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Wohin entwickeln sich die Massenproteste in Hongkong?

Barrikaden vor dem Parlament in Hongkong am 12.6.2019 gegen das AuslieferungsgesetzBei neuen Demonstrationen in Hongkong ist es am Samstag wieder zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei gekommen. Nahe dem Parlamentssitz gingen Sicherheitskräfte mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Radikale Aktivisten schleuderten Gegenstände, Steine und auch Brandsätze. Trotz des Verbots einer Großdemonstration waren am Samstag wieder Tausende auf die Straßen gegangen. Demonstranten besetzten die Verkehrsadern in der Nähe des Regierungsviertels. Die Polizei sprach von einer „ungenehmigten Versammlung“ und „illegalen Aktionen“. (…) Die Polizei der chinesischen Sonderverwaltungsregion hatte eine ursprünglich geplante Großdemonstration aus Sicherheitsgründen verboten. Mit dem Protestzug wollte die Demokratiebewegung eigentlich den fünften Jahrestag des Scheiterns der Wahlreform 2014 begehen, die die kommunistische Führung in Peking nicht erlauben wollte. „Es ist ein Gedenktag für uns“, sagte die Demonstrantin Beatrix Wong. „Deswegen haben wir uns versammelt, um gemeinsam für unser Recht zu kämpfen. Wir tun es ohne Erlaubnis, weil es ein Menschenrecht ist.“ Das Ende der Wahlreform 2014 war der Anfang der heute als „Regenschirmbewegung“ bekannten prodemokratischen Demonstrationen, die Teile der asiatischen Wirtschafts- und Finanzmetropole wochenlang lahmgelegt hatten…“ – aus der Meldung „Hongkong: Schwere Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten“ am 31. August 2019 bei web.de externer Link, die hier als Beispiel für viele ähnliche Agenturmeldungen und Berichte steht. Siehe dazu auch zwei Beiträge aus Hongkong, in denen versucht wird, diese Entwicklungen zu analysieren und die unterschiedlichen wirkenden politischen Kräfte deutlich zu machen:

  • „Die Proteste in Hongkong verschärfen sich“ in Die Internationale Nr 5/2019 externer Link (Ausgabe September/Oktober 2019) ist ein Interview von Kevin Lin mit Au Loong Yu (in der deutschen Übersetzung von Alena W., ursprünglich im Jacobin Mag am 01. August 2019), in dem dieser zu den Einflussnahmen abschließend unterstreicht: „… Die beiden rivalisierenden Lager verlangen von den Menschen, sich zu entscheiden: „entweder für Washington oder für Peking“. Alle fortschrittlichen Kräfte, sei es in oder außerhalb von Honkong, sollten sich dieser Forderung verweigern. Für die arbeitende Bevölkerung in Hongkong, China oder den USA kann dies keine echte Wahl sein. Für die Arbeiter*innen gibt es in diesem Wettbewerb nichts zu gewinnen. Trump verfolgt das Projekt, die amerikanische Armee und ihre Unternehmen wieder groß zu machen und dafür die Arbeitnehmer*innen und die Umwelt zu opfern, in den USA, in China und im Rest der Welt. Xis Projekt der Modernisierung Chinas, das im Namen des Volkes durchgeführt wird, entspricht nicht den Interessen der Arbeitnehmer*innen. Xi verteidigt seine Interessen im Südchinesischen Meer und setzt gleichzeitig die Zukunft Chinas aufs Spiel – seine natürlichen Ressourcen, sein ökologisches Gleichgewicht und die Gesundheit seiner Bevölkerung. Er kämpft für die Vermögen und die Stellung der Mandarine und zerstört gleichzeitig die Lebensgrundlagen der Menschen. Hongkong war für den Aufstieg Chinas von zentraler Bedeutung, und nun begleicht Peking seine Schuld, indem es sein Versprechen bricht, Hongkong das allgemeine Wahlrecht zu gewähren. Wir dürfen nicht in die nationalistische Falle tappen, die Aggression der USA oder die Aggression Chinas zu unterstützen. Das ist der erste Schritt, um der Rivalität zwischen den USA und China entgegenzutreten und zu verhindern, dass sie zu einem Krieg führt...“
  • „Hongkong: AnarchistInnen im Widerstand gegen das Auslieferungsgesetz“ bei CrimeThinc externer Link ist die ausführliche Version einer deutschen Übersetzung eines Beitrags (auf dessen ursprüngliche englische Fassung wir bereits verlinkt hatten: „Was „Links“ in Hongkong bedeutet und wie sich das auswirkt…“ am 28. Juni 2019 im LabourNet Germany) mit einem Interview mit Anarchisten aus Hongkong. Darin heißt es unter anderem: „… Selbstverständlich ist dies nur eine sehr holzschnittartige Beschreibung der Regenschirm-Bewegung von vor fünf Jahren – und selbst damals gab es eine beträchtliche Menge an „Exzessen“: neue und emanzipatorische Praktiken und Begegnungen, die nicht in der offiziellen Erzählung aufgingen. Diese Erfahrungen sollten zurückerobert werden, auch wenn dies nicht der richtige Moment oder Ort dafür ist. Was wir jetzt erleben, ist eine weitere Übung in der Mystifizierung, bei der die Protokolle, die jedes Mal in Kraft treten, wenn das soziale Gefüge in eine Krise gerät, die Möglichkeiten, die sich eröffnen, blockieren können. Es wäre jedoch verfrüht anzunehmen, dass dies bald der Fall sein wird. Bei unserer Lektüre linksradikaler Social Media aus dem Westen haben wir festgestellt, dass Intelligenz und Neugier häufig dem Hang, diesen oder jenen Kampf sofort zu einzuordnen, zum Opfer fallen. Viele „Kommentare“ tendieren zu einem von zwei Polen: leidenschaftliches Abfeiern der Macht proletarischer Intelligenz oder zynische Denunziation ihrer populistischen Vereinnahmung. Keiner von uns kann die Spannung ertragen, sein Urteil über etwas, das sich außerhalb unseres Horizonts abspielt, aufschieben zu müssen. Wir beeilen uns, jemanden zu finden, der diese nebulöse Masse an Informationen in einer Weise ordnet, die wir verstehen und verdauen können – damit wir unsere Unterstützung oder Ablehnung erklären können. Wir haben keine wirklichen Antworten für alle, die wissen wollen, ob sie sich für das interessieren sollen, was in Hongkong vor sich geht. Aber wir können alle, die daran interessiert sind, zu verstehen, was passiert, bitten, sich die Zeit zu nehmen, ein Verständnis für diese Stadt zu entwickeln. Obwohl wir ihre Politik nicht immer teilen und einige Meinungsverschiedenheiten mit den dort dargestellten Fakten haben, unterstützen wir jede Berichterstattung über die Ereignisse in Hongkong, die Ultra, Nao und Chuang im Laufe der Jahre der englischsprachigen Welt angeboten haben…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153841
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