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Ein Jahr Gelbwesten in Frankreich: Die „etwas andere Bewegung“ mobilisiert immer noch – obwohl Macrons Polizei das halbe Land in Tränengas hüllt

Zum selben Zeitpunkt am 16.11.2019, als der Pariser Polizeipräsident verkündete, alles im Griff zu haben...„… Ein Jahr lang Gilets Jaunes, das bedeutet ein Jahr lang Demonstrationen, Versammlungen, Straßenblockaden, Besetzungen. Das bedeutet 53 Wochenenden an denen es irgendwo in Frankreich Tränengas für die aufmüpfigen Massen gegeben hat. Ein Jahr Gilets Jaunes, das bedeutet mehrere Tote, die meisten starben bei Verkehrsblockaden, weil sie von Autofahrern tot gefahren wurden, eine alte Frau in Marseille verlor ihr Leben durch eine Tränengasgranate, die sie am Fenster ihrer Wohnung im vierten Stock traf. Ein Jahr Gilets Jaunes, das heißt Dutzende, die ihr Augenlicht durch die Gummigeschosse der Bullen verloren haben, abertausende von Menschen, die Opfer von Bullengewalt geworden sind,. Ein Jahr Gilets Jaunes, das heißt tausende von Gerichtsverfahren, hunderte von Verurteilungen zu Gefängnisstrafen ohne Bewährung. Ein Jahr Gilets Jaunes, das bedeutete durchwachte Nächte an den Verkehrskreiseln, bei Minusgraden sich an der Gesellschaft der Gefährten und den Flammen der Feuertonne zu wärmen. Ein Jahr Gilets Jaunes hieß Barrikaden auf den Champs Elysees, Verwüstungen in den nobelsten Vierteln der französischen Hauptstadt, die nicht einmal während es Mai 68 angetastet wurden. Ein Jahr Gilets Jaunes heißt auch hunderte, ja tausende von Pamphleten, Flugblättern, Kommuniques, die meisten geschrieben mit heißem Herzen. Aus meiner Sicht bildet diese Revolte in ihrer Heterogenität, in ihrer Widersprüchlichkeit, ihrer Spontanität, ihrer radikal militanten Haltung ebenso wie in ihrem Bruch mit den traditionellen linken Vermittlungs- und Definitionsinstanzen das Niveau des Zusammenpralls der derzeitigen Klassenauseinandersetzungen ab...“ – aus dem einleitenden Kommentar von Sebastian Lotzer zu seinem Dossier „Ein Jahr Gilets Jaunes – Ein Jahr Aufruhr“ am 15. November 2019 bei non.copyriot externer Link, worin eine Reihe wesentlicher Texte aus diesem Jahr dokumentiert werden. Siehe dazu zwei aktuelle Demonstrationsberichte (aus der Provinz), einen Bericht über einen der vielen Polizeieinsätze (aus Paris), eine Chronologie eines Jahres Gelbwesten sowie einen Kommentar zur Umfrage, ob sie oder Macron beliebter sind…

  • „Gelbwesten: Unterstützung von 69 Prozent der Franzosen“ von Thomas Pany am 15. November 2019 bei telepolis externer Link zur „Beliebtheits-Umfrage“ (die, auch bei unterschiedlicher Auswertung von Zahlen, überall eines deutlich macht: Dass die Zustimmung zu den Protesten weitaus größer ist, als jene für die Politik der Regierung): „… Mittlerweile sind die Gelbwesten-Proteste bei „Acte 53“ angekommen. Für das Wochenende erwarten sie aufgrund des Datums wieder eine größere Mobilisierung, über 200 Veranstaltungen sind angemeldet. Die Medien sind voll mit Bilanzen und Kommentaren zu „einem Jahr Gelbwesten-Proteste“. Was Macron ahnt und in vielen Berichten beschrieben wird, ist, dass die Unterstützung für die Demonstrationen auf der Straße zwar merklich nachgelassen hat, aber nicht für die politische Sache der Gelbwesten. Mehr als zwei Drittel, 69 Prozent, der befragten Franzosen gaben in einer aktuellen Umfrage an, dass sie die Bewegung der gilets jaunes für berechtigt („justifié“) halten. Im November 2018 lag die Unterstützung bei der Umfrage von Odoxa-Dentsu zwar mit 74 Prozent um 5 Prozentpunkte höher, aber es ist nicht zu übersehen, dass das deutliche Schwinden der Teilnehmerzahlen bei den Demonstrationen nicht gleichzusetzen ist mit einem deutlichen Rückgang der Unterstützung in der Meinung der Bevölkerung. Zu denken geben muss der politischen Führung in Paris auch, dass fast zwei Drittel der Befragten (64%) der Auffassung sind, dass Macron der Bewegung nicht genügend Rechnung getragen hat und 58 Prozent die Bewegung als eine „eher gute Sache“ einschätzen, unter den Schichten, die man in Frankreich als „populaires“ bezeichnet, sind es sogar 68 Prozent…“ Siehe auch: Gelbwesten-Geburtstag: Die Gegenöffentlichkeit bleibt lieber zuhause. Überblick von Thomas Pany vom 17. November 2019 bei telepolis externer Link mit vielen Hintergründen und Links
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=157430
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