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In den andauernden Massenprotesten in Hongkong werden auch soziale Ursachen deutlich

Barrikaden vor dem Parlament in Hongkong am 12.6.2019 gegen das Auslieferungsgesetz„… Im Vordergrund der diesjährigen Demonstrationen stehen neue studentische Gruppierungen wie Youngspiration, Demosisto und Hong Kong Indigenous, die ihre Basis in der riesigen Menge der auf fünf Hochschulen verteilten 100 000 Studenten haben. Demosisto setzt sich ein für „die demokratische Selbstbestimmung für Hongkong. Durch direkte Aktionen, Volksabstimmungen und gewaltfreie Mittel machen wir Druck für die politische und wirtschaftliche Vorherrschaft“. Hong Kong Indigenous hält weniger von dem „sanften“ Ansatz der Gewaltfreiheit und setzt mehr auf einen „militanten“ Ansatz mittels „Mut und Stärke“. Auch wenn die Auslieferungsgesetze der Anlass waren, so erklärt sich das Ausmaß und der Nachdruck der Demonstrationen im Erleben des harten Alltags fast aller Hongkonger Bewohner, mit Ausnahme der Superreichen.2018  war das Wirtschaftswachstum in Hongkong geringste das in zehn Jahren. Schwacher Binnenkonsum und langsamer wachsende Immobilienpreise drückten das Wirtschaftswachstum auf 1,2 % im letzten Quartal 2018, während gleichzeitig die Exporte insgesamt um 4,2 % fielen. Das sorgt für Unruhe in einer Stadt, deren Einkommen wesentlich vom Import/Export abhängig ist (fast 30% der 4 Millionen Arbeitnehmer in Hongkong sind direkt oder indirekt im Import/Export tätig. Wenn man die Gelegenheitsarbeiter dazurechnet, die nachts ihr Einkommen als Händler mit dem Vertrieb der Rücksendungen der Import/Exportindustrie verdienen, sind es sogar noch mehr). Die Ungleichheiten in der Vermögensstruktur der Stadt gehören zu den krassesten der Welt. Hongkong erzielt Einnahmen durch den Verkauf und die Besteuerung von Land und, mittels seiner Niedrigsteuerpolitik,  durch die Attraktion internationaler Unternehmen, um Kapital für seine öffentlichen Kassen zu erzielen. Laut Healy Consultants bietet Hongkong den Konzernen die attraktivsten Bedingungen in ganz Ostasien, und lockt somit direkte ausländische Investitionen an  – auf dem Rücken der schlecht verdienenden, überarbeiteten Bevölkerung. Neuere Zahlen belegen, dass 1,37 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze leben und mit weniger als $4,000 Hongkong Dollar ($510 US Dollar) pro Monat für einen Singlehaushalt auszukommen versuchen. Die Armutsrate in Hongkong erreichte im letzten Jahrzehnt 20,1% ; in letzter Zeit ist sie zwar geringfügig gesunken dank zeitlich begrenzter finanzieller Hilfen, die aber die zugrundeliegenden Ursachen der Armut in keiner Weise beeinflussen…“ – aus dem Beitrag „Die Proteste in Hongkong“ von John Smith am 27. Juli 2019 bei der Freiheitsliebe externer Link, der nicht nur politische und soziale Hintergründe für Intensität und Dauer der Proteste anführt, sondern auch auf Verbindungen mit Protesten in Festlandchina hinweist. Siehe dazu auch vier weitere Beiträge über soziale und gewerkschaftliche Hintergründe der aktuellen Proteste, einen Bericht über neue Aktionen und den Hinweis auf den bisher letzten unserer zahlreichen Beiträge zu diesen Entwicklungen in Hongkong:

„Hong Kong Protesters and Militant Chinese Workers Point the Way to a New Kind of Internationalism“ von Michelle Chen am 29. Juli 2019 bei Working in These Times externer Link ist ein Beitrag, in dem die aktuellen Entwicklungen von Protesten, sowohl in Hongkong als auch in „Festland China“ auf Gemeinsamkeiten und entsprechenden Entwicklungen hin „abgeklopft“ werden – mit vielen Links zu Hintergrundinformationen.

„From security guards to doctors, Hong Kong’s overworking culture is a symptom of deeper social ills that may explode if left unchecked“ von Fiona Sun am 27. Juli 2019 in der South China Morning Post externer Link ist ein Beitrag über die Arbeitsbedingungen zahlreicher Berufe in Hongkong, die insgesamt einem andauernden Dauerdruck unterliegen würden, der sich in einer Explosion wachsender Unzufriedenheit entladen könne, wenn nicht geschehe, um dies abzumildern – meint die Autorin und sieht dies ebenfalls als einen der Hintergründe der aktuellen Proteste. Die gewerkschaftlichen Forderungen nach besserer Bezahlung von Überstunden und nach ihrer Begrenzung seien in wachsendem Maß populär.

„‘We are all Hong Kong people’: Civil servants seek police permission to hold anti-extradition law rally on Friday“ von Kris Cheng am 30. Juli 2019 in der Hongkong Free Press externer Link ist ein Bericht über die Beantragung einer Demonstrationserlaubnis für Freitag, den 02. August 2019 durch fünf Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes in Hongkong, die dabei ankündigen, rund 2.000 Menschen zu erwarten. Ein Hinweis auf die zunehmende gewerkschaftliche Aktivität im Rahmen der aktuellen Proteste, denn dieser Antrag kommt nach entsprechenden Ankündigungen (siehe dazu auch den Hinweis auf unseren bisher letzten Bericht am Ende dieses Beitrages).

„Hong Kong airport staff stage protest against Yuen Long attack„ von Lily Kuo am 26. Juli 2019 im Guardian externer Link ist ein Bericht über Streik und Protest am Flughafen von Hongkong, an dem sich in der letzten Woche sowohl Kabinen- als auch Bodenpersonal beteiligten – gerichtet gegen die Polizeigewalt und die Schlägerbanden der Triaden.

„Demonstranten blockieren Zugverkehr“ am 30. Juli 2019 bei Spiegel online externer Link meldet über die jüngsten Proteste: „… Hunderte von Demonstranten haben den Zugverkehr in Hongkong blockiert. Während der Hauptverkehrszeit am frühen Morgen legten sie den Zugverkehr in der von China kontrollierten ehemaligen britischen Kronkolonie lahm. Aktivisten blockierten die Zugtüren. Dadurch wurden Hunderte von Menschen gezwungen, die Bahnhöfe zu verlassen und sich andere Verkehrsmittel zu suchen.  Am Dienstag hatte die chinesische Regierung damit gedroht, „Recht und Ordnung wiederherzustellen“. Die Gewalt „radikaler Elemente“ habe die Stabilität gefährdet und stelle eine ernste Herausforderung für die Rechtsstaatlichkeit dar, erklärte ein Sprecher der für die Sonderverwaltungszone zuständigen Pekinger Behörde…“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=152337
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