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Was es für die brasilianische Linke bedeutet, dass die Mehrheit der WählerInnen Bolsonaro wollte: Unter anderem Kampf gegen alltäglichen Polizeiterror

In den Favelas von Rio de Janeiro ist man tödliche Polizeieinsätze "gewohnt". Seit Bolsonaro finden sie auch anderswo in Armenvierteln statt...Nach dem politisch motivierten Mord an Marielle ist es dringlicher denn je, dass wir schwarze Frauen im Parlament haben. Marielle war eine schwarze, lesbische Frau aus den Favelas, Sozialistin, Mutter… Das alles hat sie ins Parlament getragen und ist dann einem politischen Verbrechen zum Opfer gefallen. Das macht uns Angst, aber es fördert auch die Überzeugung, dass wir immer mehr Macht­räume besetzen müssen und werden. Denn wir sind die Mehrheit der Bevölkerung, wir, die schwarzen Frauen in Brasilien. Wir wollen mit der Macht anders umgehen, wir wollen sie kollektivieren, horizontaler ausrichten und sie dieser Bevölkerungsmehrheit zurückgeben. [Was hat sich geändert, seit Bolsonaro an der Macht ist?] Die brasilianische Demokratie ist sehr jung und unvollständig. Und sie ist nie wirklich in den Favelas, den ärmsten Gebieten des Landes, angekommen. Trotzdem wird diese Demokratie, die wir ausbauen und radikalisieren wollten, durch die Wahl von Bolsonaro gefährdet. Bolsonaro wurde gewählt, weil er sagte, dass er „einen toten Sohn einem Schwulen“ vorziehen würde, weil er die Henker der Diktatur verherrlichte und Hassreden verbreitete. Das brasilianische Volk hat jemanden als Systemgegner angesehen, der in höchstem Maße Ausdruck des Systems ist. Die Linke hat nun die Aufgabe, wieder in die Stadtteile zu gehen und diesem Diskurs etwas entgegenzusetzen…“ – aus dem Interview von von Sébastien Brulez mit Talíria Petrone  (PSOL Abgeordnete) „„Internationale Solidarität ist sehr wichtig, damit wir unseren Widerstand fortsetzen können“ am 05. April 2018 auf der Mailingliste iso-aktuell externer Link (in deutscher Übersetzung aus dem Französischen von Alena W. – ursprünglich bei Gauche anticapitaliste). Siehe dazu auch zwei aktuelle Beiträge über die bisher wesentlichste Neuerung der neuen politischen Mehrheit in Brasilien: Alltäglicher Polizeiterror – tödlich in den Favelas, repressiv sogar gegen Proteste an Schulen:

  • „Die neue Brutalität der Polizei“ von Matthias Ebert am 07. April 2019 in der tagesschau externer Link berichtet unter anderem: „Leise drangen Spezialeinheiten um sechs Uhr am Morgen in die engen Gassen der Favela Fallet in Rio de Janeiro ein. Sie hatten offenbar einen Tipp bekommen, wo sich jugendliche Drogendealer des „Roten Kommandos“ aufhielten, die sich in den Tagen zuvor Gefechte mit anderen Gangs geliefert hatten. Als der Einsatz am 8. Februar vorüber war, brach Entsetzen in der Armensiedlung Fallet aus. Anwohner entdeckten 15 getötete Jugendliche, die Spuren von Hinrichtungen aufwiesen. Nachbarn sprechen vom „ersten Massaker unter Brasiliens rechtsextremem Präsidenten Jair Bolsonaro“. Tatiana Carvalho hält den Autopsiebericht ihres Sohnes hoch. Der 22-jährige Felipe wurde demnach nicht im Schusswechsel mit der Polizei getötet – sondern durch Messerstiche. Tatiana besitzt Handyfotos, die zeigen, wie Felipes Eingeweide heraushängen. Sie sollen dokumentieren, dass ihr Sohn – der Mitglied des „Roten Kommandos“ war – exekutiert wurde. „Hat denn ein Gangster keine Rechte?“, klagt Tatiana. Die Aufarbeitung der Polizei-Operation in der Favela Fallet läuft noch. Aber bereits jetzt ist klar, dass Brasilien unter Bolsonaro eine härtere Sicherheitspolitik betreibt. Offenbar auch außerhalb des rechtlichen Rahmens, wie Menschenrechtler kritisieren. João Luis von der Nichtregierungsorganisation Rio de Paz zeigt auf einen weißen Turm, der über einem Polizeigelände aufragt. Von dort würden Scharfschützen der Polizei auf Bewohner der Favela Manguinhos schießen – zumindest auf die, die bewaffnet sind. Doch dabei habe die Polizei in den ersten Monaten des Jahres laut Rio de Paz auch Unschuldige getötet, die mit einem Wagenheber oder einem Regenschirm unterwegs waren. Dies legt der Autopsiebericht von Carlos Eduardo de Santos nahe. Der 27-Jährige wurde im Januar bei strömendem Regen allem Anschein nach von Scharfschützen erschossen. Er war kein Gangster, sondern hatte einen festen Job. Noch während dessen Familie trauerte, bestätigte der Gouverneur von Rio – ein Bolsonaro-Vertrauter -, dass ab sofort Scharfschützen im Geheimen zum Einsatz kommen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=147067
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