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Wohin steuert die Protestbewegung im Iran?

Massenproteste im Iran 2017/2018: Gegen Teuerung. Gegen die neoliberale PolitikOb die Proteste jetzt wirklich abgeebbt sind oder nicht, ist nicht so genau zu beurteilen, scheint aber so, dennoch  – weiter gehen tun sie auf jeden Fall, und alles Nähere ist hinter den ununterbrochenen Propagandawogen aller Seiten nicht wirklich konkret festzumachen. Ebenso, wie die Meldungen über weitere Proteste, ist es eine Tatsache, dass die Regierung des Iran, die in Person ihres Präsidenten Verständnis für Protest bekundet hatte, auf eben diesen „verstandenen“ Protest schießen lässt. Die „Hardliner“, die in all diesen Ereignissen ohnehin nur ausländische Einmischung sehen können, sind inzwischen ohnehin für blanke Repression – und diese Versuche Einfluss zu gewinnen, gibt es natürlich massiv, wie immer in solchen Situationen, auch wenn kein ausländischer „Freund“ dieser Proteste ihre sozialen Inhalte unterstützen mag. Siehe zwei Beiträge zur aktuellen Entwicklung der Proteste, sowie einen ausführlichen Hintergrundbeitrag und drei weitere Organisations-Erklärungen:

  • „Der Protest ist in Irans Politik angekommen“ von Oliver Eberhardt am 03. Januar 2017 in neues deutschland externer Link bemerkt zur Quelle der Proteste: „Zusammen mit einer Medienlandschaft, die weitgehend den vorgegebenen Sprachregelungen folgt, hat dies dazu geführt, dass es lange Zeit nahezu keine Debatten über Missstände gab, die Entscheidungsträger in der Vielzahl von Behörden und Gremien, die das iranische System bilden, weitgehend ohne Kontakt zur Bevölkerung arbeiten und oft auch an ihr vorbei entscheiden. Lokalen Behörden steht in der Regel nur der Dienstweg offen, der in Iran sehr lang sein kann. Es dauere durchschnittlich acht Monate, bis ein Brief an die Zentralregierung beantwortet werde, sagt Ali Reza Halladsch, stellvertretender Bürgermeister der unter extremer Umweltverschmutzung leidenden Stadt Ahwaz: »Und fast immer steht dann drin, dass man die Sache prüft.« Dass nun auch die Menschen auf dem Land, in den ärmsten Provinzen auf die Straße gehen, hat in Teheran viele aufgeschreckt. Denn dies sind die Leute, von denen man Protest am Wenigsten erwartet hatte: Sie sind oft extrem konservativ. Zudem war das Internet, die Mediennutzung auf dem flachen Land lange Zeit gering. Doch vor einigen Jahren wurde das Mobilfunknetz auch außerhalb der Städte installiert, verbreiteten sich Handys auch dort“.
  • „Es brodelt weiter“ am 03. Januar 2017 in der taz externer Link, worin zwar viel Überflüssiges von EU und USA berichtet wird, aber eben auch festgehalten: „Die Proteste gingen nach Berichten in sozialen Medien auch in der Nacht zum Mittwoch in der Hauptstadt Teheran und anderen Städten weiter. Die Berichte und Videos lassen sich nicht unabhängig verifizieren. Die staatlichen Medien haben diese Proteste noch nicht bestätigt und behaupten, dass es besonders in Teheran ruhig gewesen sei. In der Provinz Albors westlich von Teheran gilt seit Mittwoch ein Versammlungsverbot“ – und Versammlungsverbote wegen nichts, sind nicht so sehr verbreitet…
  • „Labor and Class in Iran“ am 26. Mai 2017 bei Merip externer Link ist ein Gespräch von Paola Rivetti mit dem Teheraner Ökonomen Mohammad Maljoo über die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung nach dem Atomabkommen. Als Hintergrundbeitrag zum Verständnis gegenwärtiger Proteste sind die Ausführungen des Wirtschaftswissenschaftlers, der von den autonomen Gewerkschaften Irans oft als zuverlässiger Autor genutzt wird, von besonderem Interesse und sehr informativ. Er geht bei seinen Ausführungen in die Zeit unmittelbar nach dem Krieg gegen den Irak zurück: Die vor rund 30 Jahren begonnene Einführung von Zeitarbeitsverträgen habe wesentliche Bedeutung bei der Verarmung der Bevölkerung, so seine These zum Beginn des neoliberalen Kurses im Iran.
  • „Country-wide uprising in Iran and the need for international support“ der KP Irans vom 02. Januar 2018 ist ein ausführlicher internationaler  Solidaritätsaufruf, worin – neben Berichten über bestimmte Aktionen – das Regime für Lage und Entwicklung verantwortlich gemacht wird und die versuchte Einmischung der USA zurück gewiesen. Dabei wird insbesondere darauf verwiesen, dass die Teilnahme der jüngeren Menschen an diesen Protesten wichtig sei, was als Ergebnis der Tatsache gesehen wird, dass sie am meisten von Erwerbslosigkeit betroffen seien. Wichtig aber auch die Beteiligung von vielen jener Menschen, die gezwungen sind, in Slums zu leben, was das Schicksal von etwa 24 Millionen Menschen im Iran sei und ihre Beteiligung an Protesten gegen das Regime neu. (Die gesamte – englischsprachige – Erklärung liegt LabourNet Germany vor und kann auf Anfrage bezogen werden).
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=126147
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