»
Frankreich »
»
»
Frankreich »
» »

Ein Kommentar zur Rolle der CGT im Widerstand gegen das neue Arbeitsgesetz – und ihren inneren Auseinandersetzungen

Frankreich 2016: Loi travail: non, merci!Die CGT, Frankreich ältester – 1895 gegründeter – und noch immer stärkster Gewerkschaftsdachverband, ist in den Mittelpunkt des innenpolitischen Streits gerückt. Die Angriffe aus Regierungskreisen und Kapitalverbänden, im Zusammenhang mit den augenblicklichen Streiks, konzentrierten sich in den vergangenen Tagen auf ihre Führung“ – so beginnt der Kommentar „Der Kampf gegen die CGT – und innerhalb der CGT“ von Bernard Schmid am 03. Juni 2016 (ursprünglich in leicht gekürzter Fassung in neues Deutschland)

Der Kampf gegen die CGT – und innerhalb der CGT

Kommentar von Bernard Schmid, in leicht gekürzter Fassung erschienen in der Tageszeitung ,Neues Deutschland’ (ND) vom Freitag, den 03. Juni 16 (Auch dabei geht es um den Kampf gegen das geplante „Arbeitsgesetz“. Folge 31 unserer aktuellen Serie dazu erscheint am Montag, den 06.06.16. Unser „Korrespondent“ befindet sich am heutigen Freitag seit sieben Uhr früh bei einem Aktiönchen gegen die Aktionärsversammlung des französischen Multikonzerns Bolloré. Letzterer bildet einen der übelsten Vertreter der herrschenden Klasse in Frankreich, und sein Konzern eine der wichtigsten Verbrecherstrukturen im Zusammenhang mit dem französischen Neokolonialismus in Afrika..)

Die CGT, Frankreich ältester – 1895 gegründeter – und noch immer stärkster Gewerkschaftsdachverband, ist in den Mittelpunkt des innenpolitischen Streits gerückt. Die Angriffe aus Regierungskreisen und Kapitalverbänden, im Zusammenhang mit den augenblicklichen Streiks, konzentrierten sich in den vergangenen Tagen auf ihre Führung.

Beim führenden TV-Privatsender TF1, vor seiner Privatisierung 1987, einstmals der erste Kanal des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sieht das dann so aus: Anfang dieser Woche zeigte ein böse grinsendes rotes und ein freundlich lächelndes gelbes Männchen. Die Sympathien schienen klar verteilt. Dabei sollte die Figur in roter Farbe die CGT repräsentierten, jene in gelb hingegen die CFDT – also den rechtssozialdemokratisch geleiteten, zweitstärksten Dachverband französischer Gewerkschaften. In der aktuellen Auseinandersetzung fordert die CGT die Rücknahme des geplanten „Arbeitsgesetzes“, seit Anfang dieser Woche alternativ auch die Abänderung an wichtigen Stellen. Dagegen fordert die CFDT durch ihren Generalsekretär Laurent Berger offiziell die Regierung dazu auf, nicht nachzugeben (vgl. „Laurent Berger (CFDT) : « Il est hors de question » que le gouvernement recule sur la loi travail“ externer Link am 25. Mai 2016 in Le Monde) und keine Abstriche an dem umstrittenen Entwurf vorzunehmen.

Zur medialen Wahrnehmung beider Richtungsgewerkschaftsverbände gehört auch, dass angeblich die CGT stalinistisch, die CFDT jedoch – wie es das „D“ in ihrem Kürzel auch suggerieren soll – demokratisch sei. Die Wirklichkeit sieht allerdings völlig anders aus. Denn gerade die CFDT wird heute zentralistischer denn je  geführt und setzt gegenüber ihren Mitglieder und den Lohnabhängigen das als „wirtschaftlich vernünftig“ Erachtete auch ohne Diskussion durch. Niemand an ihrer Basis wurde darüber konsultiert, ob Bergers Position zum „Arbeitsgesetz“ richtig sei, und einzelne Funktionsträger/innen neben auch an den Protesten teil.

In den letzten zwanzig Jahren hat die CGT ihrerseits sich sowohl von ihrer bisherigen politischen Bindung an die Französisch KP abgenabelt (bis 1996 hatte sie einen Vertreter in deren Parteivorstand) als auch eine weitgehende Dezentralisierung erfahren. Heute wird ihre Politik weitgehend von den einzelnen Branchen- und Bezirksverbänden bestimmt, zwischen denen die Unterschiede in gewerkschaftspolitischer Orientierung und Strategie erheblich gewachsen sind. Früher einmal diente die Vorstellung, die Kämpfe sollten irgendwann auf die Einführung eines sozialistisches Gesellschaftssystems hinaus- und dadurch zusammenlaufen, stets als bindende Klammer für diverse Teilbereichs- und Branchenkämpfe.

Doch heute gewinnen die Eigeninteressen von Branchen und Beschäftigtengruppen an Auftrieb. Deswegen ist die CGT derzeit von allen Organisationen, die die Proteste tragen, am stärksten gespalten. Ihre Branchengewerkschaft bei der Eisenbahn – die auf dem Kongress des Dachverbands, Ende April 16 in Marseille, eine Bündnispolitik mit der rechteren CFDT verteidigte – tritt hinter den Kulissen als Bremser auf, was eine Bündelung der Protestkräfte gegen das „Arbeitsgesetz“ betrifft. Sie geht davon aus, zwar zu den bahninternen Streitpunkten (etwa die Arbeitszeit betreffend) gewinnen könne, jedoch eine Vermischung unterschiedlicher Anliegen besser vermeide. Andere Branchenverbände, wie Chemie und Metall, treten in der allgemeinen sozialpolitischen Auseinandersetzung erheblich radikaler auf.

Am Montag, den 30. Mai schlug Arbeitgeberpräsident Pierre Gattaz verbal heftig auf die CGT ein: Ihre Mitglieder führten sich derzeit „wie Ganoven, wie Terroristen auf“. Der Dachverband hat deswegen Strafanzeige erstattet. Am Mittwoch, den 1. Juni räumte Gattaz sogar öffentlich ein, seinen Aussprach zu „bedauern“; vielleicht auch, weil diskrete Sondierungsgepräche über Verhandlungsspielräume längst begonnen haben. Aber auch oder v.a. aus Rücksicht – wie er er selbst erklärte – auf die Opfer der Anschläge „echter“ Terroristen wie jener vom 13. November 2015 in Paris; auf ihnen herumzutrampeln, etwa indem man ihr wahres Leid bagatellisiert oder herunterspielt, verstößt zudem gegen eine Art nationalen Konsens.

Gattaz’ Ausfälle erlaubten es jedoch einerseits der CGT, geschlossener denn je zu wirken – und andererseits dem Regierungslager, gegenüber dem Kapitalvertreter als „moderat“ aufzutreten, statt als dessen Interessenverwalter zu erscheinen. Sogar der selbst oft brachial auftretende Rechtssozialdemokrat Manuel Valls kritisierte seine Äußerung. Ebenso die amtierende Arbeitsministerin Myriam El Khomri.

Bernard Schmid, 3.6.2016

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=99148
nach oben