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Updated: 18.12.2012 16:07
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Frankreich: Streik in den Transportbetrieben fortgeführt. Studentische Protestbewegung weitet sich aus, sozialdemokratisierende Studentengewerkschaft UNEF und Regierung massiv unter Druck gesetzt

Auch wenn sich nach dem ersten Einlenken der CGT an einem zentralen Punkt, am Vorabend des Transportstreiks, nun in Ansätzen die Konturen einer Verhandlungslösung abzeichnen (vgl. Labournet von gestern), ging der Streik der französischen Transportbetriebe am Donnerstag und auch am Freitag unvermindert weiter.

Die rechtssozialdemokratische CFDT ist unterdessen offen aus der Streikfront ausgeschieden. Ihr Conseil national (“nationaler Rat”, ein Führungsgremium, das eine Art erweiterter Vorstandssitzung unter Einbeziehung der Chefs von Fachgewerkschaften und Regionalverbânden darstellt) beschloss am Donnerstag am spaten Nachmittag, offen zur Beendigung des Streiks bei den Eisenbahner/inne/n aufzurufen. Ihr Chef François Chérèque erklärte in einem Video, das auf der Homepage der liberalen Pariser Abendzeitung ‘Le Monde’ publiziert wurde, nunmehr müssten klar “die Verhandlungen gegenüber dem Streik privilegiert” werden. Die CFDT hat das Grundprinzip der Anhebung der Anzahl der obligatorischen Beitragsjahre für die bisher unter Renten-Sonderregelungen fallenden Lohnabhângigen auf 40 (und perspektisch aufg 42,5 Beitragsjahre für alle Beschâftigten ab 2020) prinzipiell akzeptiert. Ihr zufolge geht es nur noch darum, über konkrete Umsetzungsmodalitäten und eventuelle Ausnahmeregelungen für Beschäftigtengruppen mit besonders harten, erschwerten Arbeitsbedingungen zu sprechen.

Hingegen vertreten die anderen Gewerkschaften, allen voran die CGT als mit Abstand stärkster Beschäftigtenverband in den vom Rentenstreit betroffenen (öffentlichen) Unternehmen, zwar ebenfalls die Auffassung, man werde die Regierung wahrscheinlich nicht zum Einlenken und Nachgeben am zentralen Punkt der Reform bewegen können. Deswegen läuft ihre Strategie darauf hinaus, durch den vom Streik ausgehenden Druck zumindest Kompensationen herauszuholen, die eine Anhebung der erforderlichen Beitragsjahre auf 40 (durch die Regierung in den Jahren 2007 bis 2012 geplant) zwar nicht verhindern können, wohl aber ihre Wirkung de facto abmildern oder aufheben. Diese Strategie hat zwei Komponenten: Kurzfristig sollen kräftigere Anhebungen des Grundlohns (bisher besteht ein Gutteil der Entlohnung von EisenbahnerInnen aus Prämien wie bspw. Wochenendzuschlâgen, die nicht in die Rente mit einberechnet werden) ausgehandelt werden, die dafür sorgen, dass Strafbeiträge für fehlende Beitragsjahre zumindest die nächsten zu verrentenden Jahrgänge nicht betreffen. Gleichzeitig sollen, als längerfristiges Element, Anrechnungsmodalitäten für Beschäftigtengruppen aufgrund ihrer konkreten Arbeitsbedingungen vereinbart werden, die de facto zur Anerkennung mehrerer Beitragsjahre führen und also die Verlängerung der Lebensarbeitzeit konterkarieren. Die Regierung und die Bahndirektion selbst haben es ja übrigens vorgemacht, da sie, um die Lokführergewerkschaft FGAAC aus der Streikfront im November herauszubrechen, den Lokführer/inne/n im Vorfeld spezifische Zugeständnisse machten – die ihnen de facto fünf Beitragsjahre ersparen werden.

Bewertung

Nicht unrealistisch ist es tatsächlich, davon auszugehen, dass die konservative Regierung gleichzeitig wild entschlossen sein dürfte, an diesem Punkt der “grundsätzlichen” Erhöhung der Beitragsjahre und Verlängerung der Lebensarbeitzeit einen Autoritätsbeweis (von dem auch ihre Durchsetzungsfähigkeit bei allen spâteren “Reformen” abhângen wird) zu erbringen. Auch auf die Gefahr hin, einem mehrwöchigen, ja –monatigen Streik ins Auge zu sehen. In diesem Falle würde die Regierung versuchen, durch das Schüren von Sozialneid (“die Eisenbahner profitieren mit ihrer Rentenregelungen von überkommenen Regelungen”, obwohl deren Renten de facto wesentlich niedriger ausfallen als jene von Privatbeschâftigten, da – wie ausgeführt - ein Gutteil ihres Lohns aus Prämien besteht, die nicht in die Pensionsberechnung einbezogen werden) einen beträchtlichen Teil der öffentlichen Meinung zu mobilisieren. An diesem Sonntag um 15 Uhr findet auch tatsächlich eine erste Demonstration des Netzwerks “Stoppt den Streik!”, das sich während des Tauziehens um die allgemeine “Rentenreform” im Frühsommer 2003 herausgebildet hatte, statt.

Allerdings könnte die Regierung mit dieser Strategie auch auf dem Bauch landen. Zwar trifft es zu, dass in letzten Umfragen die Unterstützung in der französischen Öffentlichkeit für die Forderungen der Streikenden, im Zusammenhang mit den ‘Régimes spéciaux’ ‘(Sonderregelungen bei den Renten, regelmäßig bei 35 bis 40 Prozent liegt, und nie 45 Prozent übersteigt. Die erklärte Unterstützung betrifft also in diesem Falle nur eine starke Minderheit, während Streikbewegungen der Vergangenheit (etwa im November/Dezember 1995) sich auf ein masives Sympathiepolster in der Öffentlichkeit stützen könnten. Denn damals waren viele andere Beschâftigtengruppen der Auffassung, dass “die für uns mitstreiken, die wir aufgrund drohenden Arbeitsplatzverlustes nur schwer selbst streiken können”. (Damals, 1995, entstand der Begriff vom “Streik auf Vollmacht” für die Anderen, oder ‘grève par procuration’.) Dies ist heute so nicht der Fall. Allerdings bedeutet dies auch wiederum nicht, dass, wie der konservative Block sich dies wünschen würde, die Mehrzahl der Leute über die bösen “priviegierten” Eisenbahner herfällt. Es dürfte eine sehr starke “Grauzone” in der öffentlichen Meinung geben, die aus Leuten besteht, welche zwar nicht aktiv den Streik unterstützen (da sie ihn, anders etwa als den vom Spätherbst 1995, nicht als “unseren Streik” betrachten), wohl aber “Verständnis” zeigen und letztendlich mit Zugeständnissen der Regierung rechnen. In der Umfrage des Gossenblatts ‘Métro’, die in ihrer Ausgabe vom Dienstag erschien, unterstützen zwar nur 37 Prozent die Forderungen des Streiks (61 Prozent dagegen), aber zugleich erklären 51 Prozent, mit einem punktuellen Nachgeben der Regierung zu rechnen. Jene, die selbst gegen jegliche Zugeständnisse an die Streikenden sind und aktiv gegen den Streik eintreten, bilden wiederum selbst nur eine (größere) Minderheit. Vor diesem Hintergrund könnte im Falle einer Verlängerung des Streiks durchaus auch das Regierungslager, falls es als diejenige Seite da steht, die sich hart zeigt, für die Situation verantwortlich gemacht werden.

Näherer Ausblick

Sechs von acht bei der SNCF vertretenen Gewerkschaften oder Gewerkschaftsverbänden haben am Donnerstag Abend den konservativen Arbeits- und Sozialminister Xavier Bertrand dazu aufgefordert, “noch im Laufe des Freitag” zu Verhandlungen mit den Eisenbahnergewerkschaften zusammen zu treffen. Er soll den Rahmen präzisieren, den die Regierungen für Verhandlungen im Rahmen des (öffentlichen) Unternehmens SNCF vorgibt und abgesteckt hat, um die vorgegebenen Spielräume für eventuelle unternehmensspezifische Verhandlungen zu kennen. Unterzeichner der gemeinsamen Erklärung vom Donnerstag ist sowohl die CFDT, die bereits der Streikfront den Rücken gekehrt hat und nur noch auf Verhandlungen setzt, als auch (als die stärkste Gewerkschaft, die nunmehr eine zentrale Position einnimmt) CGT. Neben ihnen finden sich kleinere Gewerkschaften, die eher “moderater” auftreten als die CGT, aber noch im Streik vertreten sind.

Hingegen zählt die linksalternative Basisgewerkschaft SUD Rail, die bei der SNCF die zweitstärkste Gewerkschaft (mit 15 % der Stimmen bei Personalratswahlen) ist, bislang nicht zu den Unterzeichnern. Sie wirft der Regierung vor, lügnerische Angaben zu den Rentenregelungen für die betroffenen Beschâftigten in der Öffentlichkeit zu machen, und hat zudem bislang – im Gegensatz zu den anderen Gewerkschaften – noch nicht die Einladung des Ministers von Anfang dieser Woche zur grundsätzlichen Eröffnung von Verhandlungen empfangen. SUD Rail privilegiert bisher die Entwicklung und Aufrechterhaltung der Streikbewegung.

Nach Auffassung von großen Teilen der Basis der anderen Gewerkschaften (und insbesondere der CGT) sowie von SUD Rail muss derzeit der Druck des Streiks unbedingt aufrecht erhalten werden, die die zentrale Führung der CGT gern lieber kanalisieren werden möchte, um ihn eher punktuell als Unterstützung für ihre Verhandlungsführung zu nutzen. Da über die Fortführung des Streiks überwiegend in Vollversammlungen in den Bahndepots entschieden wird, ist die Leitung des CGT-Apparats aber derzeit nicht Herrin der Situation. Viele der Streikenden sind der Auffassung, dass man mindestens bis Anfang der kommenden Woche den Druck der Streikbewegung unvermindert aufrecht erhalten müsse, um den Brückenschlag zu anderen Sektoren hinzubekommen.

Am Dienstag kommender Woche (20. November) treten zusätzlich noch zahlreiche Sektoren des sonstigen öffentlichen Diensts für einen zunächst 24stündigen Ausstand mit in den Tanz ein: Krankenschwestern, LehrerInnen und Postbedienstete, die anders als Transport-, EDF- und GDF-Beschäftigte nicht von den ‚Régimes spéciaux' (Sonderregelungen bei den Renten) betroffen sindn. Ihre Gewerkschaften rufen zum Ausstand gegen den Stellenkahlschlag in den öffentlichen Diensten und gegen die Austeritätspolitik bei den Löhnen und Gehältern auf. Die konservative Regierung plant erklärtermaßen, jeden zweiten altersbedingten Abgang in den öffentlichen Diensten nicht zu ersetzen. Zudem treten am 29. November, zu Anfang der darauffolgenden Woche, AnwältInnen und Richter/innen gegen die “Justizreform” in den Streik. Ihr Protest richtet sich sowohl gegen die Schließung vieler “kleinerer” Gerichte, die eingespart werden (was vor allem viele BewohnerInnen von Départements außerhalb von Paris zu erheblich längeren Anfahtszeiten zwingen, und damit einem erschwerten Zugang zur Justiz führen wird) als auch gegen die von der Regierung jüngst eingeführten Mechanisme, die die Richter zum Teil in Automaten verwandeln werden. Denn ein neues Gesetz, das durch Justizministerin Rachida Dati im Hochsommer präsentiert und im August verabschiedet wurde, verpflichtet die Richter/innen, bei Rückfalltätern “Mindeststrafen” zu verhängen und damit von der persönlichen Situation des/r Angeklagten weitgehend zu abstrahieren – es sei denn, sie verfassen eine schriftliche Aisnahmebegründung, wozu die Richter/innen aber in vielen Fällen aus Überlastungsgründen schlichtweg keine Zeit finden werden. Die Justiz ging damit einen Schritt weiter auf einen repressiven Automaten zu, zum Missfallen auch vieler Justizangestellter, Richter/innen und erst recht AnwältInnen. Den Stein des Anstoßes zum jetzigen Protest bildet aber vor allem die, aus Einsparungsgründen erfolgende, räumliche Konzentration der Gerichtsorte, die so genannte ‘Réforme de la carte judiciaire’. Aus diesem Grunde stimmten am gestrigen Donnerstag sogar 3 Abgeordnete der konservativen Regierungspartei UMP gegen den Haushalt des Justizministeriums, nachdem zuvor 15 bürgerliche Abgeordnete gegen das geplante Dichtmachen “kleinerer” Gerichte in ihren jeweiligen Wahlkreisen aufbegehrt hatten. Gleichzeitig kündigte Justizministerin Dati am gestrigen Tag ihr Vorhaben an, das “Armenrecht” einzuschränken, indem die vom Staat an Personen mit geringem (oder gar keinem) Einkommen bezahlte Gerichtsbehilfe zur Zahlung von Anwaltskosten oder Gerichtskosten – Aide juridictionnelle – einem nicht rückzahlbaren “Freibeitrag” (franchise) unterliegen soll. Ähnlich, wie in diesem Herbst auch “Freibeträge” für die medizinischen Versorgungskosten eingeführt worden sind. Beides lost sicherlich in Teilen der öffentlichen Meinung neuen Zorn über die Regierung aus.

Studentische Proteste

Unterdessen ist der universitäre Protest in den letzten Tagen nochmals stark angeschwollen. Obwohl die Presse unablässig gegen den politisierten “harten Kern” der Protestbewegung hetzt, auch die liberale Presse wie die Pariser Abendzeitung ‘le Monde’ (vgl. Labournet von gestern), hat der studentische Protest sich nicht einschüchtern lassen. Im Gegenteil hat etwa der Knüppeleinsatz von Nanterre vom Dienstag vormittag, wo studentische Blockierer vor dem Juristengebäude durch die Bereitschaftspolizei brutal abgeräumt wurden – unter dem johlenden Beifall eines Mobs aus mehrern hundert rechtslastigen, “arbeitswilligen” Studierenden – eher zu Solidarisierungseffekten unter bisherigen GegnerInnen von Vorlesungsblockaden geführt. (Vgl. den Artikel auf Rue89 externer Link)

Rund die Hälfte der insgesamt 85 französischen Universitäten war am Donnerstag abend und Freitag früh von Streikbewegungen und Blockadeaktionen des Vorlesungsbetriebs betroffen. Am Donnerstag empfing die konservative Hochschulministerin Valérie Pécresse fünf studentische Verbände, darunter die (sozialdemokratisch geführte) größte Studierendengewerkschaft UNEF, die eher rechtere FAGE usw. Hingegen empfing sie NICHT die Nationale Streikkoordination der Studierenden, die an den letzten beiden Wochenenden (in Rennes und Toulouse) getagt hat und gewählte Delegierte aus verschiedenen Hochschule umfasst. Bei dem Treffen kam allerdings nichts Greifbares heraus. In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag rief daher auch die sozialdemokratisch geführte Studierendengewerkschaft UNEF, die im Frühsommer 2007 bereits das Gesetz zur finanzpolitischen “Autonomie der Hochschulen” im Grundsatz akzeptiert hatte, zur “Ausweitung der Proteste” und zur “Nachbesserung des Gesetzes” auf. (Dessen grundsätzlichen Rückzug kann ihre Führung nicht fordern, da sie im Austausch gegen einige Pöstchen ihre Zustimmung erteilt hatte. Aber auch die UNEF-Führung unter Bruno Julliard sieht sich jetzt gezwungen, ihren Diskurs und ihre Forderungen erheblich zu r adikalisieren, unter dem Druck des anschwellenden Protests.) Am Freitag waren die Studierenden dazu aufgerufen, vor der französischen Nationalversammlung zu demonstrieren bzw. an einer Kundgebung teilzunehmen, da gleichzeitig in diesem “Unterhaus” des Parlaments über den Haushalt des Hochschulministeriums debattiert wird.

Zum Teil wird aber durch die Universitätsversawaltungen jetzt ihrerseits zum Mittel der Vollversammlungen gegriffen, um eine “schweigende Mehrheit” der Studierwilligen (oder auch aus ökonomischen Gründen zum schnellen Studieren Gezwungenen) zu mobilisieren. So hielt die Universitätsverwaltung vvon Rennes-II am Montag eine geheime Urabstimmung unter allen Studierenden ab, bei der sich rund 60 Prozent gegen die weitere Blockade des Vorlesungsbetriebs aussprachen. Nachdem jedoch am Dienstag früh gut 100 blockierwillige Studierende, die angeblich zum Teil mit Knüppeln bewaffnet gewesen sein sollen, den “Normalbetrieb” der Hochschule dennoch unterbrachen, erklärte die Universitätsleitung darauf im Laufe des Dienstag ihrerseits den “Verwaltungsstreik”. Dies wird durch die Mehrheit der Studierenden nun wie eine Aussperrung, durch welche sie bestraft werde, erlebt. Die Aktion einer radikalisierten blockadewilligen Minderheit an Rennes-II dürfte freilich nicht eben zur Popularisierung des Streiks beigetragen haben. Nachdem die Blockierer gegen zwei Uhr früh in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag – weitgehend widerstandslos – geräumt wurden, hat Rennes-II nun am gestrigen Donnerstag wieder ihre Tore geöffnet.

Umstritten bleibt nach vor die Frage von Vorlesungsblockaden. Diese bilden ein politisch schwieriges Mittel, solange sie nur von (eher kleinen) aktiven Minderheiten getragen werden, da sie in diesem Falle tatsächlich von vielen Studierenden als aggressiver Eingriff in ihre Studierfreiheit erlebt werden. Das Argument der Befürworter/innen von Vorlesungsblockaden lautet hingegen, dass streikwillige Studierende ihrerseits ihrem Willen zur Ausübung ihres Streiks- und Aktionsrechts nur dann Ausdruck verleihen können, wenn der Vorlesungsbetrieb nicht normal weiterlâuft, da ihnen ansonsten schon nach kurzer Zeit eine allzu starke faktische “Bestrafung” droht. Da der französische Universitätsbetrieb in relativ hohem Maße “verschult” ist, sind manche Vorlesungen, vor allem aber viele Seminare Pflichtveranstaltungen. Schon nach zwei-, spâtestens dreiwöchiger Abwesenheit dürfte für aktive Studierende das volle Universitätsjahr “verloren” sein. Es sei denn eben, dass der gesamte Betrieb für die Dauer einiger Wochen in Frage gestellt wird. Um ihren Aktionen und eben den Blockaden eine Legitimität zu verleihen, stützen sich die Streikbefürworter auf Vollversammlungen, deren Beteiligung seit Anfang dieser Woche überall nochmals stark angeschwollen zu sein scheint. Dort kommen sowohl Befürworter/innen als auch Gegner/innen von Vorlesungsblockaden und anderen Aktionen zu Wort, wenngleich der Saal in einem solchen Fall natürlich selten still bleibt, sondern das Stimmungsbild auch akustisch seinen Ausdruck findet. Hingegen setzen die Gegner von Beeinträchtigungen des Vorlesungsbetriebs, darunter inzwischen in vielen Fällen die Hochschulverwaltungen selbst, als “Gegenlegitimation” auf die Abhaltung von anonymen Urabstimmungen (statt Abstimmungen in Vollversammlungen mit erhobener Hand und nach Aussprache). Oft können sich beide Ausdrucksweisen auf eine gewisse Legitimität durch Beteiligung stützen, und stehen sich so konkurrierend gegenüber. An Rennes-II etwa, wo rund 18.000 Studierende eingeschrieben sind (die aber nicht alle jederzeit auf dem Campus anzutreffen sind, da es Kartenleichen gibt, erwerbstätige Studierende, krank zu Hause Liegende, weiter entfernt Wohnende, Desinteressierte, Scheintote…), nahmen circa 3.500 Studierende an der anonymen Urabstimmung teil. Diese ergab am Montag eine rund 60prozentige für die Aufhebung der Störungen des Vorlesungsbetriebs. Hingegen nahmen auch starke 1.500 bis 2.000 Studierende an einer großen Vollversammlung teil, auf der sich wiederum ein Abstimmungsergebnis mit einer Mehrheit für die Blockade des Vorlesungsbetriebs ergab. Eine Vollversammlung mit solchen Dimensionen kann auch nicht einfach als illegitim hingestellt werden, zumal wenn beide Positionen dort ungestört zu Wort kommen können. Im Augenblick scheint sich allerdings an Rennes-II der Wind gegen die Streikenden und Blockadewilligen gedreht zu haben.

Bernard Schmid, Paris, 16.11.2007


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