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Der 18. Kongress des größten italienischen Gewerkschaftsbundes: Die CGIL im Burgfrieden konkurrierender Sozialpartnerschafts-Vertreter

Logo CGIL„«Eine schöne Organisation mit vielen Leuten, die kämpfen wollen», so umschreibt Maurizio Landini (57) liebevoll seine Gewerkschaft. Eben hat ihn der Kongress der CGIL zu ihrem neuen Generalsekretär gewählt, zum Nachfolger von Susanna Camusso (siehe Interview unten). Die Confederazione Generale Italiana del Lavoro, CGIL, ist mit über fünf Millionen Mitgliedern die grösste Gewerkschaft Europas. Sie organisiert Arbeitende aus allen Branchen, ist in den Betrieben gut verankert und streikfähig. An 40’000 Versammlungen hatte die Basis den Kongress vordiskutiert. (…) Jetzt, als neuer CGIL-Chef, umreisst er die Herausforderung für seine Gewerkschaft angesichts der desolaten Situation in Italien so: «Wir müssen nicht allein in den Betrieben kämpfen, sondern auch in der Gesellschaft. Ein anderes Italien ist möglich.» Und auch dringend nötig, denn Italiens Wirtschaft stagniert seit zwei Jahrzehnten, die Jobs werden immer prekärer, und alle Regierungen wollen die Lösung der Probleme dem Markt überlassen. Die ehemals sehr starke italienische Linke ist jedoch heute nur noch ein Scherbenhaufen. Umso stärker rief die Basis am Kongress nach Geschlossenheit der Gewerkschaft: Landini erhielt schließlich 93 Prozent der Delegiertenstimmen. Die CGIL ist derzeit die stärkste sozia­le und demokratische Gegenmacht zur italie­nischen Regierung. Deren Einpeitscher ist der autoritäre und fremdenfeindliche Innenminister Matteo Salvini, einer der gefährlichsten der harten rechten Männer, die heute die Welt unsicher machen. Ihm will die CGIL die Stirn bieten. Bereits für den 9. Februar ruft sie auf zu einer nationalen Grossdemo gegen die Regierungs­politik…„ – aus dem Beitrag „CGIL-Kongress: Landini, der Neue“ von Andreas Rieger am 01. Februar 2019 bei der Work Zeitung externer Link der schweizerischen Unia über das personelle Ergebnis des 18. Gewerkschaftstages der CGIL, der vom 22.-25. Januar 2019 in Bari stattfand. Und bei dem neben dem Richtungskampf um den Föderationsvorsitz, der so klar entschieden wurde, auch die Aktivitäten der Gewerkschaftsopposition unter der Losung „Riconquistiamo tutto“ (Erkämpfen wir uns alles zurück) breiten Raum einnahmen. Siehe zum Gewerkschaftstag der CGIL drei weitere aktuelle Beiträge – darunter eine Bewertung durch Vertreter der Basisgewerkschaft USB, einen Beitrag zu den Strömungen, für die die beiden Kandidaten zum neuen Vorsitz standen, und das Dokument, mit dem die organisierte Opposition in der CGIL in die Kongresswahlen ging…

  • „Frau Camusso, wohin steuert Italien?“ am 01. Februar 2019 ebenfalls in der Work Zeitung externer Link ist ein Interview von Marie-Josée Kuhn mit der bisherigen CGIL-Vorsitzenden, worin diese unter anderem zu den Entwicklungen während ihrer sechs Jahre an der Spitze der CGIL hervor hebt: „Die Arbeitenden fühlen sich als Verliererinnen und Verlierer der Globalisierung. Zu Recht, denn sie kamen heftig unter Druck: Arbeitsplatzabbau, Firmenschließungen, Sozialabbau und harte Konkurrenz durch Arbeitnehmende aus anderen Ländern. Mehrere Regierungen, auch die Mitte-links-Regierung von Matteo Renzi, bliesen zum Angriff auf die Arbeitsbedingungen. Sie erliessen eine Serie von Gesetzen die von den Arbeitnehmenden als Schlag ins Gesicht empfunden wurden. Sie sahen ihre Renten und Löhne schrumpfen, ihre Gesamtarbeitsverträge, die nicht erneuert wurden, den Service public, der sich zugunsten von Privatisierungen zurückzog. Und plötzlich sahen sie keine Alternative mehr, keinen Unterschied zwischen den politischen Vorschlägen der Rechten und jenen von Mitte-links. Sie hatten nur noch das Gefühl, alle hätten sie während der Krise im Stich gelassen. Und es gebe für sie in diesem wirtschaftlichen Umfeld kein Auskommen mehr und kein würdiges Leben. (…)In Italien hat die Gewerkschaftsbewegung einen hohen Preis dafür bezahlt, dass sie die Arbeitsgesetze der Regierung Renzi nicht geeint bekämpft hat. Wir von der CGIL haben alleine gestreikt, später zusammen mit der Gewerkschaft UIL. Aber wir konnten nie zusammen mit der dritten grossen Gewerkschaft, CISL, agieren. Unsere Ak­tionen haben es uns zwar erlaubt, eine starke Bindung zu den Arbeitenden zu bewahren, doch sie wählten dann trotzdem die harten Rechten, einen Salvini. Die Arbeitenden bleiben zwar Mitglieder der CGIL, aber es ist schwierig, ihnen eine Alternative aufzuzeigen. Auch wenn sie beginnen, mit der aktuellen Regierung unzufrieden zu sein, sagen sie sich, dass diese wenigstens neue Köpfe präsentiere und dass die vorhergehenden Regierungen noch schlechter gewesen seien. Bis jetzt sehen wir bei den linken Parteien keinerlei Anstrengungen, darauf eine Antwort zu finden und eine neue Politik zu ent­werfen…“ – worin zwar viele richtige Feststellungen getroffen sind, aber auch nicht ein Hauch von Selbstkritik auftaucht…
  • „Cgil, Camusso sceglie Landini ma Colla non ci sta. Si spacca la maggioranza a Corso Italia“ von Checchino Antonini am 09. Oktober 2018 bei Left externer Link war ein Beitrag über die Vorstandssitzung der CGIL, auf der beschlossen wurde, dass die scheidende Vorsitzende Camusso den Metallgewerkschafter Landini als ihren Nachfolger vorschlagen werde, und nicht Vincenzo Colla, den Sekretär der Föderation, der unter anderem von RentnerInnen, Chemiebeschäftigten und aus der Textilindustrie unterstützt wurde – der sowohl von der Ex-Regierungspartei PD unterstützt wurde, als auch von allen, die für das „deutsche Gewerkschaftsmodell“ stünden, auf Verhandlungen, statt, wie Landini, auf Bewegung basierend. Der Beitrag mag „gewerkschaftsinterne Schwächen“ haben, ist aber eben für LeserInnen geschrieben, die keine „Insider“ der Gewerkschaft sind und weist vor allem auf den Kern möglicher Differenzen hin, die die eher ungewöhnliche Vorgehensweise begründen mögen, der darin besteht, wie mit dem 5 Sterne „Teil“ der Regierung „umzugehen“ sei. Es wird auch die Mitteilung der organisierten Opposition zitiert, in der unterstrichen wird, man werde sich an diesen Streitigkeiten nicht beteiligen.
  • „La marcia del gambero della Cgil“ von Giorgio Cremaschi am 24. Januar 2019 bei Contropiano externer Link ist ein Artikel des früheren CGIL-Sekretärs (und Vertreters der inneren Opposition) und heutigen USB-Funktionärs, in dem die Ergebnisse des Kongresses als Ausdruck der Krise der CGIL bewertet werden. Der „Krebsgang“ der CGIL  habe als Ausgangspunkt die sechs Jahre Camusso – diese seien mit Sicherheit die schlechtesten Jahre der Nachkriegszeit für die CGIL gewesen. Landini habe seine Reputation von seiner Haltung gegen den antigewerkschaftlichen Restrukturierungsplan bei Fiat gewonnen, habe aber seitdem in all den Jahren an der Spitze der Metallgewerkschaft FIOM alles getan, um die erwünschte „Normalisierung“ in allen Beziehungen zu erreichen, auch und gerade in Bezug auf die sozialdemokratisch-neoliberale Regierung Renzi, was in der bekannten Katastrophe geendet habe…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=143741
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