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»Gilets Noirs«: 300 Papierlose besetzen Pariser Panthéon am 12.7.19. für »Papiere und Freiheit für alle« – und werden brutal polizeilich vertrieben, im Namen von «Liberté – Égalité – Fraternité»

Dossier

»Gilets Noirs«: 300 Papierlose besetzen Pariser Panthéon am 12.7.19. für »Papiere und Freiheit für alle« - und werden brutal polizeilich vertriebenMigrantische Aktivisten der »Gilets Noirs« fordern ein Treffen mit Premierminister Edward Philippe und eine bessere Behandlung. Mehrere Dutzend Aktivist*innen der Gruppe »Gilets Noirs« haben am Freitagmittag das Pariser Panthéon besetzt. Das Gebäude ist ein nationales Wahrzeichen und Begräbnisstätte berühmter französischer Persönlichkeiten und Touristenmagnet. Es liegt im Zentrum der Stadt. Via Twitter veröffentlichte die Gruppe außerdem eine Erklärung zu ihrer Aktion. Videos französischer Journalist*innen auf Twitter zeigen Aktivist*innen, die in dem berühmten Gebäude mit Forderungspapieren wedeln und Parolen skandieren. Die Polizei umstellte das Pantheon kurz darauf. Unterstützer der Migant*innen versammelten sich außerhalb des Gebäudes. Die »Gilets Noirs« fordern mit der Aktion »Papiere und Freiheit für alle«. Konkret will die Gruppe Aufenthaltsgenehmigungen erreichen, ein Ende der Repression gegen Menschen ohne Papier im Land und eine humane Unterbringung von Asylsuchenden und Migrant*innen in Frankreich…“ Meldung am 12.07.2019 bei neues Deutschland online externer Link – siehe auch deren Communiqué (nun mit dt. Übersetzung!) und weitere Infos/Berichte zur symbolischen Aktion kurz vor dem 14. Juli, an dem «Liberté – Égalité – Fraternité» gefeiert werden soll:

  • Papiere für alle: Proteste der Gilets Noirs erinnern an die 90er Jahre / die 19 Abschiebehäftlinge nach Protesten freigelassen New
    Sie wollen gehen, Monsieur?« Die Frage des Polizisten wirkt nur auf den ersten Blick höflich. Auf den zweiten stellt sich heraus, dass es sich um Spott handelt, um eine Falle. Sekunden später stürzen sich zahlreiche uniformierte und gepanzerte Bereitschaftspolizisten auf den am Boden sitzenden jungen Mann und zerren ihn fort, zusammen mit weiteren Anwesenden. Der Mann ist einer von 700 Gilets Noirs (Schwarze Westen) die in der vergangenen Woche das Panthéon in Paris besetzten. Die Bewegung jener »ohne Papiere, ohne Stimme und ohne Gesicht« setzt sich für Aufenthaltsrechte in Frankreich und Zugang zu Wohnungen für alle ein. Etwa 400 000 Menschen in Frankreich leben mit einem illegalisierten Status und viele von ihnen sind in Zeltstädten untergebracht. In einer Stadt, in der 200 000 Wohnungen leerstehen. (…) Schon die Wahl des Ortes für die Protestaktion war bedeutungsvoll. Unter dem riesigen Kuppeldach des Panthéons, dem »Tempel der Republik«, liegen viele Größen der französischen Geistesgeschichte und Politik bestattet. Darunter sind einige, darauf machten die kurzzeitigen Besetzer aufmerksam, die sich explizit gegen Sklaverei und Rassismus einsetzten. So etwa die Schriftsteller Victor Hugo, Emile Zola und Aime Césaire oder auch Victor Schoelcher, der 1848 die zweite Abschaffung der Sklaverei nach jener von 1794 erreichte. In ihrer Behandlung durch den französischen Staat sehen die Besetzer jedoch eine Fortführung eines rassistischen Systems. Dass Einwanderer in Frankreich, oftmals aus früheren Kolonien kommend, gegen ihre rechtliche und gesellschaftliche Situation protestieren, ist nicht neu. Schon die erste Bewegung der »Sans Papiers« (Papierlose) im Jahr 1996 hinterließ eindrückliche soziale und politische Spuren in der französischen Gesellschaft. Damals begann der Protest mit der Besetzung der Pariser Kirche Saint-Ambroise und endete mit der Räumung der Kirche Saint-Bernard, Schauplatz eines 50 Tage währenden Hungerstreiks. (…) Während deren Unterstützer damals regelmäßig Zehntausende mobilisieren konnten, ist die Beteiligung aus der französischen Mehrheitsgesellschaft heute deutlich geringer. Ungeachtet dessen, dass die »Sans Papiers« sowie ihre Unterstützerkollektive immer sehr aktiv waren, zeugt die Bewegung der Gilets Noirs jedoch von einer Remobilisierung. Erstmalig haben sich Illegalisierte, die Einwohner von Migrantenwohnheimen sowie Unterstützerkollektive aus der autonomen Bewegung gemeinsam organisiert. Im Vorfeld der Proteste war die Repression durch Polizeikontrollen immer stärker geworden. Und so fallen auch die Reaktionen auf den Protest aus: Obwohl die Besetzung des Panthéons seitens der Gilets Noirs vollkommen gewaltlos verlief, ließ der Polizeieinsatz 40 Verletzte am Boden zurück, 37 Teilnehmer wurden festgenommen und 19 wurden ins Abschiebehaftzentrum im Pariser Stadtwald Bois de Vincennes eingeliefert. (…) Dass die 19 Abschiebehäftlinge nun wieder freigelassen wurden, ist der andauernden Mobilisierung der Gilets Noirs zu verdanken und ein spektakulärer Erfolg für die Protestbewegung.“ Artikel von Bernard Schmid vom 20.07.2019 in Neues Deutschland online externer Link
  • 19 der festgenommenen Gilets Noirs im Abschiebeknast – Spendenaufruf 
    Nach aktuellen Informationen sind von den insgesamt 36 festgenommenen Gilets Noirs 19 im Abschiebeknast gelandet. Um die Abschiebung juristisch zu verhindern, wurde ein Legal Fund eingerichtet, siehe Infos und Spendensammlung bei Le Pot Commun.fr externer Link
  • Das Communiqué der Gilets Noirs  und dessen dt. Übersetzung:
    Aufstehn, ihr Toten!
    »Gilets Noirs« in Frankreich - Bewegung der sans papiersHeute besetzen wir das Panthéon, wir, die EinwandererInnen ohne Papiere, BewohnerInnen der (Not-) Unterkünfte, MieterInnen der Straße.
    Wir haben keine Papiere, keine Stimme, kein Gesicht für die französiche Republik. Wir kommen zusammen auf dem Grab eurer großen Männer um eure Schändungen anzuprangern, die der Erinnerung unserer Kameraden, unserer Väter und Mütter, unserer Brüder und Schwestern im Mittelmeer, in der Straßen von Paris, in den Lagern und Gefängnissen. Frankreich fährt fort mit der Skaverei auf andere Art. Unsere Väter sind für Frankreich gestorben. Und die Toten bleiben tot und sollen in Frieden ruhen.
    Vorgestern haben wir die Grenze angegriffen, indem wir den Air France Terminal im Flughafen Cherles de Gaulle bestzten. Es ist dort, wo die französische Polizei uns in die Flugzeuge nach Algier, Dakr, Khartum, Bamako oder Kabul verfrachtet hat. Von dort ist Djiby deportiert worden!
    Gestern haben wir  den Turm von Ellor in La Défence und die Hauptdirektion des Arbeitsamtes besetzt. Wir waren dort um den Chefs, die uns erniedrigen und das Rückgrat brechen, zu sagen: Die Angst hat das Lager gewechselt!
    Heute fahren wir fort, die Schläge zurückzugeben an den Staat und seinen Rassismus, in Frankreich und in Europa.
    Wir sind gekommen um unsere Würde zu verteidigen. Wir flehen niemanden mehr an und wir werden unsere Rechte mit der Kraft des Kampfes herausreißen!
    Wir sind gekommen um euch zu sagen, dass das Motto Frankreichs für die Fremden Erniedrigung, Ausbeutung, Deportation ist. Frankreich für dort Krieg, beutet unsere Ressourcen aus und entscheidet für und mit unseren korrupten Staaten. Frankreich für hier Krieg gegen uns.
    WIR BESETZEN,

    • weil es 200 000 freie Wohnungen in Paris gibt, und dabei die Unseren unter den Auffahrten des Périphérique schlafen und das Rathaus gestern die Straßen des Camps Avenue Wilson in Saint Denis eingezäunt hat.
    • Weil im Lager von Thiais, wie in allen anderen, die Polizei heute morgen die Bewohner bis in ihre Wohnungen verfolgt hat.
    • Weil wir die Befreiung unserer Schwarzwesten-Kameraden verlangen, die in Verwahrzentren und anderswo gefangen sind.

Für die Abschaffung der Gefängnisse für Fremde!
Wir kämpfen nicht nur für Papiere, sonder gegen das System, das die Papierlosen erschafft.
Wir werden keinen Bullen oder Schalterbeamten mehr bezahlen um einen Termin zu bekommen.
Wir wollen nicht mehr mit dem Innenminister und seinen Präfenkturen verhandeln müssen
WIR WOLLEN JETZT MIT DEM MINISTERPÄSITENTEN EDOUARD PHILIIPE SPRECHEN!
Wir bleiben hier, bis der letzte von uns seien Papiere bekommt und damit diejenigen, die kommen werden, das Recht zu bleiben bekommen.
An alle, die revoltieren, hier, im Sudan oder in Algerien,
An unsere Kameraden, an alle, die gegen die Ausbeuter kämpfen,
An alle, die glauben, dass kein Mensch illegal ist,
An alle, die es leid sind, alle 5 Jahre der extremen Rechten den Riegel vorzuschieben und die überzeugt sind, dass der Kampf gegen den kommenden Rassismuns der Kampf gegen den existierenden Ressisum bedeutet.
Papiere und Wohnungen für alle! Bewegungs- und Niederlassungfreiheit! Es lebe der Kampf der Schwarzwesten! Schwarzwesten in den Kampf!

  • Aus der Berichterstattung von Seebrücke Frankfurt bei Twitter externer Link (erste mit dt. Übersetzungen):
    • Seit 13h besetzen hunderte #Giletsnoirs, unterstützt vom Kollektiv @chapelledebout das #Pantheon, um ein Treffen mit dem Premierminister zu bekommen.
    • Sie fordern ihre Regularisierung, ein Ende der Repression und humane Aufnahmebedingungen.
    • Die #GiletsNoirs, die das #Pantheon besetzten, wurden zum Hintereingang gedrängt und kommen friedlich heraus. GNs (@chapelledebout) betonen, dass nichts im Inneren verwüstet wurde.
    • Sicherheitskräfte dringen in das #Pantheon ein
    • De Polizei soll trotz ruhigen und friedlichen Verhaltens, Menschen aus der Gruppe herausziehen. Laut @chapelledebout wurden mindestens 6 Personen festgenommen…“ Aktuell ist von unzähligen Verletzten und mind. 20 Inhaftierten die Rede
  • Anmerkung des LabourNet: Auffallend waren die vielen rassistischen Reaktionen unter den Hashtags #GiletsNoirs #GiletsNoirsEnLutte #Pantheon #Paris bei Twitter aus Frankreich, die das nationale Denkmal geschändet sahen und Ausweisung forderten. Rechte mobilisierten auch physisch vors Panthéon, um die Menschen anzugreifen, die für ihre Rechte – und die von allen – auf die Straße gehen…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=151554
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