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Frankreich: Nach Justizskandal um Polizeigewalt: Kein Karriereknick für den Staatsanwalt – „Gelbwesten“ betreiben Nachstellung am Tatort der Polizeiattacke im Falle Geneviève Legay

Frankreichs umkämpfte Arbeitsrechts-„Reform“ (Nuit debout): CGT-Plakat über PolizeigewaltAus sozusagen berufenem Munde erfährt man, die soziale Krise in Frankreich – wie sich u.a. in der politisch-ideologisch-sozial heterogenen Bewegung der „Gelbwesten“ (seit Nov. 2018) kristallisierte – sei „nicht vorüber“. Denn „die Wut liegt nicht hinter uns“, und es gebe Gründe für „ehrlichen Zorn“, die „mit Ungerechtigkeit, mit ökonomischen Schwierigkeiten“ zusammenhingen“. Der es sagt, muss es wissen, denn es handelt sich um niemand anderen als um Staatspräsident Emmanuel Macron. (…) Beispiele für „Ungerechtigkeit“ und „Gründe für ehrlichen Zorn“ hätte er gar nicht so weit entfernt, ebenfalls in Südostfrankreich, auffinden können, hätte er nach ihnen gesucht. In Nizza (Hauptstadt des Nachbarbezirks Alpes-Maritimes) wurde der bisher zu den Vorfällen, die zur Verletzung der 73jährigen ATTAC-Aktivistin Geneviève Legay anlässlich einer „Gelbwesten“demonstration im März dieses Jahres führten, ermittelnde Staatsanwalt der Lüge überführt. Er selbst räumte jüngst ein, gelogen zu haben, um den zuvor ebenfalls lügenden Präsident Emmanuel Macron zu decken. (Wir berichteten ausführlich.) (…) Unterdessen übten Teilnehmende an der samstäglichen „Gelbwesten“demonstration am zurückliegenden Sonnabend, den 27. Juli 19 eine Szenen-Nachstellung am Tatort für die Polizeiattacke, bei welcher Geneviève Legay schwer verletzt wurde…“ Artikel vom 29.7.2019 von Bernard Schmid – wir danken!

Frankreich: Nach Justizskandal um Polizeigewalt: Kein Karriereknick für den Staatsanwalt – „Gelbwesten“ betreiben Nachstellung am Tatort der Polizeiattacke im Falle Geneviève Legay

Aus sozusagen berufenem Munde erfährt man, die soziale Krise in Frankreich – wie sich u.a. in der politisch-ideologisch-sozial heterogenen Bewegung der „Gelbwesten“ (seit Nov. 2018) kristallisierte – sei „nicht vorüber“. Denn „die Wut liegt nicht hinter uns“, und es gebe Gründe für „ehrlichen Zorn“, die „mit Ungerechtigkeit, mit ökonomischen Schwierigkeiten“ zusammenhingen“. Der es sagt, muss es wissen, denn es handelt sich um niemand anderen als um Staatspräsident Emmanuel Macron. Am Samstag, den 27.07.19 (Vgl. https://actu.orange.fr/politique/gilets-jaunes-pour-emmanuel-macron-la-colere-n-est-pas-derriere-nous-magic-CNT000001hvwcJ.html externer Link), an dem er in der Nähe seines derzeitigen Urlaubsorts (der Präsidialresidenz von Bregançon) im südostfranzösischen Département Var Hände schütteln ging, äußerte er sich entsprechend von Mikrophonen und Kameras.

Sicherlich, der Mann meinte es nicht kritisch. Es ging ihm vielmehr darum zu zeigen, man habe ein offenes Ohr, doch leider, leider sei es der amtierenden Regierung noooooch nicht gelungen, überall dort Fortschritte zu zeitigen, wo, ach ja achherrje, die bösen Vorgänger versagt hätten. Welch ein Jammer aber auch. – Aber immer, in der Sache wird man ihn künftig beim Wort nehmen dürfen…

Beispiele für „Ungerechtigkeit“ und „Gründe für ehrlichen Zorn“ hätte er gar nicht so weit entfernt, ebenfalls in Südostfrankreich, auffinden können, hätte er nach ihnen gesucht. In Nizza (Hauptstadt des Nachbarbezirks Alpes-Maritimes) wurde der bisher zu den Vorfällen, die zur Verletzung der 73jährigen ATTAC-Aktivistin Geneviève Legay anlässlich einer „Gelbwesten“demonstration im März dieses Jahres führten, ermittelnde Staatsanwalt der Lüge überführt. Er selbst räumte jüngst ein, gelogen zu haben, um den zuvor ebenfalls lügenden Präsident Emmanuel Macron zu decken. (Wir berichteten ausführlich.)

Nun stellt sich heraus: Konsequenzen, jedenfalls in Form eines Karriereknicks, wird dieses Verhalten für den betreffenden Staatsanwalt keine haben. Jedenfalls nicht unter der amtierenden Regierung und ihrer Justizministerin Nicole Belloubet. Diese erklärte sich schwer erstaunt über das Verhalten ihres Untergebenen (Staatsanwälte und -anwältinnen sind in Frankreich gegenüber dem Justizministerium weisungsgebunden; Richterinnen und Richter sind es seit der Justizreform vom 15. Juni 2000 nicht länger). Lügen, um Präsident Macron zu schützen? Dies sei doch nicht nötig gewesen – nicht doch, nicht doch, wer wird denn gleich lügen? -, wo doch, hihi, die Justiz in Frankreich vom Gutwill der Regierung unabhängig sei. Sie „finde“ dies, ergo, „ziemlich merkwürdig“. (Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/affaire-legay-le-procureur-dit-avoir-defendu-la-police-pour-ne-pas-contredire-macron-20190724 externer Link und https://www.lexpress.fr/actualite/societe/justice/les-procureurs-toujours-tres-dependants-du-pouvoir-executif_2091590.html externer Link) Ansonsten verlautbart aus dem Justizministerium, einigermaßen treuzherzig: „Wir haben auf Grundlage des Untersuchungsberichts eingeschätzt, dass es keinen Anlass zu Disziplinarstrafen gibt.“ (Vgl.: https://www.liberation.fr/france/2019/07/24/affaire-legay-le-procureur-de-nice-a-menti-pour-proteger-macron_1741848 externer Link) Ende der Debatte. Hätte der Justizbeamte gelogen, nicht um den Staatspräsidenten zu decken, sondern um ihn etwa vorzuführen – wäre dann die Entscheidung ähnlich ausgefallen? Gute Frage, nicht wahr?

Unterdessen übten Teilnehmende an der samstäglichen „Gelbwesten“demonstration am zurückliegenden Sonnabend, den 27. Juli 19 eine Szenen-Nachstellung am Tatort für die Polizeiattacke, bei welcher Geneviève Legay schwer verletzt wurde (ohne sie, behauptete Staatsanwalt Jean-Michel Prêtre zunächst – bevor sich im Laufe der Untersuchung dann eines Anderen besann – überhaupt zu berühren).(Vgl. dazu: https://france3-regions.francetvinfo.fr/provence-alpes-cote-d-azur/alpes-maritimes/nice/nice-gilets-jaunes-reconstituent-chute-genevieve-legay-1704634.html externer Link und: https://www.gj-magazine.com/gj/les-gilets-jaunes-organisent-la-reconstitution-de-la-bavure-sur-genevieve-legay/ externer Link oder: https://www.facebook.com/watch/?v=499717340776189 externer Link)

Ceterum censeo, a propos, by the way, ganz nebenbei: Wie man das (die Sache mit dem Protest) doch besser nicht macht, führten unterdessen am Samstag rund zwanzig Herrschaften und Damen in Gelben Westen im südwestfranzösischen Perpignan vor. Diese demolierten das Wahlkreisbüro des Abgeordneten der wirtschaftsliberalen Regierungspartei LREM, Romain Grau, und wollten darin ein Feuerchen legen – nicht nur, während er selbst sich darin befinden, sondern auch in Anbetracht der Tatsache, dass zwei Wohnungen direkt über den Räumlichkeiten liegen. Nein, nicht alle Teilnehmenden an allen Aktionen sind immer intelligent. (Vgl. https://www.francetvinfo.fr/economie/transports/gilets-jaunes/saccage-de-la-permanence-parlementaire-de-romain-grau-a-perpignan-le-depute-lrem-a-depose-plainte_3554265.html externer Link und http://www.leparisien.fr/faits-divers/perpignan-enquete-ouverte-apres-le-saccage-de-la-permanence-d-un-depute-lrem-29-07-2019-8125407.php externer Link)

Artikel vom 29.7.2019 von Bernard Schmid – wir danken!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=152299
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