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Nach dem Kampftag 11. November: Brasiliens Linke debattiert Ergebnisse des Kampfes gegen das Programm der Putschregierung

Gemeinsame Demonstration in Brasilia am 11. November 2016: Dass die Besetzungsbewegung in Schulen und Unis und Gewerkschaften zusammen gehen, ist leider die AusnahmeDer 11. November 2016 sollte in Brasilien zum großen Aufmarsch in Richtung Generalstreik gegen die ungewählte Regierung Temer und ihr Programm der sozialen Reaktion im Dienste der Unternehmerverbände werden. Eigentlich sollte es eine gemeinsame Aktion aller bestehenden 9 Gewerkschaftsverbände sein – aber zwei Föderationen übten faktischen Boykott, und auch die anderen scheinen sich nicht in dem Maße mobilisierungsfähig gezeigt zu haben, wie sie es oft selbst erwarteten. So bleiben die Schulen und Universitäten wichtigster Schauplatz massiver Protestbewegungen – trotz polizeilicher Repression und faschistischer Attacken, die auch andere soziale Akteure treffen. Die Beschäftigten des Ölkonzerns Petrobras und die öffentlichen Bediensteten des Bundesstaates Rio de Janeiro sind ebenfalls wichtige Zentren des Widerstandes. Die Schwierigkeiten der Regierung betreffen aber auch verschiedene Konzepte im bürgerlichen Lager. Unsere aktuelle Materialsammlung „Gespaltener Widerstand in Brasilien“ vom 18. November 2016 soll eine Orientierungshilfe in dieser komplexen Situation sein:

„Gespaltener Widerstand in Brasilien“

„221 Universidades Ocupadas em todo o Brasil!“ am 14. November 2016 bei Esquerda Online externer Link ist ein Bericht – samt Überblick – über die Besetzungsbewegung an brasilianischen Universitäten, die an diesem Tag 221 Unis im ganzen Land betraf – die Zahl der gleichzeitig besetzten Schulen steht bei etwas über 300, zahlreiche weitere wurden von Polizei und Justiz beendet: Beide Protestbewegungen richten sich gegen den Erlass der Rechtsregierung, auf 20 Jahre keine Steigerung der Staatsausgaben zuzulassen, was von den BesetzerInnen völlig zu Recht als ein Kahlschlag in der Bildungspolitik bewertet wird

„Estudantes de ocupações se reúnem em encontro nacional em Brasília“ von Cristiane Sampaio am 15. November 2016 bei Brasil de Fato externer Link ist ein Artikel über ein Treffen von VertreterInnen der besetzten Schulen und Universitäten – längst nicht aller – zumeist rund um den (PT und KPB nahen) Studierendenverband UNE. Der Versuch, die Besetzungsbewegung zu vernetzen und koordinieren wird aber auch von vielen anderen Strömungen innerhalb dieser Bewegung für nötig empfunden

„CUT e Força Sindical chamam dias de paralisação separados, nenhum ato em apoio aos estudantes. A quem favorece a divisão?“ von Marcelo Pablito am 08. November 2016 bei Esquerda Diario externer Link ist ein Beitrag, der sich in bezug auf zwei Fragen sehr kritisch mit der aktuellen Situation der Gewerkschaftsbewegung auseinandersetzt: Zum einen mit der Schwächung durch die Aufrufe zu denselben Protesten an unterschiedlichen Terminen und zum anderen, dass keiner der Aufrufe in irgendeiner Weise die gegenwärtige Besetzungsbewegung an Schulen und Universitäten auch nur erwähnt, geschweige denn, irgendeine Art von Solidarität oder Absicht gemeinsamen Kampfes ausdrückt – und der abschließend die Frage stellt, wem diese Art Spaltung nutze, wobei sich die Antwort darauf jedermensch ausmalen kann

„Não ao acordão da Força/UGT com Temer: unidade é para lutar contra o governo e as reformas“ von Andre Valuche am 15. November 2016 ebenfalls bei Esquerda Diario externer Link ist ein Artikel, der die Zusammenarbeit der beiden Gewerkschaftsverbände Força Sindical (FS) und União Geral dos Trabalhadores (UGT) mit der Temer Regierung scharf kritisiert. Diese hatten sich am Vortag getroffen – also drei Tage nach den Proteststreiks der anderen Verbände – um einen entsprechenden Kuhhandel zu organisieren. Dabei wird insbesondere darauf verwiesen, dass der unsägliche FS-Vorsitzende als Parlamentsabgeordneter ohnehin für die PEC 241 gestimmt habe (die 20 jährige Ausgaben-Deckelung, gegen die sich der massive Widerstand etwa der Besetzungsbewegungen richtet). Der 25. November, der Tag zu dem die beiden Regierungspartner in der Gewerkschaftsbewegung zu Protesten aufrufen ist aber auch von linken Strömungen, wie etwa der CSP Conlutas faktisch als gleichwertig, wie der 11. November behandelt worden, was dem Autor zufolge ein Fehler sei, auch wenn es natürlich gelte, auch am25. November zu mobilisieren

„Trabalhadores lutam pela Petrobras, em Betim, MG“ von Rafael Queiroz am 15. November 2016 bei Esquerda Online externer Link ist ein Bericht über Kampfaktionen der Petrobras-Belegschaft in Betim, die unter anderem am Kampftag 11. November einen 8-stündigen Streik organisierte. Die angepeilte Privatisierung des größten brasilianischen Unternehmens und die vom Parlament bereits beschlossene Streichung der Mindestklausel-Beteiligung an der Exploration der Unterwasser-Vorkommen (bereits die Regelung der vorherigen PT Regierung, den „Pflichtanteil“ der Petrobras auf 30% zu reduzieren, war von Linken und Gewerkschaften heftig kritisiert worden, nun hat die neue Mehrheit auch diese Klausel qua Parlamentsbeschluss gestrichen) rufen Widerstand hervor – der allerdings keineswegs einheitlich ist, was sich unter anderem daran zeigte, dass es zahlreiche Petrobras Werke gab, die gegen eine Beteiligung am 11. November stimmten

„Acompanhe as imagens das mobilizações em todo o Brasil“ am 11. November 2016 beim Gewerkschaftsbund CUT externer Link war ein tagesaktueller Überblick über die Proteste und Streiks an diesem Tag quer durch Brasilien – wobei als erstes natürlich auffällt, dass keine Bilder von Aktionen aus Sao Paulo und dem ABC vorhanden sind und auch wenige von der Petrobras

Proteste im Bundesstaat Rio - trotz Polizeirepression erfolgreich im November 2016„Servidores enfrentam dura repressão e fazem Pezão recuar“ von Cintia Texeira am 17. November 2016 bei Esquerda Online externer Link ist ein Bericht über den massiven Kampf der öffentlichen Bediensteten im Bundesstaat Rio, die sich gegen die geplante „Ausgabenkürzung“ der Landesregierung zur Wehr setzten und den Eingang zum Landtag besetzten – und nach Räumung durch die Militärpolizei zurück kamen, und ihrerseits die Polizei vom Eingang vertrieben – beim erfolgreichen zweiten Besetzungsanlauf waren es dann aber eben auch 10.000 Menschen, die sich beteiligten – diese Zahl und die Besetzung führten zu ersten Zugeständnissen des Gouverneurs

„25 de novembro é „Dia Nacional de Luta em Defesa dos Direitos Sociais e Trabalhistas““ am 11. November 2016 beim Gewerkschaftsbund NCST externer Link ist – am Tag, da andere Föderationen zu Streiks und Protesten aufgerufen hatten – der Aufruf dieses Gewerkschaftsbundes für den 25. November, also zwei Wochen später, zusammen mit der Regierungsgewerkschaft FS und der UGT, die allseits beteuert, keine Regierungsgewerkschaft zu sein. Was sie aber auch zeigen könnte, statt nur zu behaupten

„Contra a criminalização das Organizações dos Trabalhadores: Pela libertação imediata dos militantes do MST“ am 15. November 2016 beim Gewerkschaftsbund Intersindical externer Link ist eine Protesterklärung gegen die Verfolgung sozialen Protestes in aktuellen Fällen, wie etwa die Festnahme von 4 Aktiven der Landlosenbewegung MST in Goias, denen nur vorgeworfen wird aktiv gewesen zu sein. Die MST hatte ja bereits einen Überfall der Polizei auf die Florestan Fernandes – Schule der MST hinnehmen müssen, ohne jegliche richterliche Weisung vorgenommen – was weltweite Proteste und Solidarität erzeugte. Aber auch die Belegschaft der Usiminas im Werk nahe Santos wurde von 300 Militärpolizisten angegriffen, als sie sich gegen Massenentlassungen zur Wehr setzte. Dies, zusammen mit den teilweise extrem brutalen  Angriffen auf die Besetzungsbewegung an Schulen und Universitäten, sowie faschistischen Überfällen auf BesetzerInnen zeige, wie weitgehend der Generalangriff der Rechten auf die soziale Bewegung in Brasilien sei. Wobei in der Erklärung auch betont wird, nicht zu vergessen, das das Gesetz Nummer 12.850 von 2013 – eine Art politisches Anti-Terror-Gesetz – eben nicht von Temer, sondern von der PT Regierung (deren Koalitionspartner Temer ja war) verabschiedet worden sei…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=107231
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