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Erneute antifaschistische Proteste gegen die Rechtsregierung Estlands

Demonstration gegen die rechtsregierung in Estland am 14.09.2019 in Tallinn„… Hunderte Esten haben auf einer Demonstration in der Hauptstadt Tallinn am Samstag den Rücktritt der Regierung gefordert. Der Protest richtete sich insbesondere gegen die seit April der Regierung angehörende rechtspopulistische Ekre-Partei. Demonstranten hielten Schilder auf Estnisch, Englisch und Russisch mit Aufschriften wie „Kein Rassismus, keine Islamophobie, kein Hass, keine Gewalt“…“ – aus der afp-Meldung„Hunderte Demonstranten fordern Rücktritt der Regierung in Estland“ vom 15. September 2019 externer Link (hier bei der Zeit online) – eine Demonstration, die in der Kontinuität durchaus wachsender Proteste steht, seit die Zentrumspartei im April 2019, einen Monat nach der letzten Parlamentswahl, für viele in Estland überraschend – da, wieder einmal, vorher anderes gesagt worden war – Ekre (die ihre Stimmen auf knapp 18% verdoppelt hatten und drittstärkste Partei wurden) in die Koalitionsregierung aufnahm. Siehe dazu auch eine weitere aktuelle Meldung, einen Artikel zur Regierungsbildung im April 2019 und einen Beitrag mit einigen Ursachen für den Wahlausgang im März:

  • „Jetzt nicht auch noch Estland“ von Reinhard Wolff am 18. April 2019 in der taz online externer Link über die Regierungsbildung rund einen Monat nach der Parlamentswahl: „In Estland ist ein schwarzer Herrenhut zu einem Streitobjekt auf politischen Demonstrationen geworden. In natura – oder durchgestrichen auf Plakaten. Manchmal auch mit Zündschnur versehen. Ähnlich wie ein bekannter deutscher Rechtsaußen nie ohne seine Dackelkrawatte auftritt, ist der Hut das besondere Kennzeichen von Mart Helme, dem Vorsitzenden von EKRE, der „Estnischen Konservativen Volkspartei“. Dieser Hutträger will eine „Nullquote“ bei Flüchtlingen, er meint, man müsse Estland vor „islamischer Invasion“ und „Kriegszonen wie in Schweden, Deutschland und Frankreich“ schützen und äußerte im vergangenen Jahr: „Klopft man Negern an den Kopf, klingt es hohl.“ Der 69-Jährige wird jetzt Innenminister in Estlands neuer Regierung. Die wurde am Mittwochabend mit einer Mehrheit von 55 der 101 Mandate vom Parlament bestätigt. Es ist eine Dreier-Koalition aus der links-liberalen Zentrumspartei, der konservativen Isaama und EKRE. Ministerpräsident ist der Zentrumsvorsitzende Jüri Ratas. Eine Regierungsbeteiligung der rechtsextremen EKRE, einer nationalistischen, rassistischen, homophoben und EU-skeptischen Partei, galt vor der Parlamentswahl vom 3. März als kaum vorstellbar. Keine der anderen Parlamentsparteien wollte mit ihr zusammenarbeiten. Aber EKRE, vier Jahre zuvor kleinste Partei im Parlament, wurde mit 18 Prozent nun drittstärkste Kraft und rückte in eine Schlüsselrolle…
  • „Estland: Rechtsextreme in der Regierung“ von Markus Salzmann am 24. April 2019 bei wsws externer Link zur Regierungsbildung im April 2019, einigen Ursachen des Wahlergebnisses und dem rassistischen. reaktionären Kampfprogramm der Ekre unter anderem: „… Die Estnische Konservative Volkspartei (EKRE) wird Mitglied der Regierung. Estland ist damit das zehnte Land der Europäischen Union, in dem Rechtsextreme mit engen Beziehungen zu Neonazis an der Regierung beteiligt sind. Die EKRE war mit 17,8 Prozent als drittstärkste Partei aus der Parlamentswahl vom 3. März hervorgegangen. Bei 890.000 Wahlberechtigten und einer Wahlbeteiligung von 64 Prozent hatte sie knapp 100.000 Stimmen erhalten. Vor der Wahl hatten noch sämtliche Parteien versprochen, nicht mit der EKRE zu paktieren. Doch als die Koalitionsverhandlungen zwischen dem Wahlsieger, der rechtsliberalen Reformpartei, und dem Zweitplazierten, der liberalen Zentrumspartei, scheiterten, entschied sich der Zentrumsvorsitzende Jüri Ratas für ein Bündnis mit den Rechtsextremen. Ratas, der seit November 2016 an der Spitze der estnischen Regierung steht, kann so im Amt bleiben. Dritter Koalitionspartner ist die nationalistische Partei Vaterland (Isaama), die ebenfalls weit rechts steht. Das Parlament hat die Dreier-Koalition in der vergangenen Woche mit 55 der 101 Abgeordneten bestätigt. Mit der Vereidigung der neuen Regierung wird Ende April gerechnet. Die neue Regierung ist nicht nur äußerst fragil, sie ist auch Ausdruck der völligen Entfremdung der Bevölkerung von den verschiedenen politischen Cliquen in Tallinn. In den vergangenen Wochen hatten in mehreren Städten wiederholt Tausende unter dem Motto „Estland für alle“ gegen die Koalitionsgespräche mit den Rechtsextremen protestiert. Auf einigen Plakaten war zu lesen: „Estland darf nicht Ungarn werden!“ Demonstranten skandierten: „Keine Braunhemden“. Mit der neuen Regierung schlägt der kleine baltische Staat einen aggressiven rechten Kurs ein. Dabei gibt die EKRE die Linie vor. Ihr Vorsitzender Mart Helmes hat erklärt, Estland werde in der EU „dem Kurs von Ungarn und Polen folgen“, wo äußerst rechte, nationalistische Parteien den Regierungschef stellen. Mart Helmes, der in der neuen Regierung das Innenministerium übernimmt, vertritt eine „Nullquote“ für Flüchtlinge und schürt Ängste vor einer „islamischen Invasion“. Und dies, obwohl derzeit offiziell nur 107 Flüchtlinge in Estland leben. Im letzten Jahr hatte er öffentlich erklärt: „Klopft man Negern an den Kopf, klingt es hohl.“ Der Sohn des EKRE-Vorsitzenden, Martin Helmes, übernimmt das Finanzministerium. Er sieht Estland von einem „Bevölkerungsaustausch“ bedroht und verspricht, das Land werde ein „weißes Land“ bleiben. Andere EKRE-Politiker fordern, Homosexuellen das Wahlrecht zu entziehen, drohen Richtern, dass ihre „Köpfe rollen“ werden, und verlangen, dass EKRE-kritische Journalisten im öffentlichen Rundfunk „aus dem Verkehr gezogen“ werden. Laut Wikipedia hat die Partei „Soldaten Odins“, eine Neonazi-Gruppe, die auch in anderen Ländern existiert, bei Partei-Veranstaltungen als Sicherheitskräfte eingesetzt. Für den Fall eines Scheiterns der Koalitionsverhandlungen hatte die Partei mit Straßenunruhen gedroht, berichtete die baltische Nachrichtenagentur BNS. Laut der Tageszeitung Postimees sagte Mart Helmes, seine Partei werde ohne zu zögern das „Pulverfass“ von 300.000 in Armut lebenden oder davon bedrohten Esten zur Explosion bringen. Der Aufstieg von EKRE hängt mit dem radikalen Sparkurs zusammen, der nach der Wirtschaftskrise 2008 in allen baltischen Staaten verfolgt wurde. Die Partei ging 2012 aus der konservativen Estnischen Volksunion hervor, aus der Helmes 2005 wegen offen nationalistischer Äußerungen ausgeschlossen worden war. Der rabiate Sparkurs, den die Reform- und die Zentrumspartei verfolgten, ebneten den Weg für die Rechtsextremen, die vor allem in verarmten ländlichen Gebieten Unterstützung finden…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=154439
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