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Erschießen, verprügeln, einsperren, überwachen, entführen und vergewaltigen: Die chilenische Regierung lässt ihrer Soldateska „freie Hand“ um die Protestbewegung zu brechen: Bisher erfolglos…

Seit dem 19.10.2019 herrscht die Armee wieder auf den straßen Chiles - oder versucht es zu mindestens...„… Zu ihren zentralen Forderungen gehören unter anderem die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung, die Anhebung von Mindestlohn und Renten auf 500.000 Pesos (rund 600 Euro), die Rückverstaatlichung der natürlichen Ressourcen sowie allgemein bessere Lebensbedingungen, unter anderem Zugang zu würdigem Wohnraum, kostenloser Bildung und Gesundheitsversorgung. Die Cabildos gibt es nicht mehr nur in Chile selbst. In der vergangenen Woche gab es derartige Versammlungen auch in Lissabon, Berlin sowie weiteren europäischen und deutschen Städten. Häufig organisiert von Exilchilenen wollen sie die internationale Solidarität und Unterstützung mit den Protesten zum Ausdruck bringen. Am Freitag wurde unterdessen bekannt, dass die Polizei Umwelt- und soziale Organisationen sowie Teile der Gewerkschaften und deren Führungspersonal überwachen ließ. Dies geht aus den mehr als 10.000 internen Dokumenten hervor, die bei einem Cyberangriff entwendet wurden. Unter dem Stichwort „Alarmzustand Oktober“ führte die Polizei demnach Buch über die Beteiligung einzelner Persönlichkeiten an Cabildos oder Demonstrationen…“ – aus dem Beitrag „Proteste in Chile gehen weiter, Polizei überwacht soziale Organisationen“ von Marius Weichler am 03. November 2019 bei amerika21.de externer Link über eine der wesentlichen Organisationsformen der Bewegung und die polizeistaatlichen Reaktionen der Regierung. Siehe dazu auch vier weitere aktuelle Beiträge über die enthemmte Repression in Chile – und drei Beiträge, die deutlich machen, wie erfolglos diese extrem reaktionäre Vorgehensweise bisher ist, inklusive eines Beitrags über die Rolle der Docker-Gewerkschaften bei der Initiative, einen Generalstreik zum Sturz der Regierung zu organisieren – sowie den Hinweis auf unseren bisher letzten Betrag zum Thema, der bereits die Rolle der Gewerkschaften in den Protesten als Schwerpunkt hatte:

„Chile: “Trauernde Frauen” demonstrieren in Santiago im Gedenken an die Ermordeten“ am 01. November 2019 bei Klasse gegen Klasse externer Link war die Übersetzung der kommentierten Dokumentation von Piensa Prensa (inklusive Videoberichte) der Gedenkdemonstration, die mit folgender Einleitung versehen ist: „In diesem Moment demonstrieren tausende Frauen in Santiago de Chile. “Trauernde Frauen” in schwarzer Kleidung marschieren zum Gedenken an die 23 Ermordeten, mehr als 1.500 Verwundeten und Tausenden Verhafteten, für die die repressive Regierung von Piñera und sein Militär verantwortlich sind. Mit erhobener Faust und schweigend gingen sie zur Polizeiwache, um diese Tatsachen anzuprangern. Es ist weiterhin an der Tagesordnung, dass Piñera mit dem Generalstreik gestürzt wird“.

„Huelgas, convocatorias de sindicatos y seguimiento a un vocero del Modatima: Revelan listado de organizaciones que son vigiladas por Carabineros“ am 01. November 2019 bei El Desconcierto externer Link war die Meldung über die Überwachungslisten der Polizei, die unter anderem zahlreiche (keineswegs besonders radikale) Gewerkschaftsverantwortliche enthält, die an der einen oder anderen Stelle zum Protest aufgerufen haben – und sowieso alle, die irgendwie aktiv sein könnten…

„Dozens Blinded by Chile Police in Violent Crackdown on Protests“ von Laura Millan Lombrana und Sebastian Boyd am 30. Oktober 2019 bei Bloomberg externer Link berichtete (im Gegensatz zu bundesdeutschen Leidmedien) über Dutzende von Menschen in Chile, die Augen verloren haben aufgrund des herrschenden Polizeiterrors – Gummigeschosse eben (über die auch hierzulande berichtet worden wäre, wäre das eben beispielsweise in Hongkong gewesen…)

„Landesweiter Ausnahmezustand: 13 Frauen* vermisst“ am 01. November 2019 beim NPLA externer Link über einen besonderen Aspekt der allgemeinen Repression in der Berichterstattung über einen Aufruf: „Nach Angaben der Menschenrechtsinitiative Defensoría Jurídica der Universidad de Chile in Santiago wurden eine Woche nach Beginn der Massenproteste in Chile bereits 13 Frauen* vermisst. Das teilte die von Student*innen, Dozent*innen und Rechtsanwält*innen gegründete Initiative am 25. Oktober 2019 mit. Deren vorläufige Bilanz fiel nach acht Tagen Ausnahmezustand folgendermaßen aus: 20 Tote und 437 offiziell registrierte Schussverletzungen. Es muss also davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Anzahl weitaus höher liegt. Dazu kommen mehrere irreparable Augenverletzungen, Folterungen und Misshandlungen und nun auch das Verschwinden von Menschen. Die Menschenrechtsinitiative Defensoría Jurídica veröffentlichte Fotos der Verschwundenen und forderte die Bevölkerung auf, an der Aufklärung ihres Verbleibs mitzuwirken“.

„Revolte in Chile – Ein ganzes Land gegen Neoliberalismus“ von Paul Frei am 31. Oktober 2019 bei Hydra World externer Link berichtet – unter anderem – aus Valparaiso über Nachbarschaftsversammlungen:  „… Die Hafenstadt liegt 120 Kilometer westlich von Santiago und gilt als linke und alternative Stadt. Im Gegensatz zu Santiago ist die Stimmung in Valparaíso angespannter. Der Busbahnhof wird von Militärs mit Maschinengewehren bewacht, weitere Einheiten sind auf Abruf in der Innenstadt stationiert. Die Kriminalpolizei bewacht in schwerer Montur ihre Station und Militärhubschrauber kreisen über der Stadt. Ein Großteil der Bewohner*innen läuft mit einer Atemschutzmaske durch die verwinkelten Straßenzüge, der auf verschiedenen Hügeln gelegenen Stadt, denn der beißende Geruch von Tränengas liegt in der Luft. Wie bereits in Santiago ist auch der Hafenstadt anzusehen, dass hier seit über einer Woche protestiert wird. Jede der vier Hauptstraßen im Innenstadtbereich ist samt Nebenstraßen auf einer Strecke von etwa drei Kilometern übersät mit Graffitis, Tags und zerstörten Geschäften. Im Innenstadtbereich dürfte es um die 20 abgebrannten Gebäude geben. Vorwiegend große Supermarktketten und Apotheken. Kleinere Geschäfte wurden von den Plünderung verschont aber haben ihre Rolltore trotzdem zusätzlich verbarrikadiert und bitten mit Zetteln darum ihre Läden nicht zu Plündern, da sie sonst vor dem Nichts stehen. Wie in ganz Chile kommt es auch in Valparaíso den Vormittag zu Asambleas, Versammlungen der Nachbarschaft an den öffentlichen Plätzen, um über die Situation zu diskutieren und Forderungen an die Regierung zu stellen, die längst über soziale Reformen hinaus gehen: Der Rücktritt Piñeras wird gefordert und nichts weniger als eine neue Verfassung für das Land. Die aktuelle stammt aus der Militärdiktatur und ist durchsetzt von neoliberalen Gesetzen. Auch wenn sich sehr wenige bis keine organisierten linken und kommunistischem Gruppen an den Demonstrationen öffentlich beteiligen, so ist der Klassenkampf auf den Plakaten, in den Forderungen und den Parolen omnipräsent. Auf dem Plaza Sotemayor, einem der großen Plätze in Valparaiso, hält eine junge Demonstrantin ein DIN A3 großes Pappeschild in die Luft. Zwischen Fahnen und Luftballons ragt ihr Schild heraus. “Gibt es kein Brot für den Armen, gibt es keinen Frieden für den Reichen”. Zur heutigen Demonstration haben unter anderem die Fans des lokalen Fußballvereins aufgerufen, die die Demonstrationsspitze anführen. Gefolgt vom mehreren Tausend Demonstrant*innen aller Altersklassen und einem Block aus etwa 100 Motorradfahr*innen samt ihren Motorrädern macht sich der Demonstrationszug auf den Weg Richtung Kongress...“

„Beautiful scenes from Valparaíso last night“ am 01. November 2019 beim Twitter Kanal The 1 and 1 externer Link ist ein kurzes Video von der Demonstration in Valparaiso, in dem ein Wasserwerfer die Flucht ergreifen muss, was eines von vielen möglichen Beispielen dafür ist, dass sich die DemonstrantInnen gegen die Polizeirepression aktiv zur Wehr setzen…

„Unión Portuaria formará parte de comité de huelga que busca paralizar a todos los sectores…“ am 02. November 2019 beim Portal Portuario externer Link ist die Meldung, dass die Vereinigung der Dockergewerkschaften gemeinsam mit der Coordinadora Nacional de Trabajadores y Trabajadoras No Más AFP, Central Unitaria de Trabajadores, Unión de Sindicatos de la Minería, Sindicato Interempresa Nacional de Trabajadores de la Construcción y Montaje Industrial (Sintec), dem Colegio de Profesores de Chile und der Asociación Nacional de Empleados Fiscales (Anef) ein Komitee gebildet haben zur Organisierung eines Generalstreiks bis zum Rücktritt der Regierung. Ein Komitee, in dem neben dem größten Gewerkschaftsbund CUT sowohl einige seiner wichtigsten Einzelgewerkschaften vertreten sind, als auch nicht zum Verband gehörende wichtige soziale und gewerkschaftliche Organisationen.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=156721
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