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Macron: Neues Arbeitsgesetz verordnet. Gewerkschaften gespalten. Aber…

Plakat Solidaires gegen Loi travail 2 von MacronWas der französische Präsident (wie sein Vorgänger) mit den Verordnungen zur Veränderung der Arbeitsgesetze im Dienste des Wunschkatalogs des Unternehmerverbandes MEDEF getan hat, bedeutet zweierlei: Einmal, öffentlich erneut  zu demonstrieren, dass der Parlamentarismus zunehmend überflüssig wird (und in Wirklichkeit auf ein altes reaktionäres Konzept zurück zu greifen: das der „unpolitischen“ Technokraten-Regierung, die per Direktiven schnell handlungsfähig sei). Zum anderen aber auch – und aktuell vor allem – den Protesten und dem Widerstand „den Wind aus den Segeln“ zu nehmen. Indem, in einer Kombination aus sogenanntem Dialog, einer koordinierten Propagandakampagne und der Ausnutzung der Spaltung der Gewerkschaften, erst recht vor dem Hintergrund der Niederlage der großen Bewegung gegen diese Reform im letzten Jahr, gewerkschaftlicher Widerstand in die Defensive gedrängt wird. Die Reaktion der Gewerkschaften ist gespalten, das ja, aber es ist eine durchaus kompliziertere Sachlage, als erste Stellungnahmen etwa zum Widerstandstag am 12. September nahe legen möchten. Unsere aktuelle Materialsammlung „Reaktionen französischer Gewerkschaften auf Macrons Verordnungen“ vom 03. September 2017 versucht (in einem sicher unvollständigen Überblick) die Reaktionen und ihre Differenzierung zu dokumentieren:

Reaktionen französischer Gewerkschaften auf Macrons Verordnungen

Gewerkschaftliche Stellungnahmen zeigen deutliche Unterschiede

„Code du travail : mort sur ordonnances“  am 31. August 2017 bei SUD Solidaires externer Link ist eine erste Stellungnahme (inklusive der Ankündigung einer ausführlicheren) nach Veröffentlichung der Verordnungen. Darin wird zum Einen fest gehalten, dass der von Regierungsseite aus beschworene soziale Dialog niemals stattgefunden hat, zumal solche Fakten geltend sind, wie, dass der alternative Gewerkschaftsbund nicht einmal die entsprechenden Dokumente erhalten habe. Die entscheidenden Themen dieses Macron Projekts seien vor allem die Erleichterung der Entlassungen und die Reduzierung des betrieblichen Sicherheitswesens. Zum „Beginn des Widerstandes“ wird zum 12. September aufgerufen.

„CONFÉRENCE DE PRESSE DE RENTRÉE DE LA CGT DU 29 AOÛT 2017“ am 30. August 2017 dokumentiert beim Syndicollectif externer Link sind Bericht und Materialien von der Pressekonferenz des Gewerkschaftsbundes CGT vom Vortag. Darin werden, ebenfalls mit den Schwerpunkt Erleichterung von Entlassungen und Arbeitssicherheit die Maßnahmen der französischen Regierung ausführlich kritisiert und eine Reihe von Gegenvorschlägen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und  –Beziehungen gemacht. Der Aufruf der CGT zum Protest und Streiks am 12. September ist ebenfalls dokumentiert.

„Ordonnances Travail : première analyse détaillée par FO“ am 01. September 2017 bei der Force Ouvrière externer Link ist eine ausführliche erste Stellungnahme der FO zu den Verordnungen (die auch als Antwort auf die massive Kritik an ihrem Vorsitzenden Mailly zu verstehen ist, der sich sehr schnell geäußert hatte im Sinne, es sei ein komplexes Ergebnis einer langen Debatte zwischen Gewerkschaften und Regierung – und schon mal jene erste Stimmen aus seinem Verband kritisierte, die im Gegensatz zu ihm zum Widerstand aufrufen). Dabei werden Fortschritte und Rückschritte abgewogen und das ganze nochmals als Ergebnis eines gewerkschaftlichen Kampfes dargestellt (der, so wörtlich in der Stellungnahme, in der Öffentlichkeit unsichtbar geblieben sei…) und „rote Linien“ skizziert. Fakt bleibt, dass die FO zentral nicht zum Widerstand gegen die Verordnungen aufruft.

„Ordonnances sur le code du travail : une occasion manquée“ am 31. August 2017 beim Gewerkschaftsbund CFDT externer Link ist eine Stellungnahme des offiziell größten Verbandes in Frankreich, der in den Verordnungen eine „verpasste Gelegenheit“ sieht (und dessen Vorsitzender Berger, erster Repräsentant der gewerkschaftlichen Sozialpartnerschaft in Frankreich bereits in einem fernseh-Interview bemängelt hatte, es habe keinen wirklichen sozialen Dialog gegeben). Die CFDT, im letzten Jahr der „große Abwesende“ bei der Widerstandsbewegung gegen Loi travail (obwohl es der Zentrale nicht gelungen war, den ganzen Verband von diesem Widerstand abzuhalten) betont zwar auch jetzt, nicht zu Protesten am 12. September aufzurufen, die Stellungnahme verglichen mit denen aus dem letzten Jahr ist aber eher auf mehrere Optionen hin offener.

„Communiqué de presse“ am 31. August 2017 beim Gewerkschaftsbund CFTC externer Link unterstreicht die Position des konservativen Verbandes, die Verordnungen seien ausgewogen und die „roten Linien“ der CFTC nicht überschritten, weswegen sie auch nicht zu Protesten am 12. September aufrufe – alles weitere werde die Vorstandssitzung in dieser Woche klären.

„Loi Travail XXL – Actions et mobilisations le 12 septembre“ am 01. September 2017 bei der CGT externer Link ist ein aktueller Überblick über die beschlossenen und in Vorbereitung befindlichen Aktivitäten und Streiks am landesweiten Protesttag 12. September – der kontinuierlich erweitert und aktualisiert wird.

„CHEMINOTS : en grève le 12 septembre“ am 02. September 2017 beim Front Syndical de Classe externer Link ist die Dokumentation des Gemeinsamen Aufrufes der Eisenbahn-Gewerkschaften von CGT und SUD zum Streik am 12. September.

„French unions respond to new labour law“ am 01. September 2017 bei IndustriAll externer Link ist ein absolutes Musterbeispiel an gewerkschaftlichem Eiertanz – der Versuch nämlich, aus den völlig konträren Positionen der diversen französischen Mitgliedsverbände irgendwie eine gemeinsame Position oder wenigstens irgendeine Art von Gemeinsamkeit heraus zu destillieren. Der krönende Höhepunkt lässt sich dann bereits in der Überschrift ablesen: „Die französischen Gewerkschaften reagieren auf das neue Arbeitsgesetz“. In der Tat, tun sie…

„Brussels welcomes French labour reforms as unions and left camp complain“ von Aline Robert am 01. September 2017 bei Euractiv externer Link ist die sensationelle Meldung, dass die EU die Reformen in Frankreich gut findet…

Basisgewerkschaftliche Reaktionen und gewerkschaftsoppositionelle Beschlüsse

„Les fédérations Transports CGT et FO appellent à la mobilisation du 12 septembre“ am 01. September 2017 bei der CGT externer Link ist die Meldung über den gemeinsamen Streikaufruf der Transportverbände von CGT und FO, was bei letzterem ja ein direkter Affront gegen die FO Führung ist.

„FO Finistère : Les vents contestataires viendront de l’ouest !“ am 02. September 2017 beim Front Syndical de Classe externer Link (FSC)  ist die Dokumentation eines Aufrufes des Regionalverbandes Finisterre der FO, der sich ganz explizit gegen die Position der FO Zentrale richtet und zum Widerstand am 12. September aufruft.

„A Tours aussi, FO dans l’action le 12 septembre !“ am 01. September 2017 ebenfalls beim FSC externer Link dokumentiert, ist die ebenfalls offen oppositionelle Stellungnahme des Regionalverbandes Tours der FO, in der ebenfalls zum 12. September aufgerufen wird.

„Greve&Manifestation La Roche sur Yon“ vom 25. August 2017 beim Syndicollectif externer Link (SC)  ist der gemeinsame Streikaufruf für La Roche der CGT, FO, FSU und SUD Solidaires für den 12. September in dem die Einheit der Aktion besonders betont wird. Dieser Aufruf ist Bestandteil der entsprechenden Sammlung solcher Aufrufe beim SC.

Mögliche Bündnispartner und ihre ersten Reaktionen

„Contre Macron et son Monde, mobilisons-nous !“ am 30. August 2017 bei Paris Luttes Infos externer Link ist ein Text, der die Reformen Macrons auseinander nimmt und zur Aktion aufruft – als ein Beispiel zahlreicher ähnlicher Dokumente aus autonomen und anarchistischen Strömungen an verschiedenen Orten Frankreichs.

„Blocage des lycées, manifestation  « Loi travail, second round ! »“ am 30. August 2017 bei Paris Démosphère externer Link ist ein Aufruf zu Schulblockaden am 12. September – von dem Netzwerk der SchülerInnen, die sich bereits im letzten Jahr massiv an den Protesten beteiligt hatten.

„Manifestation à Paris contre la réforme du droit du travail“ am 30. August 2017 bei Paris Démosphère externer Link ist der Aufruf zur Pariser Demonstration am 12. September. Darin werden auch verschiedene Aufrufe gewerkschaftlicher Branchenverbände und regionaler Organisationen verschiedener Gewerkschaften dokumentiert, sowie die entsprechenden Stellungnahmen und Aufrufe mehrerer linker Gruppierungen und auch akademischer Vereinigungen.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=120952
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