 23% über 80 Überstunden. Müssen, zumeist auch noch bei entsprechendem Umgangston. Keineswegs also ein irgendwie persönliches Problem sondern extreme kapitalistische Ausbeutung, die nicht einmal mehr den 8 Stundentag von vor anderthalb Jahrhunderten anbieten kann…
  • „The government’s ‘karoshi’ report“ am 12. Oktober 2016 in der Japan Times externer Link ist der Leitartikel zum Karoshi-Report der Regierung worin viele konkrete Fakten die Entwicklung der Problematik seit den 80er Jahren nachzeichnen. Im letzten Berichtsjahr wurden 96 Todesfälle in Japan offiziell – sprich: inklusive Entschädigungszahlungen – als durch zu viel Arbeit begründet eingestuft. Was aber eben nur jene Fälle sind, in denen solcherart Anträge juristisch gewonnen wurden. Die Zahl der Klagen jedenfalls explodiert – und nicht nur im Bericht der Regierung ist nicht davon die Rede, dass die Aktivitäten der Gewerkschaften dies ebenfalls täten…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=111649
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