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Updated: 18.12.2012 15:51
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Frankreich - Streik und das ganze Land als Bühne

Politische Streiks - in Frankreich möglich - haben "natürlicherweise" das ganze Land als Bühne, weil sie sich gegen die Regierung - eine hochzentralisierte "Errungenschaft" Frankreichs - richten.

Weil in Frankreich auch der Streik die Sache eines jeden Einzelnen ist, kommt der Überzeugungskraft des Darstellers auf der Bühne - hier Sarkozy - eine ganz besondere Bedeutung zu. Und was das bedeutet im Fernsehzeitalter, wo dieser Hauptdarsteller gleichzeitig in allen Wohnzimmern argumentieren können, macht Sarkozy wohl ziemlich beispielhaft vor: Er ist der erste Präsident, der mit dem Fernsehen aufgewachsen ist und der es meisterhaft zu nutzen versteht. "Unser erstes Ziel ist es, die Schlacht der Kommunikation zu gewinnen", erklärt ein langjähriger Mitarbeiter die Taktik des Präsidenten. So bleibt zwischen den permanenten Auftritten des Präsidenten den Journalisten kaum Zeit zum Luftholen - geschweige denn zum Analysieren.

Mit den Streiks tritt diese Methode in eine neue Phase erreicht und muss diese besondere Herausfroderung bestehen, die dieses Streikrecht den Menschen an Teilhabe bietet. Aber genau diese Herausforderung hat Sarkozy wiederum gesucht.

Er will diesen sozialen Konflikt. Er will die Gewerkschaften vor die Wand rennen lassen. Er will demonstrieren, dass Streiks zu nichts führen. Er möchte dafür sorgen, dass der nichtstreikende Teil der Bevölkerung, sich über die angeblich kleine privilegierte Minderheit, die das ganze Land blockiert, empört - ähnlich wie die Kalkulation bei dem GDL-Streik in Deutschland war.

Aber hier wird dann die wirtschaftliche Situation in Frankreich doch zum Gegenstand des Diskurses im Laufe der Streiks - oder präziser der Streikwellen.

So hatten sich die Franzosen von Sarkozy ein höheres Wachstum erwartet, doch sechs Monate später ist es bei einem Wachstum von unter 2 % geblieben. Er hat den Wahlkampf mit der Wohlstands"formel" bestritten: "Mehr arbeiten, um mehr zu verdienen" - aber nun wird schon am Eisenbahnerstreik deutlich, dass sie mehr arbeiten sollen, um weniger zu verdienen.

Nun kommen heute am Dienstag die Beamten dazu, die gegen die Streichung von 22 900 Stellen streiken - und dabei wird zum Thema werden, dass Sarkozy einen Verlust an Steuereinnahmen zu verantworten hat, die er mit der Senkung der Spitzensteuern ausgelöst hat.

Und so wird sich nach und nach zeigen, ob sein Kalkül aufgehen wird, die souveränen Streikenden gegen den Rest der Bevölkerung auszuspielen.

So wird es ganz entscheidend sein, ob dieses Individuum - eingebettet in diese Diskurse zwischen Präsident und den streikenden Gewerkschaften - den anderen streikenden Souveränen eingesteht, unter diesen Bedingungen würde ich selbst auch streiken - denn allein der französische Bürger hat dieses Recht zum Streik.

Kommentar von Volker Bahl vom 21.11.07

P.S.: Nur was bleibt ökonomisch für Frankreich, wenn es der Macht des Präsidenten nicht gelingt den Lohnkostendruck, den Deutschland "oktoyiert" an die französischen Arbeitnehmer weiter zu geben? Siehe dazu: Paris geht den deutschen Weg. Wo nur die Wettbewerbsfähigkeit zählt, wird es für Arbeitnehmer ungemütlich. Artikel von Robert von Heusinger in Frankfurter Rundschau vom 15.11.2007 externer Link. Aus dem Text: ". Ein Blick auf die Entwicklung der Lohnstückkosten verrät es: Die Deutschen zwingen ihn dazu. Die Lohnzurückhaltung, hierzulande gefeiert, setzt die anderen Länder unter Druck. Präziser: die Löhne in den anderen Ländern. Und wie es Regierungschefs gelingt, dabei zu helfen, hat die Regierung Schröder samt der Agenda 2010 vorgemacht. Man erhöhe den Druck auf die Arbeitslosen, zu immer niedrigeren Löhnen einen Job anzunehmen.
Lohnstückkosten geben an, wie viel Lohn für ein Stück Bruttoinlandsprodukt aufgewendet werden muss. In der Währungsunion übernehmen sie die Rolle des Wechselkurses. Hinken die Lohnstückkosten Deutschlands denen anderer Länder hinterher, entspricht das einer Abwertung. Und eine Abwertung ist nichts anderes, als der heimischen Industrie Vorteile gegenüber der ausländischen zu verschaffen. Wenn die deutschen Firmen immer billiger produzieren können, spielen sie die ausländischen Wettbewerber irgendwann an die Wand. Oder die ausländischen Firmen müssen auch damit anfangen, die Löhne zu senken. Genau dieser Prozess entfaltet sich gerade in Euroland
.."

P.P.S.: Seht es mir nach, wenn ich aus diesem Artikel mehr herausgelesen habe, als die Journalistin hineingeschrieben hat - mit ihrem deutschen Blick: Das ganze Land als Bühne. Artikel von Dorothea Hahn in der taz vom 20.11.2007 externer Link


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