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„Leistung lohnt sich wieder“: Prämien für Amazon-Beschäftigte – wenn sie auf Twitter das Loblied des Unternehmens singen. Die Leistung? Kosmetik.

Werbetafel in Poznań: Amazon – Ausbeutung ohne Grenzen. Arbeiter in Polen: 11 Złoty netto pro Stunde, 10 Stunden am Tag, Jeff Bezos: 1.440.000 Dollar pro Stunde, 24 Stunden am Tag„“Genau wie Jeff [Bezos, Anmerkung der Redaktion] kann ich die Toilette jederzeit benutzen! Keine Flasche benötigt“, twittert etwa Botschafter Jeremy, der laut eigener Aussage seit etwa anderthalb Jahren für Amazon arbeitet und es im August 2018, seinem ersten Monat in dem sozialen Netzwerk, auf über 150 Tweets bringt. Natürlich bezahle sein Arbeitgeber ihn, aber nicht dafür, dass er eine schöngezeichnete Version seiner Arbeit bei Twitter verbreite: „Meine Gedanken, meine Meinungen, meine Worte.“ Laut „Yahoo“-Reporterin Krystal Hu leisteten die „Botschafter“ ihren Einsatz allesamt freiwillig und würden mit einem freien Tag und einer Geschenkkarte belohnt. Ihre Kollegen sind offenbar nicht durchgängig von ihrer Rolle angetan: Ein ehemaliger Teilnehmer des Programms habe die Twitterer gegenüber Hu als „die Arschkriecher einer Abteilung“ beschrieben. Auch bei anderen Nutzern der Plattform verfängt die Charme-Offensive nur bedingt. „Schreib uns ein weinendes Lach-Emoji, wenn du Hilfe bei der Flucht brauchst“, twittert einer, während ein anderer festhält: „Ich habe schon glaubhaftere Videos von Geiseln gesehen…“ – aus dem Beitrag „Amazon-Mitarbeiter: Ich darf genauso oft zur Toilette wie Jeff!“ am 27. August 2018 beim Manager Magazin externer Link. Worin die erste Frage, die sich bei diesen tollen Tweets stellt, gar nicht erhoben wird: Woher weiß der denn eigentlich, wie oft Jeff Bezos auf die Toilette geht? Der ursprüngliche Beitrag zu diesem Thema, das sich schnell weltweit ausbreitete, bei Quartz.com hatte auch noch das Wirken von Trolls an der Verschönerungsfront zum Thema. Siehe zu Arbeitsbedingungen bei Amazon – in verschiedenen Ländern – auch einige weniger geschminkte Beiträge:

  • Spanien: Amazon-Arbeiter wegen Verletzung entlassen – jetzt ohne feste Bleibe“ von Eric London am 14. August 2018 bei wsws externer Link berichtet unter anderem, weniger schön: „José Antonio Rueda Bermudez, ein ehemaliger Amazon-Mitarbeiter im Auslieferungszentrum San Fernando de Henares bei Madrid, wird den Tag nie vergessen, als er nach Hause kam, und die Möbel der Familie auf der Straße standen. Der World Socialist Web Site erklärte Rueda: „Ich musste sogar mein Handy verkaufen, um Lebensmittel bezahlen zu können. Wir mussten Freunde und Verwandte anrufen und sie bitten, unsere Möbel und unserer Sachen für uns aufzubewahren. Wir standen auf der Straße und brauchten ein Dach über dem Kopf.“ Familienangehörige und Freunde haben Rueda, seiner Frau und seiner Tochter geholfen, ein Apartment zu mieten. Er weiß jedoch nicht, wie lange er dort bleiben kann. Rueda erklärte: „Wir werden wohl nicht lange bleiben können. Es ist sehr schwer, etwas Festes zu finden, aber auf der Straße können wir nicht leben.“ Rueda war über die amerikanische Zeitarbeitsfirma Manpower als Vertragsarbeiter im Amazon-Auslieferungszentrum beschäftigt. Im Jahr 2015 verletzte er sich am Arbeitsplatz. Ruedas Job war es, täglich Hunderte von schweren Kisten zu heben und zu transportieren – eine äußerst belastende Tätigkeit, die noch dazu schnell erledigt werden muss. Das Management beobachtet die Arbeiter ständig und drängt auf maximale Geschwindigkeit und Effizienz. Eines Tages im Juli transportierte Rueda eine Kiste, als ein unerträglicher Schmerz durch seinen Körper fuhr. Er war zu dieser Zeit erst 28 Jahre alt. Die Ärzte erklärten ihm später, dass er an einem chronischen Hexenschuss und einer chronischen Sacroiliitis leide, einer entzündlichen Veränderung der Wirbelsäule, die ihn voraussichtlich sein ganzes Leben lang begleiten wird. Seine Chancen auf einen Job sind sehr beschränkt, weil er nicht mehr längere Zeit stehen kann
  • „„Schikanen in weißen Handschuhen““ von Jan Opielka am 26. August 2018 bei der FR Online externer Link über die Erfahrungen eines Basisgewerkschafters in Polen: „Roman Lupinski ist müde. Seit vier Jahren arbeitet der 45-Jährige beim Online- und Versandgiganten Amazon im westpolnischen Poznán. Und es ist mehr als nur schwere Arbeit – diese verrichtet der Lagerarbeiter in Vollzeit mit rund 4000 festen Beschäftigten und etwa 1700 Zeitarbeitnehmern an diesem Standort, einem von vier Amazon-Lagern in Polen. Zusätzlich Gewerkschafter zu sein an der Warthe, noch dazu beim Konzern des reichsten Menschen der Erde, ist ein Kampf sondergleichen. „Das, was man als Schutz von Gewerkschaftern bezeichnet, ist in Polen kaum mehr als Illusion“, sagt Lupinski. Der Aktivist, der schon früher Erfahrungen bei gewaltsamen Streiks machte, sitzt heute im kleinen, anarchisch eingerichteten Büro der Gewerkschaft „Arbeiter-Initiative“ (Inicjatywa Pracownicza, kurz: IP) im Zentrum der Stadt. Seit der Firmenleitung bekannt wurde, dass Lupinski Gewerkschafter ist, sei er inzwischen an einen Arbeitsplatz versetzt worden, wo er weniger in Bewegung ist, und damit weniger Kontakt mit den Mitarbeitern hat, sagt er. „Schikanen in weißen Handschuhen.“ Doch diese Schikanen bedeuten für Lupinski, der im Verlauf des Gesprächs immer lebendiger wird, dass Amazon die Aktivitäten der IP insgeheim fürchtet. „Amazon ist Pionier des totalen, neoliberalen Kapitalismus, der auf eine fast totalitäre Ausbeutung der Beschäftigten ausgerichtet ist, andere Unternehmen orientieren sich an dem Konzern“, sagt Lupinski, der bei der IP seit ihrer Gründung vor zehn Jahren aktiv ist. Lange Zeit war der Lagerarbeiter…
  • „Amazon Profits from Secretly Oppressing its Supplier’s Workers: An Investigative Report on Hengyang Foxconn“ am 10. Juni 2018 bei China Labor Watch externer Link ist ein Untersuchungsbericht über die Foxconn Fabrik in Hengyang, die nahezu ausschließlich für Amazon produziert. Mehrere Beauftragte der Initiative arbeiteten von August 2017 bis April 2018 in dieser Fabrik und veröffentlichten diesen Bericht über die Arbeitsbedingungen der Belegschaft – von der 40% von Subunternehmen beschäftigt werden, obwohl das entsprechende Gesetz der VR China „nur“ 10% als Obergrenze vorsieht. Der Durchschnittslohn der gesamten Belegschaft liege unter dem regionalen Schnitt, so dass viele auf Überstunden angewiesen seien – etwa 14 Tage am Stück arbeiten, in der Hochsaison. Während in der Nebensaison eben dann viel weniger verdient wird.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=137027
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