letzte Änderung am 9.Juli 2003

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Streik der Kulturschaffenden sorgt für heißen Sommer

„Schluss mit der Gewalt“, forderte der Gewerkschaftsbund CFDT am Freitag voriger Woche (27. Juni) ultimativ in einem Kommuniqué. Am selben Vomittag waren mehrere regionale CFDT-Büros ­ begonnen mit jenem in Valence im Rhône-Tal - besetzt worden.

In der Nacht vom Donnerstag auf Freitag hatte die CFDT-Führung das neue Abkommen unterzeichnet, mit dem die Unterstützung für die intermittents de spectacle ­Kulturbeschäftigte, die in der Regel nur jeweils bis zum nächsten Auftritt Broterwerb haben ­ zwischen zwei Beschäftigungsperioden drastisch reduziert wird. Aufgrund der diskontinuierlichen Natur ihrer Beschäftigung wurde zu Anfang der Neunziger Jahre ein sozialrechtlicher Sonderstatus für diese Beschäftigten geschaffen, eben jener des intermittent. Rund 100.000 Personen haben derzeit diesen Status; er betrifft sowohl KünstlerInnen als auch TechnikerInnen, die in diesem Bereich arbeiten (Toningenieure, Bühnenbauerinnen…).

Eine mehrwöchige Streikbewegung im März/ April 1997 hatte damals zu einer Verbesserung der sozialen Absicherung dieses Personenkreises geführt. Heute soll diese nun großenteils wieder demoliert werden.

Worum geht es?

Zum einen sollen die Kulturbeschäftigten in der Periode zwischen zwei Engagements nur noch 8 Monate, und nicht mehr wie bisher 12 Monate, Geld aus der Arbeitslosenkasse erhalten. Zum anderen sollen nur noch jene Kulturschaffenden überhaupt Anspruch erhalten, die mindestens 507 Anrechnungsstunden in den letzten 10,5 Monaten (statt bisher 12 Monaten) gearbeitet haben. Das klingt nach einem technischen Detail, ist aber bei weitem nicht so harmlos. Um nämlich mathematisch auf 507 Verrechnungsstunden im Jahr zu kommen, hatten die Kulturschaffenden bereits bisher oft am Jahresende gehörig tricksen müssen - die Auftritte umfassen ja oft nur wenige Stunden. Oft ließen sie sich irgendwelche Sekundenauftritte in Filmen arrangieren, um noch einen Verrechnungsbon zu erwerben, oder handelten gegenseitig mit Anrechnungsmöglichkeiten. Der neue Berechnungsmodus wird, nach Angaben von Jean Voirin von der CGT du spectacle (der Branchengewerkschaft der CGT), mindestens 30 Prozent der Kulturschaffenden ganz aus dem Unterstützungsanspruch gegenüber der Arbeitslosenkasse herausfallen lassen. (Der Arbeitgeberverband hatte ursprünglich eine Anrechnung von 507 Stunden in 8 Monaten gefordert, damit wären 60 bis 70 Prozent der Kulturschaffenden "geopfert" worden). Daneben sieht das Abkommen ­ als verlockendes „Zuckerl“ ­ auch eine spürbare Anhebung der Unterstützung für die niedrigsten Einkommen in dem Sektor an, die in einigen Fällen bis zu einem Drittel gehen kann. Doch Sylvie, eine der Sprecherin der protestierenden intermittents in Paris, kann darüber bestenfalls lachen: „Eine schöne Sache, von der aber kaum jemand profitieren wird ­ denn gerade die niedrigsten Einkommen werden nunmehr ganz aus dem Versicherungsmechanismus rausfliegen. Denn sie betreffen meistens jene Beschäftigten, die nur auf eine relativ geringe Zahl von Engagements im Jahr kommen. Sie verlieren künftig den Unterstützungsanspruch gleich in Gänze. Es handelt sich also um eine Blenderei.“

Unterzeichner des regressiven Abkommens, das am 1. Oktober O3 in Kraft treten soll und dem der konservative Kulturminister Jean-Jacques Aillagon am Montag seine explizite Unterstützung aussprach, sind die Arbeitgeberverbände und auf Gewerkschaftsseite - einmal mehr - die rechtssozialdemokratische CFDT und die katholische CFTC sowie die Vertretung der höheren Angestellten (CGC). Die üblichen Verdächtigen also, die bereits die wichtigsten regressivsten Abkommen der letzten Jahre unterzeichneten ­ sei es das über den PARE (ein „Eingliederungsvertrag“ für Arbeitslose, mit dem sie ­ unter Androhung von Sanktionen ­ im miese Jobs gezwungen werden können) oder jüngst das, nur durch CFDT und CGC unterzeichnete, Abkommen zur Unterstützung der Renten“reform“. Diese Allianz ist kein Wunder, denn die CFDT leitet auf nationaler Ebene den Verwaltungsapparat der (paritätisch besetzten) Arbeitslosenkasse und ist dort nach Kräften darum bemüht, eine eiskalte Sparpolitik umzusetzen. Am 1. Oktober 1996 war die damalige, beinhart neoliberale, CFDT-Chefin Nicole Notat höchstpersönlich zur Vorsitzenden der UNEDIC gewählt worden, so heißt die Institution, welche die Arbeitslosenkasse verwaltet. (Siehe „Le Monde“ vom 02.10.1996: „Dank der Arbeitgeber-Vertreter übernimmt Nicole Notat die Präsidentschaft der UNEDIC“…) In dieser Funktion war Notat eine der schärfsten GegnerInnen der Arbeitslosenbewegung zu Ende 1997/ Anfang 1998. Inzwischen ist Notat, die heute eine Agentur für Unternehmensberatung leitet ­ Vigeo ­ , dort durch den CFDT-Kader Michel Jalmain abgelöst worden. Derzeit leitet die CFDT zwei von vier Sozialkassen (die Krankenkasse und die Arbeitslosenversicherung), da sie sich als Sachwalterin kapitalistischer „Sachzwänge“ bestens bewährt hat. Die katholische CFDT verwaltet die dritte Kasse (Kindergeld und Familienunterstützung) und die Angestellten-Gewerkschaft CGC die vierte (Rentenkasse). Die (früher KP-nahe) CGT, mit Abstand stärkste Gewerkschaft bei den Kulturschaffenden, und die reformistische Gewerkschaft FO opponieren gegen das Abkommen. Nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Beschäftigter mit intermittent-Status sind 90 Prozent der gewerkschaftlichen Organisierten in diesem Sektor Mitglieder in der CGT. (Nach geltendem französischem Recht, in einem System des gewerkschaftlichen Pluralismus, ist das Abkommen rechtsgültig, auch wenn die Unterzeichner nur eine Minderheit repräsentieren.)

Die Gründe

Natürlich geht es in erster Linie um Geld: Die Arbeitslosenkasse UNEDIC soll sparen. Das ist in erster Linie das gemeinsame Interesse des Arbeitgeberverbands MEDEF, der grundsätzlich weniger Sozialbeiträge abdrücken und daher die Arbeitslosenkasse ­ auf Kosten der EmpfängerInnen ­ sanieren will, und der CFDT als Verwalterin der Kasse. Letztere will vor allem ihre Fähigkeit zu „vernünftiger“, sozialpartnerschaftlich-technokratischer Verwaltung unter Beweis stellen. Ferner profitiert sie indirekt von ihrer Präsenz in der Kassenbürokratie, da sie Teile ihres Apparats ­ dessen Kader zugleich Funktionsträger der Sozialversicherungskassen sind ­ so über das Sozialversicherungssystem anstellen und bezahlen lassen. Es stimmt, dass jene Sparte der Arbeitslosenversicherung, aus der die intermittents ihre Unterstützung erhalten, Defizite aufweisen. Im Jahr 1991 gab sie noch 260.000 Euro im Jahr aus, derzeit sind es 1 Million Euro jährlich; davon waren im Vorjah 740.000 Euro Defizit. Die wachsenden roten Zahlen rühren aber vor allem auch daher, dass ­ wie in so vielen anderen Wirtschaftssektoren auch ­ die Arbeitgeber längerfristige in kurzlebige Beschäftigungsverhältnisse umwandeln, wofür der intermittent-Status ihnen natürlich eine prima Rechtfertigung liefert. (Unter den KünstlerInnen, die um eine starke intellektuelle Autonomie besorgt sind, stößt das durchaus auch auf ein eigenes Interesse ­ sofern die materiellen Bedingungen ein Überleben ermöglichen! Prekasierte Techniker sind darüber freilich i.d.R. weit weniger begeistert.) Die sich verschärfenden Konkurrenzbedingungen, die aus einer Kapitalkonzentration und der Intervention von Konzernen mit wachsender Größe und Finanzkraft auch auf diesem Sektor (vor allem im Kino- und Fernsehbereich) erwachsen, tragen dazu bei. Denn sie erschweren die finanzielle Überlebensfähigkeit für viele kleinere Kulturbetriebe, die so zuätzlich gezwungen sind, ihre Ausgaben zu drücken. Ferner spielt eine Rolle, dass ­ wie in anderen Sektoren auch ­ die Sozialbeiträge der Arbeitgeber oftmals nicht oder nur schlampig bezahlt werden. Das gilt auch für Arbeitgeber der öffentlichen Hand (etwa Veranstalter kommunaler Festivals, das Kulturministerium …), die es sich erlauben können, nachlässig im Umgang mit ihren Verpflichtungen zu sein. In anderen Fällen wird Nachgiebigkeit gegenüber privaten Arbeitgebern mit dem Arbeitsplatz-Argument ­ gerade in einem von Prekarität geprägten Sektor ­ gerechtfertigt. Nach Angaben der Streikkoordination der intermittents du spectacle ­ unter dem Namen Culture en danger (Kultur in Gefahr) ­ sind „die Missbräuche auf diesem Gebiet enorm“.

Der Kapitalverband MEDEF hat natürlich eine andere Version. Ihm geht es ­ und das wird kaum verhüllt so gesagt ­ vor allem darum, das faule Pack endlich an die Arbeit zu bringen. Jedenfalls sollen diese nicht den armen Arbeitgebern (als Zahlern von Sozialbeiträgen) auf der Tasche liegen ­ denn seit wann hätte man dort etwas für solche Marotten übrig: Kultur ist Luxus und für jene da, die auch fett dafür bezahlen können. So äußerte sich der MEDEF-Präsident, Baron Ernest-Antoine de Seillière, in ebenso deutlichen wie scharfen Worten auf „Radio Classique“: „Das Kulturmilieu ist es gewohnt, dass man seine Privilegien nicht antastet. Wir tasten sie an, und genau das nennt man Reform.“ Es gehe nicht an, dass „Leute von Arbeitslosenunterstützung leben anstatt von ihrer Arbeit“.

Die CFDT rechtfertigte ihre Unterschrift öffentlich damit, dass man das Sonderregime der intermittents gegenüber der Arbeitslosenkasse (das aus der diskontinuierlichen Natur ihrer Beschäftigung resultiert) so überhaupt gerettet habe. So erklärte die Generalsekretärin der CFDT-Sektion „Communication et culture“, Danièle Rived: „Wenn die Verhandlung im Herbst stattgefunden hätte, zum Zeitpunkt der Verhandlungen über das gesamte (allgemeine) Defizit der Arbeitslosenkasse, dann wäre ein Abkommen sehr viel schwerer gefallen. Auf diese Weise war es möglich, ein Mittel zu finden, den intermittents mehr zu geben als den anderen Arbeitslosen.“ Diese Äußerung eines führenden CFDT-Mitglieds ist vor allem eines: Eine Drohung im Hinblick auf das, was anscheinend den übrigen Erwerbslosen im Herbs 2003 droht ­ und im Hinblick auf das, was die CFDT hinzunehmen bereit sein wird…

Die Konsequenzen: Ein heißer Sommer

Für die Sommermonate ist das Stattfinden zahlreicher Kulturfestivals, so des berühmten Theaterfestivals von Avignon im Juli, ernsthaft gefährdet. In Avignon befinden sich die Techniker seit Freitag abend (27. Juni) im unbefristeten Streik, so dass der Festivalbeginn - der auf den 8. Juli angesetzt war - zumindest verzögert wird. Das Lyrikfestival in Aix-en-Provence, das am kommenden Freitag (4. Juli) beginnen sollte, wurde bereits abgesagt. Das Tanzfestival in Montpellier, das Ende letzter Woche losging, musste mit zahlreichen Ausfällen leben ­ und auch der sozialdemokratische Bürgermeister (Georges Frêche) wurde ausfallend, er drohte den streikenden Technikern glatt mit ihrer Entlassung. Solche Absagen und Verhinderungen fallen den Künstlern oder Technikerinnen nicht immer leicht, da viele von ihnen sich ein ganzes Jahr lang extra darauf vorbereitet hatten und viel von ihrer Persönlichkeit hinein steckten. Doch viele gehen davon aus, dass es jetzt nicht mehr anders geht, da sie sonst ihren Beruf gleich aufgeben könnten. Unter anderem in Lille und im normannischen Caen wurden am Wochenende die städtischen Theater von aufrührerischen Kulturschaffenden besetzt. In Caen wurden am Montag früh das Theater sowie der Sitz der UMP (der bürgerlich-konservativen Einheitspartei Jacques Chiracs) durch die Polizei geräumt. In den Räumen der UMP kam es dabei zu Festnahmen.

Einige Eindrücke aus Paris

In Paris wurde am Freitag abend das seit mehreren Tagen besetzte Théâtre national de la colline durch die Polizei geräumt. Hier hatte sich im Laufe der vergangenen Woche eine Art Zentrum des Protests in der Hauptstadt herausgebildet. Die CFDT-Sektion in diesem Theater im Pariser Osten hat am Freitag angekündigt, sie werde an die CFDT-Abteilungen in den anderen hauptstädtischen Theatern herantreten, um gemeinsam über einen Austritt aus dem Dachverband nachzudenken.

Paris im 11. Arrondissement, am Samstag abend gegen 21 Uhr: Im Théâtre de la Bastille soll eine Vorführung beginnen. Ein Ausfallen des Stücks war vorher nicht angekündigt worden, also konnte man es ja mal riskieren. Am Einlass hängt ein Schild: „Wir sind solidarisch mit dem Streik, aber wegen der öffentlichen Diskussion um das umstrittene Stück (Fassbinders Der Müll, die Stadt und der Tod) wollten wir die Debatte nicht abreißen lassen. Deswegen wollten wir die Aufführung aufrecht erhalten“. Die Aufführung verzögert sich um circa 15 Minuten, während derer man auf einer Leinwand abwechselnd Fernsehwerbung und Werbung für Call-Centers (teilweise anscheinend pornographischen Charakters) beobachten kann. Dann tritt ein Künstler mit einem Plakat auf die Bühne: „Ohne intermittents würde so die Auswahl für das Abendprogramm aussehen.“ Nacheinander lösen sich fünf oder sechs KünstlerInnen ab, die das Plakat halten. Einige Zuschauer applaudieren, andere gucken betreten aus der Wäsche. Dann beginnt die Aufführung. In der Mitte gibt es keine Pause, stattdessen laufen erneut Künstler mit Plakaten über die Bühne: „Eine intermittence (= Diskontinuität) ist keine Unterbrechung, sondern die Fortführung eines Prozesses.“ Dann geht es weiter. Am Ende treten alle SchauspielerInnen auf die Bühne, unter donnerndem Applaus. Einer hält ein Schild hoch: „Drei Jahre lang haben wir diese Aufführung vorbereitet. Anderthalb Jahre lang suchten wir eine Finanzierung, ein Jahr und drei Monate haben wir geprobt. Einen Monat werden wir bezahlt. So leben wir.“ Gleichzeitig wurde am Samstag abend die Grande Halle des Freizeitparks Parc de la Villette im Pariser Nordosten besetzt. Es handelt sich um das ehemalige Zentralgebäude der Pariser Schlachthöfe - unter seinem Dach fand im späten 19. Jahrhundert der Pariser Viehmarkt statt -, das mit der Errichtung des Freizeitparks in den 1970er Jahren zur Multifunktionshalle für Spektakel und Konzerte umfunktioniert wurde.

Über die Mailing-Listen der diversen sozialen Bewegungen läuft in der Nacht die Information: „Kommt zur Unterstützung ab 9 Uhr, und um 17 Uhr ist Vollversammlung“. Das trifft sich gut: Ich wohne direkt nebenan. Gegen 9.45 Uhr treffe ich, noch reichlich schlaftrunken, ein. Das trifft sich noch besser: Die Ordnungshüter räumen gerade die Grande Halle. Einige Kulturschaffende werden aus der Halle getragen, aber es kommt nicht zu Zusammenstößen. Die Beamten sagen: „Wir ziehen jetzt ab, wir sind von der Gendarmerie nationale ­ aber wenn es Klagen gibt, dann kommt die Bereitschaftspolizei CRS, dann könnte es unsanfter zugehen.“ Die (nunmehr ehemaligen) BesetzerInnen sammeln sich ­ der harte Kern besteht aus rund 150 Leuten - unter dem Vordach der Grande Halle zur Beratung. Anderthalb Stunden lang wird über die nächsten Schritte beraten. Als sich im Gespräch herausstellt, ich sei „im richtigen Leben“ gar kein Kulturschaffender, sondern Lehrkraft, ist die Reaktion begeistert: „Ja, wir brauchen dringend Unterstützung, wir waren im letzten Monaten auch in den Schulen, um den Streik zu unterstützen.“

Die RednerInnen sind erst einmal bemüht, alle Einzelheiten des ­ „höllenkomplizierten“ ­ Abkommens für ihre KollegInnen detailliert zu erklären. Dabei kommt es ein paar Mal zu Auslegungsstreit. Ein Disput entbrennt über die Anwesenheit der Medien. Fernsehkameras vom Privatsender TF1 (der frühere erste Kanal des öffentlichen Fernsehens, der 1987 durch Chirac privatisiert wurde) werden von einigen Anwesenden nicht gern gesehen, wegen der offenen Anti-Streik-Berichterstattung in den letzten 6 Wochen. Andere weisen aber darauf hin, dass man die Medien an diesem Morgen gerade herbeigerufen habe, und man sie folglich nicht einfach wegschicken könne. TF1 darf am Ende bleiben, aber die Streikkoordination will darüber wachen, welche Gespräche die Fernsehjournalisten unter den Anwesenden führen. Andere erklären sich bereit, in Verbindung mit der Nachrichtenagentur AFP oder dem Prekären-Infoservice PAP-info (für „Précaires associés de Paris“) zu bleiben. Mehrere Redner betonen, dass die jetzige Bewegung ­ die Anfang Juni, mit dem Beginn der Verhandlung über die Arbeitslosenkasse und die intermittents, begonnen hatte ­ in Verbindung stehe mit der allgemeinen sozialen Bewegung gegen die Renten“reform“ und andere antisoziale Einschnitte.
„Wir werden den gesamten Juli und August über von uns reden machen“, betont ein Schauspieler, einer der Hauptredner. „Dadurch verhindern wir, dass die soziale Bewegung in’s Sommerloch fällt, wie einige befürchten“ (und die Regierung hofft!) „wenn die LehrerInnen in den Sommerferien sind. Im September können die anderen dann wieder loslegen“.

Dann wird die Frage aufgeworfen: Wo soll es nun hingehen? Einige plädieren für den nahe gelegenen Kinokomplex MK2, der dem - sich gerne als Linken gebenden ­ Betreiber Marin Karmitz gehört, dem etwas auf den Zahn gefühlt werden soll. Die Idee wird verworfen: „Bei Karmitz machen wir jetzt schon jede dritte Woche eine Aktion…“ Am Ende geht es zum Stadttheater bei der Place du Châtelet. Ungefähr 100 intermittents - die Menge ist längst auf mehrere hundert angeschwollen - gelingt es, Einschlupf zu finden, obwohl die Polizei auf der Hut ist. Ein vorgesehenes Tanzfestival muss verschoben werden. Beim vorigen Mal, drei Wochen zuvor, hatte die Direktion desselben (städtischen) Theaters noch geschickt versucht, eine damalige Aktion als ihr ureigenes Verdienst erscheinen zu lassen: Zwei Delegierte der „herein geplatzten“ intermittents hatten ein paar warme Worte auf der Bühne sagen dürfen, nicht ohne dass ausgiebig betont worden wäre, dass man diese Aktion der Großzügigkeit der Theaterleitung verdanke.

Für die Abendnachrichten ­ nicht nur von TF1 ­ finden sich dann noch vereinzelte Zuschauer (oder war’s ein Theaterleiter?), die sich über ihre „Geiselnahme“ durch die Protestierenden beklagen. Gähn ­ diese Story kennt das Publikum bereits im Schlaf auswendig: Das ganzen Streikfrühjahr hindurch wollten TF1 und andere Medien („Le Figaro“, „Le Parisien“) den Leuten mit der ewig gleichen Formulierung einreden, sie seien durch die Streikenden im öffentlichen Dienst, in den Transportmitteln… „als Geiseln genommen“. Einfallsreicher wird die Propaganda auch nicht.

Bernhard Schmid, Paris

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