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Updated: 18.12.2012 16:00
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Der Streik der LehrerInnen wird von den Eltern unterstützt - warum?

Seit der ersten Septemberwoche streiken die LehrerInnen in der Demokratischen Republik Kongo: es geht im wesentlichen um Lohnfragen sowie um befürchtete Ungerechtigkeiten in einem geplanten neuen Besoldungsverfahren. In den ersten Tagen wurde der Streik vor allem in der Hauptstadt befolgt, seit der zweiten Streikwoche breitet er sich im ganzen Land aus. Es streiken sowohl die Beschäftigten der staatlichen wie auch der katholischen Schulen, die beiden Gewerkschaften haben ein gemeinsames Streikkomitee. Das wesentliche an diesem Streik aber ist das Echo - unter den Eltern: sowohl die wichtigsten Elternorganisationen als auch die große Mehrheit der unorganisierten Eltern unterstützen den Streik. Über die Gründe für diese keienswegs selbstverständliche Konstellation ein kurzes Telefongespräch "Welche Erfolgsaussichten hat der Lehrerstreik?" mit Benoit Etienne, selbst streikender Lehrer in Kinshasa vom 19. September 2007.

Welche Erfolgdsaussichten hat der Lehrerstreik?

Benoit, warum streiken die Lehrer?

Tja, wenn du eine Stunde Zeit hast, versuche ich , es dir zu erklären...Spaß beiseite - es geht vor allen Dingen ums Geld, aber eben auch sehr stark um Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne. Das angekündigte neue Entlohnungsschema macht eben Angst, bei einem Einkommen von oft so um die 20 Euros im Monat noch mehr zu verlieren. Versteh mich Recht: Im Kongo, wie in den meisten afrikanischen Ländern, ist der Lehrerberuf keiner, von dem man sich soziale Sicherheit erwarten kann, wie etwa bei euch in Deutschland. Von daher auch ist der Anteil derjenigen, die diesen Beruf aus politischer Überzeugung ergreifen, aus Idealismus oder was es immer sein mag, relativ hoch. Wenn Du wenig verdienst, unter Bedingungen arbeitest, die vom Fehlen von Bauten bis zum Fehlen von Büchern gehen, dann erwartest Du nicht viel, aber doch vielleicht eine Tendenz zur Besserung...

Und die ist nicht abzusehen?

"Und hört auf, schlecht über Afrika zu reden - ihr habt so einen als Präsidenten"

Jetzt schau dir mal die Auseinandersetzung um den Staatshaushalt an: der ist ohnehin klein - liegt bei etwa 5 Prozent des Umfangs des französischen Staatshaushalts, bei vergleichbarer Einwohnerzahl. Da hatte jetzt das Parlament den Ministerentwurf korrigiert - im Sinne von mehr Ausgaben für Ausbildung und Gesundheitswesen. Und dann fängt eine kolossale Medienkampagne an: die Herren des Internationalen Währungsfonds zeigen sich besorgt über den damit einzuschlagenden Regierungskurs, und was passiert? Der Senat streicht die Änderungen. Der neoliberale Haushalt wird so wie geplant verabschiedet. Dass der eine oder andere Senator daran verdient hat, ist ein Gerücht - wie es sie in Afrika immer gibt, aber ihr solltet aufhören über afrikanische Korruption zu schreiben, das ist unser Problem, ihr habt ja einen IWF Mann als Präsidenten und tut so, als sei das ein Ehrenmann.

Aber neu ist das doch nicht, oder?

Natürlich nicht, aber Du musst verstehen: Gerade der Kongo ist ein eigentlich reiches Land. Ich spreche von Bodenschätzen und fruchtbarem Land. Und es gab die Hoffnung auf Änderung, aber die geht jetzt dahin. Und die Sache mit der Ausbildung für die Kinder ist ja immer auch eine ganz zentrale Sache, wenn es um Hoffnungen für die Zukunft geht. Und da bewegt sich eben gar nichts.

Ist das auch der Grund dafür, dass offensichtlich viele Eltern diesen Streik unterstützen, was ja bei einem Streik im öffentlichen Dienst eher die Ausnahme ist? Oder ist das im Kongo nicht so?

Doch, das ist eigentlich wie überall, auch wenn es hier nicht so viel Erfahrung damit gibt, wegen der langen Diktatur und den vielen Kriegen. Nur: Gerade diese Enttäuschung, von der ich schon geredet habe, die empfinden viele nicht zuletzt als Eltern, so grob nach dem Motto, mein Leben ist sowieso schon verloren, aber meine Kinder sollen es besser haben.

Neuverhandlung der Bergbauverträge

Habt ihr das bei der Diskussion um den Streik vorher so überlegt?

Nun, natürlich gab es Debatten wie der Streik zu führen sei, zumal ja alle irgendwie beteiligten Gewerkschaften mitmachen. Wichtig aber ist, dass mit zunehmender Streikdauer auch die Unorganisierten sich angeschlossen haben, dass es wenig Streikbrecher an bestreikten Schulen gibt - und dass deswegen viele Menschen tatsächlich den Eindruck haben, es geht um die Sache der Erziehung, nicht vermittelt über Lehrerinteressen, sondern direkt. Dass auch die Lehrer der katholischen Schulen sich beteiligen ist dafür ebenfalls wichtig. Und dass es ja eine wirkliche gesellschaftliche Debatte - und zwar, was beim Kongo gar nicht selbstverständlich ist, im gesamtnationalen Rahmen - gibt um Ressourcen für die Entwicklung, wobei das zentrale Schlagwort die Neuverhandlung der diversen Bergbauverträge ist, denn immer weniger wollen einsehen, dass es großzügig sei, wenn man uns den Erzreichtum gegen Brosamen wegnimmt. Da wachsen sozusagen mehrere Sachen zusammen, die die Menschen eben heute auch bewegen, zumindest in all jenen Regionen, wo es gerade keinen Krieg gibt.

Und deswegen siehst Du die Chancen gut?

Ach weisst Du, was heisst gut. Ich sehe Chancen, aber wie gross sie sind, vermag ich nicht zu sagen, das kann glaube ich auch niemand, nicht für diesmal und nicht für die Zukunft, nur gilt eben ganz lapidar: Wenn wir uns nicht wehren, haben wir überhaupt keine Chance. Dann telefoniert ihr weiter mit eueren billigen Handys und wir halten Unterricht unter Baum, wenns gerade nicht schiesst - oder regnet...

(Die Fragen stellte hrw)


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