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[Broschüre] „Untersuchung über die Arbeitssituation in Unternehmen mit Betrieben in Deutschland und China“ (jetzt auch in chinesischer Fassung)

Nummer 25 der Reihe „Ränkeschmiede“ von express/AFPSo der Titel einer neuen Broschüre über die Ergebnisse eines mehrjährigen Projektes des Forum Arbeitswelten China-Deutschland gemeinsam mit dem Globalization Monitor aus Hongkong, erschienen als Nummer 25 der Reihe „Ränkeschmiede“ im September 2018 – die nun, Ende 2018, auch in Chinesisch erhältlich ist. In dem zweijährigen Projekt haben Beschäftigte in China und Deutschland eigene Betriebsfragebögen entwickelt, ihre Arbeits-­ und Lebensbedingungen wechselseitig untersucht und sich über die Ergebnisse ihrer »Arbeiteruntersuchungen« ausgetauscht – nicht nur, um mehr voneinander zu wissen, sondern auch, um Spaltungen zu verhindern und gemeinsame Interessen in der Auseinandersetzung mit ›ihren‹ Unternehmen zu entwickeln. Fallstudien aus einer ganzen Reihe von Betrieben, die in diesem Zeitraum erarbeitet wurden, sind darin ebenso dokumentiert, wie die Ergebnisse von gegenseitigen Besuchen in beiden Ländern. Recherchen über Unternehmen mit Betrieben in Suzhou und Deutschland, Recherchen über Unternehmen mit Betrieben in Wuhan und Deutschland sowie Recherchen über Unternehmen mit Betrieben im Perlfluss-Delta und in Deutschland sind Themen des Kapitels 6 der Broschüre, das die konkreten Verhältnisse in diversen Unternehmen dokumentiert. Begegnungsworkshop in Hong Kong 2017 im Kapitel 7 ist einer der drei Berichte über gemeinsame Aktivitäten, neben den beiden gegenseitigen Besuchsberichten. Siehe dazu die Links zur Broschüre in beiden Sprachen, die Bezugsbedingungen für die gedruckte Ausgabe, begleitende Videos zu einzelnen Themen und einen Auszug aus Kapitel 6 der Broschüre zu den Verhältnissen in verschiedenen Unternehmen als Leseprobe im LabourNet Germany:

  • „Untersuchung über die Arbeitssituation in Unternehmen mit Betrieben in Deutschland und China“ beim Forum Arbeitswelten externer Link ist die Online Fassung der Broschüre, die dabei so angekündigt wird: „Das Forum Arbeitswelten (FAW) in Deutschland und Globalization Monitor (GM) in Hong Kong / China wollen mit vorliegender Untersuchung (74 S.) , die auf Deutsch im Juki 2018 fertiggestellt und im September herausgegeben wurde, dazu beitragen, die Wissenslücke voneinander zu schließen, um die Spaltung der Lohnabhängigen zwischen Deutschland und China überwinden zu helfen. Ein Ausgabe auf Chinesisch bis Ende 2018 in Hong Kong erscheinen“.
  • Bezug der gedruckten Fassung der Broschüre: Reihe Ränkeschmiede Nr. 25 (Broschüre DIN A4, farbig, 76 S., 5 Euro) – Bezug über: express-afp@online.de (oder telefonisch: 069-67 99 84)
  • Video: „Rentenproteste von Armeeveteranenexterner Link – ein aktuelles Schlaglicht auf die Vehemenz, mit der soziale Konflikte ausgetragen werden von Mitch Tach seit 24. November 2018 bei You Tube

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Das Unternehmen Hottinger Baldwin Messtechnik GmbH (HBM) wurde 1950 von Karl Hottinger in Vogtareuth (Oberbayern) gegründet und 1955 nach Darmstadt verlegt.

(Auszug aus Kapitel 6 der Broschüre)

HBM ist ein auf Messtechnik und Software für Tests und Analyse spezialisiertes Unternehmen. Es gehört zu den Weltmarktführern bei Prüf-, Mess- und Wägetechnik. Der Betrieb in Darmstadt hat 720 Beschäftigte. Nach dem Tarifvertrag Hessen der IG Metall 2017 betrug der Facharbeiter-Anfangslohn zur 2.757 Euro. Es wird dort ein Neubau von 6.000qm für Produktion und Logistik errichtet, der Bezug war für Ende 2017 geplant.

Wir haben Kontakt zu der Beschäftigtenvertretung aufgenommen, doch es ist daraus kein weiterer Austausch über die Situation im Betrieb und die Arbeitsbedingungen entstanden.

Im Jahr 2008 übernahm HBM nCode (Unternehmen für Software) mit Sitz in den USA und Großbritannien, außerdem den US-Hersteller SoMat für besonders robuste Messdatenerfassungssysteme. 2009 übernahm HBM das Messdatenerfassungs-Geschäft der Firma LDS (UK) und Middleton (USA), 2014 das portugiesische Unternehmen FiberSensing, S.A (Produktions- und Entwicklungszentrum für Faser-Bragg-Sensoren). 2015 wurde das amerikanische Unternehmen ReliaSoft übernommen (Software).

HBM beschäftigt an den Standorten Darmstadt (Zentrale), Marlborough (USA), Suzhou (China) und Porto (Portugal) insgesamt 1.800 Personen (Stand 2017).

Die Entwicklungs- und Produktionsstandorte von HBM befinden sich in Darmstadt, Marlborough (USA) und Suzhou (China) sowie in vier weiteren Ländern. Weltweit ist HBM in Europa, Amerika und Asien mit 27 eigenen Vertriebsstandorten und 1.700 Beschäftigten vertreten. Hinzu kommen 40 Länder, in denen HBM-Produkte über exklusive Repräsentanten vertrieben werden.

HBM ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Spectris AG. Spectris entwickelt und vertreibt Präzisionsmesstechnik und Steuerungen. Das Unternehmen mit einem Umsatz von ca. 1.490 Mio EUR im Jahr 2013 beschäftigt ca. 7.500 Personen weltweit. Es hat seinen Firmensitz in Egham, England und ist an der Londoner Börse notiert.

Spectris ist die Muttergesellschaft von zwölf international tätigen Einzelunternehmen. Die Firma wurde 1997 gegründet und ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der deutschen HBM GmbH in China. Sie produziert vor allem Dehnungsmessstreifen und Wägezellen, ist gleichzeitig aber auch für den Vertrieb dieser Produkte in ganz Asien zuständig.

Es arbeiten ca. 500 bis 600 Arbeiter*innen vor Ort, etwa die Hälfte in Büros und die andere Hälfte in der Fertigung. Die einfachen Beschäftigten bekommen hier Gehälter von ca. 3.000 RMB, während spezialisierte Fachkräfte zwischen 4.500 bis 7.000 RMB pro Monat verdienen.

Bei vielen Aufträgen wird in drei Schichten rund um die Uhr produziert, bei geringerer Auftragslage in zwei Schichten. In der Anfangsphase hatte die Firma Probleme mit der Belastung der Arbeiter*innen durch Lärm und chemische Produkte. Durch die verbesserte Aufsicht der lokalen Behörden, die gesteigerte Aufmerksamkeit des betrieblichen Managements und andere Faktoren konnten diese Probleme in den letzten Jahren aber weitestgehend behoben werden.

In den letzten Jahren gab es bei HBM ein paar auffällige und charakteristische Veränderungen. In Hoch-Zeiten waren über eintausend Arbeiter*innen bei HBM beschäftigt. Mittlerweile ist die Zahl auf 600 Beschäftigte gesunken.

In der Zentrale in Deutschland gibt es eine starke und unabhängige Gewerkschaft und einen Betriebsrat, die die Firma dazu veranlassen, die Arbeitsgesetzgebung einzuhalten. Das Tochterunternehmen in China war anfangs davon stark beeinflusst.

Vor dem Jahr 2008 kamen die meisten Personen aus dem höheren Management aus Deutschland. Zu dieser Zeit verdienten die Beschäftigten inklusive Sozialversicherungszulagen ca. 3.000 bis 4.000 RMB (wobei vergleichbare Beschäftigte bei anderen Firmen nur 1.500 bis 2.000 RMB verdienten). Danach veränderte sich das Management, und die meisten Personen kommen nun aus China. Damit einhergehend wurden die Zulagen für die Arbeiter*innen gekürzt. Mittlerweile verdienen die einfachen Beschäftigten nur noch ca. 3.000 RMB im Monat.

Im Jahre 2014 ereignete sich eine Explosion in der Fertigungshalle der Kunshan Zhongrong Metal Products Co., Ltd., 146 Menschen starben. Das Unglück wurde als »Produktionsunfall« klassifziert, und im Anschluss wurden seitens des zuständigen Ministeriums zahlreiche lokale und regionale Beamte in Kunshan und Suzhou zur Rechenschaft gezogen. Dieses Ereignis hatte großen Einfluss auf alle Betriebe im Raum Suzhou. Alle staubproduzierenden Fertigungsanlagen mussten zur Nachbesserung die Produktion komplett einstellen. HBM hatte damals eine Stanzerei, die ebenfalls geschlossen und umgebaut werden musste. In den Jahren danach investierte HBM viel Arbeitskraft und materielle Ressourcen in den Ausbau der Feuerbekämpfung und des Arbeitsschutzes.

Durch die schnelle Entwicklung von Suzhou und die fortschreitende Urbanisierung wurden die peripheren Betriebsteile von HBM nach und nach in den Westen der Stadt oder noch weiter entferntere Gegenden verlagert. Deswegen wurde HBM noch vorsichtiger bei der Anwerbung von Beschäftigten, aus Sorge, Probleme mit den Aufsichtsbehörden zu bekommen. Zuvor war es noch Routine, dass Arbeiter*innen im Monat über 100 Überstunden gemacht haben. In den letzten zwei Jahren wird aber streng darauf geachtet, dass nicht mehr als 72 Stunden pro Monat an Überstunden abgeleistet werden (auch das verstößt zwar noch gegen das nationale Arbeitsgesetz, ist aber im Einklang mit den lokalen Arbeitszeitregelungen von Suzhou).

Vor 2008 gab es noch relativ wenige Leiharbeiter*innen in Suzhou. Seit 2008 entwickelte sich diese Branche jedoch sehr schnell, und auch HBM tendierte immer stärker dazu, Leiharbeiter*innen zu beschäftigen. Ein Teil der Leiharbeitskräfte wurde in Festanstellungen übernommen. Nach dem Erlass der »Vorläufgen Bestimmungen zur Leiharbeit« und der breiten Förderung von industriellen Restrukturierungen in Suzhou geht die allgemeine Tendenz jedoch dahin, Leiharbeiter durch Arbeitskräfte-Outsourcing (Werkverträge) zu ersetzen. Bei HBM gibt es diese Tendenz zumindest bis jetzt jedoch noch nicht“.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=141654
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