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Marine Le Pen schneidet bei Umfrage als zweitbeliebteste Politikerin ab. Unterdessen geht sie zum Angriff auf die Umfrage-Gewinnerin und IWF-Chefin Christine Lagarde über – und attackiert erneut den Euro

Artikel von Bernard Schmid vom 6.3.2013

Hinter dem freundlich-modernen Gesicht kommt die alte Fratze zum Vorschein. Auch wenn die 44jährige Marine Le Pen eine junge Frau ist und in gewisser Weise an der Feminisierung der politischen Landschaft Anteil hat – es hieße einem Mythos aufzusitzen, würde man glauben, sie würde mit „weicheren Werten“ oder auf humanere Weise Politik betreiben. Bisherige ideologische Grundlagen ihrer Partei bleiben ebenso unverändert wie die Polarisierungsstrategie, die dann eingeschlagen wird, wenn die extreme Rechte es für taktisch oder strategisch vorteilhaft erachtet.

Am Sonntag, den 03. März 13 feierte der rechtsextreme Front National (FN) einen neuen Erfolg in seinem Kampf um die öffentliche Meinung. Eine am Tag publizierte Umfrage des Journal du dimanche (JDD) über Frauen in der Politik beförderte Parteichefin Marine Le Pen auf den zweiten Platz der beliebtesten Politikerinnen. Dicht hinter der Titelgewinnerin, der früheren französischen Wirtschaftsministerin und derzeitigen IWF-Direktorin Christine Lagarde. Auf die Frage „Unter den genannten Frauen, für welche vier wünschen Sie in Zukunft eine wichtigere Rolle in der französischen Politik?“ hatten 34 Prozent „Christine Lagarde“ geantwortet. Und 31 Prozent antworteten: „Marine Le Pen“. Am Abend desselben Tages sorgte die Chefin des Front National für neue Schlagzeilen. Dieses Mal durch ihre Äußerungen über Christine Lagarde, die in dem besagten Rennen um Beliebtheitswerte kurz vor ihr abgeschnitten hatte.

„Madame Lagarde ist keine französische Politikerin, sondern eine vaterlandslose (apatride) Politikerin. Wenn man der Spitze solcher internationalen Organisationen steht, vergisst man seine Nationalität, man bezieht sich nicht mehr darauf, und vor allem darf man nicht in Bezug auf die Interessen der eigenen Nation denken.“ So wetterte Marine Le Pen beim Fernsehsender BFM TV über die frühere französische Ministerin, die im Jahr 2011 ihren Landsmann Dominique Strauss-Kahn ablöste, welcher aus – nun ja – bekannten Gründen aus dem Amt abtreten musste, kurz bevor er sich auf eine Kandidatur zur französischen Präsidentschaft vorbereiten wollte. Der Ausdruck apatride für „vaterlandslos“ (juristisch bezeichnet er auch staatenlose Personen, also Menschen ohne Staatsbürgerschaft) wurde auf der nationalistischen Rechten historisch vor allem benutzt, um das capital apatride zu bezeichnen, das „vaterlandslose Finanzkapital“ – als beliebte antisemitische Chiffre.

An der oben zitierten Umfrage ist noch bezeichnend, in welchen Kategorien Marine Le Pen besonders gut abschnitt. Wenig überraschend ist, dass 97 % derjenigen Teilnehmer/innen an der Befragung, die sich selbst als FN-Wähler/innen bezeichnen, Marine Le Pen zu ihren beliebtesten Politikerinnen rechnen. Hingegen ist interessant, dass auch 37 % derjenigen, die sich selbst als Wähler/innen der konservativ-wirtschaftsliberalen UMP – der stärksten Oppositionspartei in Frankreich – einstufen, ebenfalls für Marine Le Pen votieren. Allerdings setzen sie die Chefin des FN „nur“ an die vierte Stelle, und andere Politikerinnen (die drei früheren UMP-Ministerinnen Christine Lagarde, Nathalie Kosciusko-Morizet und Valérie Pécresse) sind bei ihnen beliebter.

Unter den Wähler/inne/n der Linksparteien taucht Marine Le Pen hingegen nicht unter den populärsten Politikerinnen – für jede Gruppe werden jeweils fünf aufgelistet – auf. Beruhigend, immerhin. Im Übrigen nennen 33 % der befragten Männer und 29 % der Frauen jeweils Marine Le Pen.

Zu den Erfolgen der FN-Chefin im Kampf um einen vorteilhaften Platz in der Meinungs- und Medienwelt zählt auch jener Gastkommentar, den ihr Vizepräsident (und Lebensgefährte) – der promovierte Jurist und frühere Rugby-Spieler Louis Aliot – am 14. Februar 13 in der konservativ-wirtschaftsnahen Tageszeitung Le Figaro unterbringen konnte. Dass führende Politiker des FN dort unmittelbar und unter ihrem eigenen Namen veröffentlichen dürfen, ist zwar nicht völlig neu (in den 1990er Jahren gab es mehrere Beispiele dafür), war jedoch in den letzten Jahren nur in Ausnahmefällen denkbar.

In dem zitierten Beitrag schreibt Louis Aliot über die Erfolge der „Strategie der Entdiabolisierung (dédiabolisation)“ , die Marine Le Pen seit ihrer Übernahme des Parteivorsitzes im Januar 2011 umzusetzen versucht. Aliot schreibt dazu, es sei ein Irrtum, anzunehmen, dass der FN deswegen seine ideologischen Grundsätze aufgebe: „In Wirklichkeit besteht die ,Entdiabolisierung‘ darin, uns zu zeigen, so wie wir sind – und nicht so, wie die von den Berufspolitikern (angefertigte) Karikatur uns darstellen wollte.“ Statt seine Grundsätze aufzugeben, arbeite der FN daran, die Glaubwürdigkeit seines Programms zu unterstreichen – als deren ersten Punkt nennt Louis Aliot „die Verteidigung der Identität und die Bekämpfung der Einwanderung“.

Nicht immer und zu allen Themen folgt die öffentliche Meinung dem FN bereitwillig. Beim (alltäglichen) Rassismus ist diese Gefahr in Teilen der französischen Gesellschaft relativ stark. Dagegen folgt die öffentliche Meinung der rechtsextremen Partei beispielsweise weniger, wo es darum geht, den Ausstieg aus dem Euro oder gar aus der EU zu propagieren. (Vgl. auch die aktuelle Untersuchung zum Meinungsklima betreffend den FN, siehe https://www.labournet.de/internationales/frankreich/politik-frankreich/rechte-f/laut-umfrage-32-prozent-teilen-die-ideen-des-fn/) Nichtsdestotrotz betreibt der FN aktuell eine aktive Kampagne auch zu dem Thema – darauf bauend, dass er zwar momentan für solche Thesen gewiss keine Mehrheit findet, diese aber gleichzeitig ein politisches Alleinstellungsmerkmal für die Partei darzustellen. Zudem glaubt die extreme Rechte relativ fest daran, dass die Entwicklung in naher Zukunft ihr Recht geben werde, falls die Euro-Krise wieder aufflammt (etwa infolge des jüngsten Wahlausgangs in Italien) und/oder zentrifugale Tendenzen innerhalb der Währungsunion wieder verstärkt zunehmen.

Am Samstag, den 02. März 13 forderte Marine Le Pen so Staatspräsident François Hollande öffentlich dazu auf, er solle eine Volksabstimmung zum Thema „Austritt aus der Europäischen Union (oder nicht?)“ anberaumen. Darüber solle die französische Bevölkerung im Januar 2014 abstimmen. Zwar hat die Referendumsforderung im Augenblick null Chancen, angenommen zu werden, da die stärksten politischen Parteien ebenso wie die Regierung und die Staatsspitze strikt dagegen sein werden. Doch Marine Le Pen nutzt die medienwirksam erhobene Forderung, um Propaganda für ihre Kritik an Euro und EU zu machen. Dabei knüpft sie unter anderem auch daran an, dass der britische Premierminister David Cameron die Inselbevölkerung seinerseits bis im Jahr 2016 über den Verbleib bei der oder Austritt aus der Europäischen Union abstimmen lassen möchte (wenngleich der Regierungschef selbst nicht einen solchen Austritt befürwortet).

Bei ihrem Auftritt am Samstag – am Rande einer Tagung von Spitzenpolitikern des FN in Sèvres, westlich von Paris – berief Marine Le Pen sich aber auch auf den italienischen Polit-Clown Beppe Grillo.  der mit rund 25 % der abgegeben Stimmen jüngst zu den Wahlsiegern bei den italienischen Parlamentswahlen vom 24./25. Februar 13 zählte. Marine Le Pen behauptete, mit dem programmatisch leicht undefinierbaren Polit-Star von der „Fünf Sterne-Bewegung“ in Italien drei Dinge gemeinsam zu haben: „Gegen den Euro, gegen die Korruption und Anti-System“ zu sein.

 

 

 

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=28447
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