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Siegesfeiern in Brasilien – und Aufmarsch der Rechten…

Siegesfeiern in Brasilien -  und Aufmarsch der Rechten...Nachdem die landesweiten Massenproteste den Erfolg verzeichneten, dass überall die Fahrpreiserhöhungen zurückgenommen wurde – in einigen Städten kam es sogar zu Preisreduzierungen – und im Parlament eine seit 4 Jahren unbehandelte Gesetzesvorlage zu steuerlichen Erleichterungen für Nahverkehrsunternehmen ganz schnell endlich auf die Tagesordnung gesetzt wurde (die eine Senkung von rund 15% bedeuten kann) wurden am vergangenen Donnerstag in vielen Städten regelrechte Siegesfeiern organisiert. Zu recht. Allerdings kamen dabei auch abermals und massiver denn je ungebetene Gäste: Mit Nationalfahnen bewehrt und Parolen gegen die Korruption und heftigen Attacken gegen alles, was (linke) Parteifahnen usw trug, unter dem Motto “Keine Parteien” trat die politische Rechte keineswegs nur in Sao Paulo auf den Plan. “Schon vor Donnerstag hatten die „Anti-Parteilichen“ und andere rechte Kräfte an Demonstrationen gegen die Fahrpreiserhöhung in São Paulo teilgenommen. Mit verkürzter Kritik an Korruption und der Regierung der Arbeiterpartei PT sowie extremem Nationalismus versuchen sie, die Proteste gezielt für ihre Zwecke zu manipulieren und die Bewegung zu spalten. Dabei trügt der vermeintlich parteienkritische Anstrich der rechten Demonstranten. So weist Brasil de Fato ihnen Verbindungen zur konservativen Partei PSDB nach” – aus dem Beitrag “Rechte will Massenproteste in Brasilien kapernexterner Link von Niklas Franzen am 22. Juni 2013 bei amerika21.de. Siehe dazu auch:

  • A virada da direita – o dia 20 em Florianópolis” externer Link – ein Beitrag der Aktivistin Elaine Tavares aus Florianopolis vom 21. Juni 2013 bei Brasil de Fato , worin ähnliche Attacken aus der (eher kleinen) Landeshauptstadt des südlichen Bundesstaates Santa Catarina berichtet werden – in einer Stadt, in der die Bewegung gegen den teueren Nahverkehr lange Tradition seit 2005 hat
  • Komuniqué des Movimento Passe Livre, São Pauloexterner Link am 22. Juni 2013 bei amerika21 ins Deutsche übersetzt, mit folgender Unterzeile: “Movimento Passe Livre zur Demonstration am gestrigen Donnerstag und den Attacken auf Angehörige linker Gruppen”

Hintergründe und aktuelle Entwicklungen

Was die Lage kompliziert macht ist die einfach Tatsache, dass trotz dieses Vorstoßes der politischen Rechten die Demonstrationen breiter Teile der Bevölkerung aus vielen guten Gründen weitergehen. Ein lesenswerter Hintergrundbericht, weil differenziert, ist “Auch Brasilien erhebt sichexterner Link von Lutz Taufer am 22. Juni 2013 ebenfalls bei amerika21.de, worin beispielsweise diese kleine Passage einiges erhellt – “Anders als in Deutschland ist in Brasilien der Abstand zwischen arm und reich geringer geworden. Aber noch immer ist Brasilien eine tief gespaltene Gesellschaft. Wohnhäuser in den Mittelstandsvierteln haben immer zwei Aufzüge: eine für die Herrschaften und einen für die Dienstboten. Wo der zweite Aufzug mal fehlt, führt dies zur Wertminderung der Immobilie “

Und auch die staatliche Repression gegen linke Gruppierungen und Bewegung geht weiter – wenn etwa im südlichsten Bundesstaat die Bundespolizei die Büros der Anarchistischen Föderation überfällt, eine relativ kleine Gruppierung, die aber in diesem Bundesstaat deutlich stärker ist als die Strömung es in anderen ist – dazu die Meldung “Federal Police invade the premises of the Federação Anarquista Gaúcha – FAGexterner Link am 21. Juni 2013 bei anarkismo.net

Zunehmen tun auch die Konfrontationen von Reaktionären diverser Schattierungen mit den DemonstrantInnen, die in der Paulistaner Provinzstadt Riberao Preto zum Tod eines 18-jährigen Demonstranten führte, der von einem Land Rover (das typische Auto der dortigen Zuckerrohr – biobrennstoff – Bourgeoisie) angefharen wurde, wie die Ortsgruppe der PSOL (Partei Freiheit und Sozialismus, eine linke Abspaltung der Regierungspartei PT) in dem Beitrag “PSOL de Ribeirão Preto lamenta violência do ato nesta quinta-feira, que resultou na morte de um jovem de 18 anosexterner Link am 21. Juni 2013 auf der Partei-Webseite berichtet

Positionierungen

Nachdem die Erklärung mehrerer Gewerkschaftsverbände die Berechtigung der Forderungen unterstrich (LabourNet berichtete) und zum sozialen Dialog aufrief, hat nun eine erneute Pressemitteilung des grössten Gewerkschaftsverbandes, der CUT eine andere Tonlage: Offensichtlich haben, durch die Ereignisse eben vor allem am vergangenen Donnerstag jene innerhalb der regierungsnahen Linken Oberwasser bekommen, die von Beginn an in allen diesen Protesten einen Schachzug oder gar eine Verschwörung der Rechten sahen. Die Erklärung “Nota da CUT em defesa da democraciaexterner Link vom 21. Juni 2013 wendet sich gegen den Versuch der Rechten, die Demonstrationen unter ihre Leitung zu bringen

Dass es auf der anderen Seite die erwähnten Positionen gibt, die von Anfang an in allem eine rechte Machenschaft sahen, wird durch einen Brief eines Mitglieds des Exekutivkomitees der Metallgewerkschaftsföderation CNM in der CUT deutlich (dieser Brief liegt der Reaktion LabourNet Germany vor und kann auf Anfrage an die Redaktion im Original zugesandt werden), worin der Autor davor warnt, die bloße Tatsache, dass die Rechte einen solchen Versuch unternimmt dazu zu benutzen, die ganze Bewegung als feindlich darzustellen und zu begreifen.

Übersicht von Helmut Weiss vom 24.6.2013

Siehe zum Hintergrund: Sao Paulo, Rio, Porto Alegre… Zustände wie in Istanbul (oder Frankfurt). Und dann auch noch gegen Fußball demonstrieren?

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=39068
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