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Brasiliens Gewerkschaften im „letzten Gefecht?“ Der Kampftag gegen Rentenkürzung am 15. März 2017

Brasilien: Der Kampftag gegen Rentenkürzung am 15. März 2017Wenn neoliberale Regierungen eine Rentenreform ankündigen, dann ist es, um mit Ernest Hemingway zu sprechen, „Zeit, das Gewehr durchzuladen“. Wenn eine extrem fragwürdige Wunschregierung der Unternehmerverbände – die die einzigen waren, die sie gewählt haben – dies tut, reicht eines vermutlich nicht. Die Verbesserung der Lebenssituation der Rentnerinnen und Rentner war eine der positiven Reformen der sozialdemokratischen PT-Regierungen gewesen. Was mit dem heutigen Kapitalismus kaum kompatibel ist, weswegen jetzt „Kommando zurück!“ gegeben werden soll. Mit der weltweit üblichen Begründung, das alles sei nicht mehr finanzierbar. Es fehlen Milliarden. Die Beiträge, die die Unternehmen in betrügerischer Absicht nicht abgeführt  haben, summieren sich auf Milliarden. Die lebenslangen 100% Renten für Richter summieren sich auf Milliarden. Die Renten der Offiziere – die auch noch ihren Kindern zustehen, sofern sie nicht „außerhalb des Militärs“ heiraten – summieren sich auf Milliarden. Es gäbe also durchaus Spielraum und Notwendigkeit einer wirklichen Rentenreform. Was natürlich nicht das ist, was ihre Auftraggeber von der Temer-Bande wollen. Alle neun Gewerkschaftsföderationen des Landes haben gemeinsam für den 15. März 2017, aus Anlass der anstehenden parlamentarischen Debatten um die Renten, zu einem landesweiten Kampf- und Streiktag aufgerufen. Und obwohl oft sehr viele Menschen auf den Straßen waren, haben solche Kampftage seit dem „legalen Putsch“ gegen die PT Regierung im April 2016 nicht viel erreicht. Ob die Mobilisierung diesmal genügend weit über „das eigene Lager“ hinausgeht, wird sich zeigen – wie auch, ob wirklich alle Verbände ernsthaft mobilisieren. „Die Leute werden erst protestieren, wenn die konkreten Maßnahmen kommen“ war eine der Erklärungen für mangelnde Mobilisierungskraft in den letzten Monaten: Nun muss es sich also zeigen, oder es ist wirklich das (vorerst) letzten Gefecht. Siehe dazu unsere aktuelle Materialsammlung „Kampf gegen Rentenkürzung: Das letzte Gefecht der brasilianischen Gewerkschaften?“ vom 14. März 2017

Kampf gegen Rentenkürzung: Das letzte Gefecht der brasilianischen Gewerkschaften?

Die Bedeutung und Stoßrichtung der neuen Rentengesetzgebung

„Confira as principais alterações da Reforma da Previdência“ war am 16. Dezember 2016 beim Gewerkschaftsbund CSP Conlutas externer Link die Dokumentation der Änderungen gegenüber den gegenwärtigen Regeln der Rentenversicherung. Wesentlichster Punkt der sogenannten Reform – insgesamt werden 23 Veränderungen dokumentiert – ist die Erhöhung des Renteneintrittalters auf 65 Jahre für beide Geschlechter. (Was eine zusätzliche Verschlechterung für Frauen bedeutet, die bisher früher in Rente gehen konnten, als Männer – einer der Gründe, warum das Thema Rentenreform auch am 8. März in Brasilien ein Dauerthema war)

„Reforma da Previdência prejudicará acesso das trabalhadoras ao benefício, alerta pesquisadora do IPEA“ am 08. März 2017 ebenfalls bei der CSP Conlutas externer Link ist die Konkretisierung dieser besonderen Benachteiligung der Frauen: Um überhaupt in das Rentensystem zu kommen, müssen mindestens 25 Beitragsjahre verzeichnet sein – eine Zeitdauer, die viele Frauen aufgrund ihrer familiären Doppelbelastung gar nicht erreichen – und also ohne Rente bleiben müssen.

„Entidades lançam dossiê contra reforma da previdência do governo Temer „ am 02. März 2017 beim Coerreio da Cidadania externer Link ist die Dokumentation eines Dossiers zur Rentenreform, wie sie Institute wie das DIEESE gemeinsam veröffentlicht haben, dessen Hauptkritikpunkte bereits in der Überschrift erscheinen: „Reformieren, um auszuschließen?“ – das Schwergewicht dieses Dossiers liegt darauf, nachzuweisen, dass verschiedene Personengruppen vom Rentenbezug faktisch ausgeschlossen werden – was zusammen Millionen Menschen macht

„QUEREM QUE VOCÊ MORRA SEM SE APOSENTAR!“ am 11. März 2017 beim Netzwerk Povo sem medo externer Link (Volk ohne Angst) (Facebook) ist ein Zeichentrickfilm, mit dem die wesentlichen Inhalte der Reform in einfachen Skizzen deutlich gemacht werden. Kern der Sache: „Sie wollen, dass du ohne Rente stirbst!“

„Empresas dão calote de R$ 433 bilhões na Previdência“ am 11. März 2017 beim Gewerkschaftsbund CUT externer Link ist die Dokumentation der nicht bezahlten Beiträge von Unternehmen an die Sozialkassen. Die sich zusammen auf 433 Milliarden Reais oder grob etwas über 100 Milliarden Euro summieren. Unter den Hauptschuldnern etwa der Fleischkonzern Mafrig, ein echter Global Player, der auch in die BRD liefert und der Bergbaukonzern Vale (mit seinen schrottigen Staudämmen, in die er ebenfalls nicht investiert)

Kommunalbeschäftigte von Porto Alegre beschließen Streik für den 15. März 2017 gegen die Rentenreform der brasilianischen RegierungDie gewerkschaftliche Mobilisierung und ihre Probleme

„Centrais Sindicais se unem e vão às ruas contra a Reforma da Previdência“ am 11. März 2017 beim Correio do Estado externer Link ist die redaktionelle Meldung – wie sie überall in der gutbürgerlichen Presse und sonstigen Medien verbreitet wurde – dass die 9 brasilianischen Gewerkschaftsverbände gemeinsam zum Kampftag gegen Rentenreform am 15. März aufrufen, hier am Beispiel des Bundesstaates Mato Grosso do Sul

„8 motivos para os trabalhadores entrarem em cena no 15/03“ von Felipe Guarneri und Marcelo Pablito am 10. März 2017 bei La Izquierda Diario externer Link ist eine Zusammenfassung der 8 wichtigsten Punkte, weswegen nach Meinung der Autoren Arbeiterinnen und Arbeiter sich am Kampftag 15. März beteiligten sollten: Damit sind aber nicht die konkreten Regelungen der sogenannten Reform gemeint, sondern 8 Gründe der politischen Konjunktur, die verdeutlichten, dass es so einfach, wie in der allgemeinen Meldung nahe gelegt, leider nicht ist. Unter anderem verweisen sie darauf, dass der Gewerkschaftsbund Forca Sindical (FS) zwar mit den anderen 8 Föderationen zusammen aufruft, aber keine einzige nachweisbare Aktivität in Richtung Mobilisierung zeige, sondern der Gewerkschaftsvorsitzende, auch Parlamentsabgeordneter, verhandelt in Brasilia bereits mit der Regierung um „Nachbesserungen“ – und sie verweisen auch darauf,  dass CUT und CTB mehr daran interessiert seien, die Präsidentschaftswahl 2018 mit Lula als Kandidat vorzubereiten, denn zu mobilisieren. Insgesamt ein Beitrag, der die inneren Probleme der Gewerkschaftsbewegung mit behandelt, in Blickrichtung auf die reale und die mögliche Mobilisierung.

„Povo nas ruas no dia 15 vai barrar fim da aposentadoria“ am 10. März 2017 beim Gewerkschaftsbund CUT externer Link ist eine Zusammenfassung der Erklärung des CUT-Vorsitzenden Vagner Freitas, der unterstreicht, mit einer massiven Mobilisierung – und nur mit einer massiven Mobilisierung – könne das Projekt Rentenklau gestoppt werden, womit er auch, indirekt, auf die innergewerkschaftliche Debatte um eben die Mobilisierung anspielt

„Mais de um milhão de professores preparam greve contra a reforma da Previdência“  von Pedro Vilela am 10. März 2017 bei Brasil de Fato externer Link ist ein Bericht von dem Beschluss der Föderation der Lehrergewerkschaften CNTE, einen landesweiten Streik gegen die Rentenreform in allen Bundesstaaten zu organisieren. Die Lehrerföderation erwartet, dass 1 Millionen Lehrerinnen und Lehrer dem Streikaufruf folgen werden

„Servidores da educação fazem paralisação na 4ª“ von Patrícia Cacheffo am 12. März 2017 in A Tribuna externer Link ist ein Beitrag, in dem berichtet wird, dass auch die sonstigen Beschäftigten des Bildungswesens zumindestens in mehreren Bundesstaaten zum Streik aufgerufen sind

„Em assembleia lotada, municipários aprovam paralisação no dia 15 contra Marchezan e Temer“ am 09. März 2017 bei Esquerda Diario externer Link ist der Bericht über die massiv besuchte Vollversammlung der Kommunalbeschäftigten von Porto Alegre, die nahezu einstimmig für Streik am 15. März gestimmt haben

„Metroviários de São Paulo farão greve de 24h dia 15 contra a reforma da Previdência de Temer; outras categorias também integram Dia Nacional de Paralisações“ am 10. März 2017 bei der CSP Conlutas externer Link berichtet von dem Beschluss der Metrogewerkschaft von Sao Paulo, am 15. März einen eintägigen Streik zu organisieren (immer eine Besonderheit, wenn die Paulistaner Metro  bestreikt wird, das Chaos geht gegen total) und informiert auch über andere Belegschaften, etwa, dass mindestens 25 große Betriebe der Metallindustrie bestreikt werden (aufgrund vor allem der massiven Krise in der Metallindustrie war hier bislang – entgegen aller Tradition – relativ wenig mobilisiert worden)

„MG: Araxá terá greve geral contra a „reforma“ da Previdência no próximo dia 15 de março“ am 08. März 2017 beim Gewerkschaftsbund CSPB externer Link ist ein Bericht über die gemeinsame Sitzung aller wesentlichen Gewerkschaften der Stadt Araxa in Minais Gerais, die gemeinsam einen regelrechten Generalstreik am Ort organisieren wollen, auch in solchen Bereichen, wie dem Einzelhandel

„15 de março em Osasco tem que ser dia de luta!“ von Fabiano Marimbondo am 10. März 2017 bei Esquerda Diario externer Link ist ein Bericht über die Mobilisierungsaktionen in und vor den Fabriken der Industriestadt Osasco in Groß Sao Paulo. Hier hat die Chemiegewerkschaft den Vollstreik beschlossen und mobilisiert jetzt rund um die Uhr dafür, linke Gruppierungen machen mit

„PA: Mobilização para o Dia de Paralisação Nacional“ am 10. März 2017 bei der CUT externer Link ist ein Bericht über den Stand der Vorbereitungen des Kampftages im Bundesstaat Para. Vor allem in der Landeshauptstadt Belem, wo die Postgewerkschaft und die Bankengewerkschaften als erste Streikbeschlüsse gefasst haben, wird es dabei ab 9 Uhr in der früh Demonstrationen und Kundgebungen geben

„Dia de Paralisação fechará Curitiba em defesa da aposentadoria“ am 13. März 2017 bei der CUT externer Link ist ein Bericht über den Stand der Mobilisierung in Curitiba, der Hauptstadt des südlichen Bundesstaates Parana: Dort gibt es Streikbeschlüsse der Ölarbeitergewerkschaft, im Kommunalen Dienst und im öffentlichen Nahverkehr – und eine Auftaktkundgebung ebenfalls um 9 Uhr morgens, zu der auch bereits streikende LehrerInnen hinzu kommen werden

„Plenária unificada de Centrais Sindicais organiza ato contra reforma da previdência, no Rio de Janeiro“ von Jorge Alves am 10. März 2017 bei Esquerda Diario externer Link ist ein Bericht über den Beschluss der Gewerkschaftsföderationen der Stadt Rio de Janeiro eine Großkundgebung am Nachmittag des 15. März in der Innenstadt zu organisieren

„Todos às ruas neste 15 de março contra o ajuste fiscal e as reformas trabalhista e da previdência“ am 09. März 2017 bei der PCB externer Link (Partido Comunista Brasileiro) sich an Streiks und Demonstrationen, am gesamten Kampftag zu beteiligen – hier als eines von vielen möglichen Beispielen stehend, wie linke Gruppierungen verschiedenster Strömungen diesen Kampftag massiv unterstützen

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=113435
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