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Massaker in Sant’Anna: Eine Wunde, die nicht verheilt

Dossier

Buch: Das Massaker von Sant’Anna di StazzemaDas hatte keiner mehr erwartet. Im toskanischen Dorf Sant’Anna di Stazzema nicht, wo man sich an diesem 12. August an das schreckliche Blutbad erinnert, das deutsche Soldaten vor genau siebzig Jahren unter der Zivilbevölkerung angerichtet hatten, bei dem Hunderte von Frauen, Kindern und alten Menschen grausam ermordet wurden. In Stuttgart nicht, wo sich die zuständige Staatsanwaltschaft mit Rückendeckung durch die Politik jahrelang mit fadenscheinigen Begründungen geweigert hatte, Justizverfahren gegen noch lebende Verantwortliche der völkerrechtswidrigen „Strafaktion“ von Sant’Anna im Rahmen der Partisanenbekämpfung einzuleiten. Und in Hamburg nicht, weil die dortige Staatsanwaltschaft jetzt Ermittlungen aufnehmen muss, nachdem das Karlsruher Oberlandesgericht die Stuttgarter Archivierungsbeschlüsse zumindest in einem Fall revidiert und wegen des Wohnortes des Beschuldigen in die Hansestadt weiter geleitet hatte. In Hamburg könnte die Staatsanwaltschaft jetzt Anklage gegen einen heute 93-jährigen ehemaligen Kompaniechef erheben, der in Sant’Anna Befehlsgewalt hatte…“ Artikel von Henning Klüver in der Stuttgarter Zeitung online vom 12.08.2014 externer Link. Siehe dazu das Urteil, Stellungnahmen sowie ein Buch zum Thema:

  • Staatsanwaltschaftliche Einstellungsbescheide im Klageerzwingungsverfahren Sant’Anna di Stazzema hinsichtlich des einzigen noch verbliebenen Beschuldigten aufgehoben
    Nachdem der das Massaker von Sant‘ Anna di Stazzema betreffende Klageerzwingungsantrag durch Beschluss vom 30.10.2013 hinsichtlich vier Beschuldigter zurückgewiesen worden war (vgl. Pressemitteilung vom 06.11.2013), hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe durch Beschluss vom 05.08.2014 (3 Ws 285/13) die Bescheide der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 26.09.2012 und der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 15.05.2013 aufgehoben, soweit sie den einzigen noch verbliebenen Beschuldigten betreffen, und der Staatsanwaltschaft Stuttgart die Abgabe des Verfahrens an die nun allein zuständige Staatsanwaltschaft H. aufgegeben…“ Pressemitteilung vom 05.08.2014 externer Link (Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 05. August 2014 – 3 Ws 285/13)
  • Das soll Sühne sein?!
    „„Jetzt wird endlich die Gerechtigkeit siegen“, hofft der für sein ganzes Leben seelisch verletzte Italiener Enrico Pieri. Pieri, der zwar die Massenhinrichtung an 560 Dorfbewohnern als zehnjähriges Kind überlebte, aber dabei war, als seine Eltern und auch seine ganze restliche Familie abgeschlachtet wurden. 70 Jahre nach dem NS-Massaker in der Toskana glauben Hamburger Juristen, dass eine „leicht verspätete“ Anklage gegen den damaligen Kompanieführer der Waffen-SS Gerhard Sommer ein großer Erfolg für die gesamte deutsche Justiz sein wird.
    Tatsächlich ist es ein kleiner Erfolg, dass nach der Einstellung aller Ermittlungen im Jahre 2012 jetzt zumindest ein Schuldiger vielleicht verurteilt werden wird. Und da die Ermittlungen gegen Sommer bereits 2002 begannen, kann sich die deutsche Justiz rühmen, lediglich 58 Jahre nach dem Massaker von Sant’Anna – welches sich am 12. August zum 70sten Mal jährte – mit der Aufklärung begonnen zu haben. Ich allerdings weiß nicht, worin der große Erfolg bestehen soll
    …“ Stellungnahme von Peggy Parnass vom 12. August 2014 zu dem Urteil
    Zu ihrer Person: Peggy Parnass entkam als Kind mit ihrem jüngeren Bruder Gady den Nazis 1939 durch einen Kindertransport nach Stockholm. Ihr Vater Simon Pudl und ihre Mutter Hertha wurden im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Peggy Parnass arbeitete als Schauspielerin, Übersetzerin, Dolmetscherin und als Autorin. Sie schrieb 17 Jahre lang Gerichtsreportagen für die Monatszeitschrift konkret, u.a. über den Majdanek-Prozess vor dem Landgericht Düsseldorf. Auch heute bezieht Peggy Parnass noch regelmäßig in öffentlichen Debatten Stellung. Wir danken dem Laika-Verlag für diesen Text!
  • Juristin über Klage wegen SS-Massaker: „Vorsätzliche Vernichtung“
    Der einstige Kompanieführer Gerhard Sommer kann nach einem Gerichtsbeschluss wegen des SS-Massakers vor 70 Jahren in Italien angeklagt werden…“ Interview von Petra Schellen in der taz online vom 11.08.2014 mit Gabriele Heinecke externer Link (60, Juristin, ist im Vorstand des „Republikanischen Anwältinnen und Anwältevereins – Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für Demokratie und Menschenrechte“. Sie vertritt Überlebende der Massaker, die die SS 1944 in Griechenland und Italien beging. Heinecke ist Mitherausgeberin des Buchs „Das Massaker von SantAnna di Stazzema – Mit den Erinnerungen von Enio Mancini“, das im August im Laika-Verlag erscheint.)
  • Das Massaker von Sant’Anna di Stazzema – Mit den Erinnerungen von Enio Mancini
    Buch: Das Massaker von Sant’Anna di StazzemaAm 12. August 1944 jährt sich zum 70. Mal der Tag des Massakers im toskanischen Sant`Anna di Stazzema, bei dem Soldaten der SS mindestens 560 Menschen, größtenteils Frauen, Kinder und Alte, ermordeten. Zu diesem Anlass erscheinen erstmals in deutscher Sprache die Erinnerungen von Enio Mancini, in denen er das Leben in dem kleinen Dorf während des Krieges, die Aufnahme der vielen Flüchtlingsfamilien und schließlich die Ereignisse des 12. August 1944 beschreibt. Mancini überlebte als Sechsjähriger mit seiner Familie das Massaker, weil ein deutscher Soldat in die Luft geschossen hatte. Viele Historiker und Journalisten haben inzwischen über Sant’Anna di Stazzema geschrieben, aber Mancinis Bericht erzählt erstmals die Geschichte aus der Perspektive eines Augenzeugen…“ Aus dem Klappentext zum oben angesprochenen Buch im Laika-Verlag (ISBN: 978-3-944233-27-7, Erscheint im August 2014, Preis: 19,00 €, Hardcover mit Schutzumschlag, 144 Seiten). Siehe Informationen und Bestellung beim Verlag externer Link und das Inhaltsverzeichnis und das Grußwort von Maurizio Verona, Bürgermeister von Stazzema, im LabourNet Germany
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=63496
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