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Die Geister, die sie rufen wollen, sind angekommen: Faschistische Milizen in Südbrasilien und Jagd auf Flüchtlinge im Nordwesten des Landes

Schüsse auf Lulas Bus in Südbrasilien am 22.3.2018Die (Bus)Karawane Lula kam in die südlichen Bundesstaaten – die sozialdemokratische Vorwahlkampf-Kampagne, die schon im Norden und Nordosten des Landes (erfolgreich) stattgefunden hatte. Aber im „tiefen Süden“ gab es eine Neuerung: Angriffe auf Kundgebungsteilnehmer von mit Peitschen und Baseballschlägern bewaffneten sowie (teilweise) vermummten Banden, die es mit Vorliebe auf die Demonstranten aus der Bewegung der Landlosen abgesehen hatten. Zustände, wie einst, als die Großgrundbesitzer ihre Bewaffneten auf jegliche Ansätze von Protesten losließen. Abgerundet von Nagelbetten auf den Fernstraßen und zweimal Schüssen auf die Karawane. Und zur selben Zeit im fernen nordwestlichen Bundesstaat Roraima Angriffe, als ob hier Rostock wäre: „Besorgte Anwohner“ stürmen eine Siedlung von Flüchtlingen aus Venezuela (von denen es – nicht nur in Brasilien – inzwischen sehr viele gibt), vertreiben die Menschen, zünden deren Hab und Gut an – nach einer Serie von Brandstiftungen in Flüchtlingssiedlungen. Die „Geisterbeschwörer“ waren also erfolgreich: Gewählte Regierung stürzen, den aussichtsreichsten Kandidaten per Klassenjustiz an der Wahlteilnahme hindern, zweitgrößte Stadt des Landes schon mal unter Militärkontrolle stellen, Hass predigen – und die ersten Linken ermorden lassen. Der Unternehmerverband von Sao Paulo, der diese ganze Kampagne anführte, samt seiner zahlreichen bundesdeutschen Mitglieds-Unternehmen, kann auf sein reaktionäres Werk stolz sein. Siehe zur aktuellen rechten Offensive in Brasilien fünf Beiträge:

  • „Brasilien: Urteil gegen Ex-Präsidenten Lula da Silva bestätigt“ von Vanessa Brinktrine am 27. März 2018 bei amerika21.de externer Link, worin zum Thema Klassenjustiz gegen Wahlrecht und organisierte Attacken ausgeführt wird: „Lula ist erstmals im Juli 2017 im Kontext des Korruptionsskandals Lava Jato unter heftiger internationaler Kritik verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, dem Baukonzern OAS einen Auftrag des staatlichen Erdölkonzerns Petrobas verschafft und im Gegensatz dafür ein Luxus-Apartment im Wert von 2,2 Millionen Reais (550.000 Euro) erhalten zu haben. Die Verteidigung des früheren Präsidenten hatte auch im jetzigen Verfahren auf gefälschte Beweise hingewiesen, in denen Hinweise für Manipulationen entdeckt wurden. Die Richter in Porto Alegre wiesen diese Argumentation jedoch zurück. Lula ist derzeit der Präsidentschaftskandidat der Arbeiterpartei (PT) und liegt in sämtlichen Umfragen trotz der Vorwürfe weit vor allen anderen Kandidaten. Auf seiner Wahlkampftour ist Lula zuletzt immer wieder angegriffen worden. Am Montag kam es auf dem Weg zum Berufungsgericht zu Protesten und Demonstrationen von Gegnern und Anhängern des linken Kandidaten. Am Sonntag griffen aufgebrachte Demonstranten den Bus Lulas mit Eiern und Steinen an, während Lula einen Zwischenhalt in der Kleinstadt São Miguel do Oeste im Bundesstaat Santa Catarina machte. Die Menge bewarf Lula auf der Tribüne, während sich die Parteipräsidentin Gleisi Hoffmann und abschließend Lula in einer Rede an die anwesenden Zuschauer richteten. Die um ihn stehenden Berater mussten ihn mit Regenschirmen vor den Eiern und anderen Objekten schützen. Begleitet wird Lula während seiner Tour durch den Süden Brasiliens von der Landlosenbewegung Movimento dos Trabalhadores Rurais sem Terra (MST). Ähnliche Vorfälle ereigneten sich bereits auf früheren Stopps der Karawane im Süden des Landes“.
  • „Entidades divulgam carta em repúdio à xenofobia contra venezuelanos e cobram governos“ am 23. März 2018 beim Gewerkschaftsbund CSP Conlutas externer Link ist der Bericht über eine Pressekonferenz zur Vorstellung eines offenen Protestbriefes von etwa 30 gewerkschaftlichen und Menschenrechtsgruppen in Boa Vista, Hauptstadt des Bundesstaates Roraima im Nordwesten des Landes (und Grenzland zu Venezuela), bei  der die massiven Angriffe auf Flüchtlinge aus Venezuela kritisiert wurden. Lourival Ferreira, Sekretär der Bauarbeitergewerkschaft Sintracomo in der Conlutas-Föderation wies dabei darauf hin, dass die Ereignisse des 19. März, als mehrere Hundert Brasilianer 200 Flüchtlinge aus Venezuela angriffen und aus ihrer Siedlung verjagten, nur die Spitze eines Eisbergs von Angriffen auf Flüchtlinge gewesen seien, die seit Monaten in verschiedenen Städten des Bundesstaates immer mehr zunähmen, beispielsweise sei  Brandstiftung schon mehrfach vorgekommen.
  • „Plenos direitos sociais e políticos aos imigrantes venezuelanos, abaixo a repressão de Temer!“ von André Augusto am 25. März 2018 bei Esquerda Diario externer Link ist ein Beitrag, in dem die Forderung nach vollen politischen und sozialen Rechten für die Flüchtlinge aus Venezuela vertreten wird – und dabei auch die gesamte Entwicklung der Flucht aus Venezuela (die immer noch meist nach Kolumbien geht) kurz skizziert – davon ausgehend, dass die offiziellen Angaben über Migration aus Venezuela nicht zutreffen, da die Wanderungen über die „grüne Grenze“ nicht erfasst werden können. Roraima ist weder ein Freistaat noch ein Erbhof von CDU/CSU – die Verhältnisse, eben vor allem was die Politik der Landesregierung betrifft, sind aber durchaus vergleichbar. Der Gouverneur von Roraima profiliert sich mit „strammer“ Umsetzung der Politik der Bundesregierung Temer, die auf Repression gegen MigrantInnen setzt.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=129926
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