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Frankreich: Extreme Rechte und soziale Bewegung

Artikel von Bernard Schmid vom 11.4.2016

Über den inhaltlichen Eiertanz, den der französische Front National (FN) derzeit angesichts der aktuellen Sozialprotestbewegung – gegen die geplante drastische Verschlechterung der Arbeitsgesetzgebung – aufführt, berichteten wir an dieser Stelle bereits. Und werden in Bälde darauf zurückkommen. Ebenso erwähnten wir bereits die gewaltförmige Bedrohung, die für Teilnehmende an den Protesten mitunter von militanten Faschistenstrukturen ausgeht. Die Studierendengewerkschaft UNEF protestierte soeben in Lyon gegen gewalttätige Übergriffe, die dort von der militanten neofaschistischen Studentengruppe GUD (Groupe Union-Défense) ausgehen. (Vgl. dazu ausführlich: https://www.lyonmag.com/article/79598/loi-travail-l-unef-lyon-denonce-des-violences-de-la-part-du-gud externer Link)

Doch neben diesen äußeren Feinden besteht ein, sogar eher noch größeres Problem in den beharrlichen Versuchen von Rechtsextremen und faschistoiden „Querfrontlern“, die Sozialproteste zu infiltrieren und sich innerhalb des Protestspektrums breit zu machen. Gelungen ist ihnen dies, in gewissen Grenzen, anscheinend in erster Linie in Nizza. Diese südostfranzösische Stadt muss allgemein als reaktionäre Hochburg gelten. Dort startete in der ersten Aprilwoche 2016, wie in anderen französischen Städten, eine Platzbesetzerbewegung (mit einer zunächst relativ bescheidenen Zahl von 150 Teilnehmenden). Im Internet und bei Facebook aber erweckten Anhänger des hauptgewerblichen Antisemiten Alain Soral und seiner Gruppierung Egalité & réconciliation – E&R, „Gleichheit und Aussöhnung“ – zunächst den Eindruck, sie steckten inmitten der Protete, ja hinter der Bewegung. So etwas kommt davon, dass man sie dort weitestgehend ungestraft gewähren ließ. Und es sorgt wiederum dafür, dass andere Kräfte fernbleiben!

In Paris hingen und hängen Unterwanderungsversuche vor allem mit dem Namen von Sylvain Baron zusammen. Er gehörte früher der Verwirrten- und Verschwörungstheoreriker-Kleinpartei UPR von François Asselineau an. Inzwischen hat er sich politisch selbständig gemacht und ist Anführer bei einer ominösen „Bewegung des 14. Juli“. Diese trat angesichts des angespannten innenpolitischen Klimas, das 2014 u.a. rund um die Endphase der reaktionären Massenbewegung gegen die Homosexuellen-Ehe und den reaktionären Schulboykott der „JRE“ („Tage der Rausnahme aus dem Unterricht“, es ging dabei gegen „Gleichstellungsideologie“ und „Genderquatsch“) lautstark hervor. Und sie zeichnete sich dadurch aus, dass sie öffentlich Kreise der französischen Armee zu einem Militärputsch aufforderte, um die schwere „Regimekrise“ zu überwinden. Diese Bewegung tritt aber auch pseudo-rebellisch auf, verteidigt Russland gegen die „Neue Weltordnung“, prangert die USA im Allgemeinen und die NSA-Affäre im Besonderen an und bezichtigt die amtierende Regierung gerne des „Landesverrats“.

Bei der Pariser Platzbesetzerbewegung flog Sylvain Baron laut eigenem Bekunden inzwischen (mindestens) vier Male von der place de la République, dem Ort der Besetzung. Am Mittwoch, den 06. April ließ jedoch ein geschickter Redner die Teilnehmenden – die sich mehrheitlich der Tragweite ihrer Abstimmung nicht bewusst waren – per Handzeichen einen Entschluss annehmen, dass man gegen Ausgrenzung von wem auch immer je sei. Er fügte dann jedoch explizit  hinzu, ihm behage der am Samstag (02. April) erfolgte erstmalige Hinauswurf des rechten Querfrontaktivisten Sylvain Baron nicht. Man sei doch erwachsen genug, rechtsextreme Ideen zu bekämpfen und nicht zu akzeptieren, wenn man sie anhöre.

Im hinteren Teil der Bühne kam es im Moderationsteam daraufhin zu ersten heftigen Diskussionen. Aber auch aus der „Menge“ heraus kam es kurz darauf zu Widerspruch. Mehrere Redner/innen aus dem Publikum erklärten daraufhin, dass die fraglichen rechten Unterwanderer natürlich nicht offen mit einem faschistischen Diskurs aufträten, und der Ordnerdienst erklärte, er lege seine Tätigkeit nieder, falls keine klare Abgrenzung zu Faschisten auf dem Platz gegeben sei. Nach einer halben Stunde hatte sich die Stimmung auf dem Platz dann in diesem Sinne gewandelt. Am Abend des Donnerstag, 07. April versuchte ein einzelner Redner, das Thema erneut – im Namen der „Toleranz“ – aufs Tapet zu bringen, fand jedoch dieses Mal keinen weiteren Widerhall.

Im Internet lässt Sylvain Baron selbst sich unterdessen darüber aus, dass er Opfer einer „Miliz“ in Gestalt einer „selbsternannten Antifa(gruppe)“ geworden sei. Diese stehe jedoch nur für 100 Menschen auf dem Platz, gegenüber „einer friedlichen Menge von 3,000 Menschen“. Letztere fordere er deswegen dazu auf, sich dieser „politischen Miliz“ zu widersetzen. Ansonsten mache sie sich der Beteiligung an einer Straftat, in Form der Vorbereitung gemeinschaftlich begangener Straftaten, mitschuldig. So ließ Baron sich etwa bei der Querfront-Internetpublikation Le blog de Jocelyne (Eintrag vom Sonntag, den 10. April) aus.

Am Wochenende wurde auch ein Facebook-Posting des Baron nahe stehenden Aktivisten Alain Benajam publik. Darin echauffiert er sich über den neuesten Ausschluss Sylvain Barons von dem besetzten Pariser Platz. Er steckt aber auch einen „theoretischen“, d.h. Ideologischen Rahmen für die Wahrnehmung der Protestereignisse ab. Ihm zufolge steht die Platzbesetzerbewegung in ihrer aktuellen Form in der Kontinuität der „Farbrevolutionen“, die – durch die USA initiiert, gesponsert und unterstützt – im Einflussbereich Russlands, in Serbien und in arabischen Ländern gegen die (ansonsten stabilen, tollen, unterstütztenswerten und friedfertigen..) dortigen Regimes organisiert worden sei. Die „linksradikalen Pariser Yuppies“ dienten auf diese Weise als Manövriermasse, um den französischen Staat zu destabilisieren. Man müsse sich von ihrem Einfluss frei machen, stattdesse brauche es „eine nationale und Volks-Revolution“, die dann wirklich gegen das Imperium gerichtet sei.

Darüber diskutiere er, Benajam, derzeit gerade auch mit „mit Thierry Meyssan“. Der ehemalige Antifaschist (vor 2000) Meyssan ist einer der früheren französischen Verschwörungsideologen und einer der ersten Autoren, der behauptete, die „offizielle Version“ zum 11. September 2001 „widerlegen“ zu können. Während er behauptet, in Frankreich sei angeblich sein Leben bedroht, lebt Meyssan nun seit mehreren Jahren in Damaskus – derzeit gewiss einer der sichersten Orte auf der Welt, und so friedlich – unter dem Schutz des syrischen Folterregimes.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=96401
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